Samstag, 26. Juli 2014

Die Trolljagd - Kapitel 1: Der Nordmarkt

Auf dem Kutschbock wehte mir ein warmer Regenmondwind um die Nase. Um mich herum erblühten die Felder, die durch die Sonne in einem goldenen Glanz erstrahlten. Tarso erklärte uns, dass wir gerade die unbefestigte Grenze zwischen Askalon und Imbrien überquert hatten. Ich war gespannt auf das große thalische Reich der Menschen, von dem ich schon so viel gehört hatte.

Unser erster Halt war die Stadt Tremen direkt hinter der Grenze. Während der Baustil an Altem erinnerte mit Fachwerkhäusern und dunklen Steinhäusern, waren die Menschen hier völlig anders. Sie wirkten viel entspannter und waren gut gelaunt - was den Händlern gute Geschäfte bescherte. Vivana wollte ihre Wolfsfelle loswerden, fand hier aber keinen Abnehmer.

Unser nächster Halt war die Stadt Tyngarden. Sie bot einen prächtigen Anblick: helle Steinmauern und dutzende Wachtürme rahmten die Stadt ein. In der Stadt waren die Straßen sauber, die Häuser wirkten herausgeputzt, es gab sogar Parkanlagen. Die Menschen waren in edle Gewänder gekleidet und fast alle waren mit Schmuck behängt. Die meisten hatten blonde Haare, viele der Frauen tragen sie zu langen Zöpfen geflochten.
Hier fanden die exotischen Waren aus Skilis reißenden Absatz. Zwei der fünfzehn Händler waren bereits alle ihre Waren losgeworden und machen sich auf eigene Faust auf den Rückweg nach Skilis, um für Nachschub zu sorgen. Auch Boldran Blei, der Händler mit den abstehenden Ohren und dem Spitzbärtchen, war darunter. Er verabschiedete sich herzlich von uns und hoffte auf ein baldiges Wiedersehen.
Vivana war indes in Tyngarden erfolgreicher. Ein Fellhändler kaufte ihr nach harten Verhandlungen zwei der drei Silberwolffelle für 100 Silberlinge ab.

Nach kurzem Aufenthalt ging es weiter und die Karawane steuerte ihr eigentliches und wichtigstes Ziel an: den großen Nordmarkt in Imbrien. Tarso erklärte uns, dass sich dort die wichtigsten Händler aus ganz Thalien und sogar dem hohen Norden aus Yarwaques Hand trafen. Dort würde nicht nur gefeilscht, dem Glücksspiel gefrönt und gesoffen, sondern es würde sich auch über die neuesten Gerüchte und die attraktivsten Handelswege ausgetauscht.

Nach einer Fahrt ohne Vorkommnisse konnte ich den Nordmarkt schließlich schon aus großer Entfernung erkennen. Er schien sich über den gesamten Horizont zu erstrecken: eine riesige Stadt aus Zelten und Wagen. In der Mitte überragten ein paar Giebel die Zelte, bei denen es sich um das Dörfchen Gaad handelte, das vom Markt praktisch verschluckt wurde.

Die Händler kannten sich untereinander, wir fuhren an keinem Zelt oder Stand vorbei, von dem uns nicht ein freudiges Willkommen entgegenschallte. In meine Nase drangen die Gerüche exotischer Gewürze und zwischen den Zelten wimmelte es von Menschen aller Hautfarben, die in die unterschiedlichsten Gewänder gekleidet waren. Es wurde geschimpft, gelacht und geflucht.

Ein Marktwächter wies der Karawane ihren Stellplatz zu. Die Händler stiegen ab und begannen umgehend damit, ihre Zelte und Stände aufzurichten. Tarso trat auf uns zu: „Schaut euch ruhig einmal auf dem Nordmarkt um, so etwas habt ihr sicherlich in eurem Leben noch nicht zu Gesicht bekommen - verlauft euch aber nicht!“

Widun blickte händereibend auf das Getümmel: „Hier wird Mnamn viele neue Anhänger finden! Mal schauen, wo es Bier gibt - es ist an der Zeit, eine Messe zu halten!“

Tarkin und Urota suchten nach einer Kräuterfrau. Ich war mir zunächst unschlüssig, folgte den beiden dann aber in einiger Entfernung - gar nicht so einfach bei diesem Gedränge. Um Urota herum hatte sich eine Gasse gebildet, keiner der Menschen wollte ihm zu nahe kommen. Mit seiner Unbedenklichkeits-Erklärung in Händen fühlte er sich jetzt sicher, auch der Marktwächter hatte sich damit zufrieden gegeben.

„Wenn das nicht Tarkin ist, der große Koboldkrieger!“, ertönte es plötzlich. Aus der Ferne sah ich einen großen, muskulösen Mann mit einem Streifen roter Haare auf dem sonst kahlen Schädel. Beim Näherkommen konnte ich ihn erkennen: es war Saradar, der Gjölnar-Barde, der es vorgezogen hatte, bei den askalonischen Soldaten zu bleiben.

„Was wollt Ihr denn hier, Barbar!“, entgegnete ihm - nicht gerade höflich - Tarkin, der wohl die Auseinandersetzung um das Kettenhemd noch nicht vergessen hatte.

Saradar: „Spuckt’s aus, wo seid ihr denn groß geworden? Ist das die Koboldart einen alten Kampfgenossen zu begrüßen?“

Tarkin: „Während ihr euch rumgetrieben habt, haben wir die Stadt Altem von ihrer Rattenplage befreit!“

Saradar: „Ihr habt Ratten getötet, toll! Ich habe es mit Nachtwölfen und Goblins aufgenommen!“

Tarkin: „Und was habt ihr denn da überhaupt für ein Gewürm auf eurem Arm?“

Saradar: „Hütet eure Zunge, das ist mein Begleiter, aber auf einen halben Schritt Niveau lasse ich mich jetzt nicht herab, das mit euch zu diskutieren! Ihr habt auch einen neuen Gefährten wie ich sehe: Einen Hügeltroll, der soll euch wohl beim Einkaufsbummel die Taschen tragen. Bei den Gerüchten über Trollüberfälle rufe ich da wohl mal besser den Marktwächter!“

Tarkin: „Sprecht nicht so von ihm! Ich habe an der Seite dieses Trolles schon Kinder gerettet!“

Das gimg noch eine Weile so weiter, durch den Lärm bekam ich nicht alle Einzelheiten mit. Saradar führte ein Pferd am Zügel, das er verkaufen wollte. Die Haut des Pferdes lag in Falten, die Augen waren eingefallen und es hatte kaum noch Zähne im Maul. Er versuchte es bei einem Pferdehändler loszuwerden, der bot ihm jedoch nur ein paar Silberlinge dafür und meinte, er sollte es schlachten lassen. Saradar: „Das Angebot lehne ich ab. Zugegeben, das ist ein alter Gaul, dem schaut man nicht ins Maul - und Pferdefleisch habe ich noch nie gemocht!“

Inzwischen war auch Widun dazugestoßen: „Kennen wir uns nicht vom Saufen?“, begrüßte er Saradar und klopfte ihm dabei kräftig auf den breiten Rücken.

Endlich hatten wir auch die Kräuterfrau gefunden. Sie verkaufte uns "Wundzumach", so nannte sie ein Kraut mit großen Blättern, das wir auf Wunden legen sollten - nach drei Tagen sei dann alles verheilt.

Ich war diesen Rummel nicht gewohnt - das genaue Gegenteil von meiner beschaulichen Heimat Oxysm. Bei mir drehte sich alles im Kopf von den vielen Eindrücken, sodass ich schließlich zum Karawanenlager zurückkehrte. Hier traf ich auf Edwen, der auch gerade vom Einkauf zurückkam - er hatte einen askalonischen Ritterhelm erworben.

Die Sonne küsste bereits den Horizont, als meine Gefährten sich nach und nach im Lager einfanden. Saradar war seinen Gaul bei ein paar Söldnern losgeworden: „Eine seltsame Bande ist das. Einer von denen hat mich angemacht und wollte mir sein Zelt zeigen. Aber immerhin, ihr Anführer, Halar, ist ein Gjölnar - vom gleichen Stamme wie ich, ein Khor‘Namar, habe ich sofort an seinen rot-weißen Haaren erkannt!“
Mit den Silberlingen hatte er sich eine Lilie gekauft.

„Für wen ist die Blume?“, fragte ich naiv.

„Das ist eine Lilie!“, lacht der Gjölnar und lässt einen Doppelspeer über seinem Kopf kreisen.

Tarkin hat sich auch einen Helm zugelegt, während Urota stolz seinen neuen Langbogen präsentiert.

Vivana und Anneliese erzählen, dass sie sich auf der Suche nach 'speziellen' Dingen in den östlichen Teil des Marktes vorgewagt haben. Laut Tarso sei dieser Teil berüchtigt für zwielichtige Geschäfte und Beutelschneiderei. Vivana meint, dass das mit einer Hand am Dolch und einer am Beutel kein großes Problem gewesen sei.
„Seid ihr denn fündig geworden?“, frage ich neugierig.

Anneliese: „Wir sind auf einen Krämer namens Irozan gestoßen, der seltene Dinge verkauft. In seinem dunklen Zelt standen Regale mit Knochen, toten Schlangen und allerlei Phiolen. Ich denke, ich habe einen guten Handel abgeschlossen: Für einen der Silberwolfzähne und ein paar Krähenfedern habe ich diesen Stein bekommen.“
Sie präsentiert uns ihren Stab, an dem jetzt ein Opal prangt, der in allen Farben schimmert.
„Der Krämer habe ihn von einer alten Hexe bekommen - er ist überzeugt, dass der Stein magische Energie bündeln und so die Aura eines Magiers verstärken kann.“

Vivana zeigt uns ein Glas mit einem kleinen Frosch darin: „Ein Giftfrosch aus Zul, sein Gift soll eine lähmende Wirkung haben.“

„Na, dann hoffen wir mal, dass euch dieser Scharlatan nicht über’s Ohr gehauen hat!“
Das kommt von Widun, der sich schwankend auf eine Bank fallen lässt:

„Saradar, alter Saufkumpan, jetzt erzähl uns endlich deine Geschichte!“