Donnerstag, 17. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 9: Feier mit Überraschungsbesuch

Schon von weitem stieg uns der Geruch von gebratenem Schwein in die Nase. Wir mussten nur der Duftspur folgen, um den Festplatz zu finden. Inzwischen war die Sonne untergegangen und Fackelschein erleuchtete die Gesichter der feiernden Stadtbewohner. Es wurde gesungen und gelacht, zur Unterhaltung zeigte ein Feuerspucker seine Kunststücke - ich musste schmunzeln, wenn ich daran dachte, was Anneliese hier wohl aufführen würde. Wir wurden zu Holztischen geführt, wo auch schon unsere Gefährten auf uns warteten. Bevor wir uns über die Erlebnisse des Tages austauschen konnten, erhob sich Syr Goreck zu einer Rede. Er war in ein edles Gewand und einen prächtigen Bärenfellumhang gehüllt.

Nachdem sich die feiernde Menge beruhigt hatte, begann er großzügig sein Lob über unserer kleinen Heldengruppe, den Söldnern und den imbrischen Soldaten auszuschütten:
»Endlich ist die ständige Bedrohung durch diese Hügeltrolle beendet! Der Heldenmut und die Loyalität, die mir begegnet sind, lassen uns hoffen, dass wir auch in Zukunft Gefahren wie dieser Herr werden.«

Während der Rede gesellte sich der von seinen Mitsöldnern nur »Pferd« genannte Tarquan zu uns und quetschte sich zwischen Widun und Vivana auf die Holzbank. Dann schnappte er sich schnell Vivanas Weinkelch und leerte diesen in einem Zug. Ein Lächeln, ein Ruck, und schon saß Vivana auf seinem Schoß. Nach einer Weile wurde er unruhig, setzte Vivana wieder neben sich, flüsterte ihr etwas ins Ohr und verabschiedete sich mit einem übertriebenen Handkuss in Richtung Theater.

Goreck trat nach Tarquans Abgang zu uns an den Tisch und gratulierte noch einmal jedem Einzelnen herzlich. Er bat Widun, einen Trinkspruch auf die erfolgreiche Trolljagd zu sprechen. Widun hatte scheinbar schon zu viele von Mnamns Gaben genossen, was da aus ihm herauskam glich eher einem Lallen - die Leute waren ihm aber wohlgesonnen und lachten herzlich.

Syr Goreck, der Stadtherr von Schaynwayle.

Goreck klopfte Widun auf die Schulter und lachte: »Ich hätte keine andere Rede von einem Mönch des Mnamn erwartet. Ich habe mir übrigens euren Trollgefährten angesehen. Er soll ja nicht nur einen seiner Art erschlagen haben. Er ist bemerkenswert, ein wahrer Krieger und intelligenter als ich dachte. Ich habe ihn heimlich in die Stadt bringen lassen. Ich wollte keine Panik auslösen, deshalb ist er in einer Lagerhalle im Norden - und ihr könnt sicher sein: er wird zumindest genauso gut verköstigt wie ihr.«
»Wohl an denn«, merkte er im Gehen an, »mir fällt ein, dass der Mortarax-Diener auf dem Grabhügel noch einen Auftrag für euch hat. Schaut doch morgen einmal bei ihm vorbei!«
»Wo will Vivana denn jetzt hin?«, fragte ich in die Runde, nachdem sie katzenhaft aufgesprungen und in der Dunkelheit verschwunden war. Widun unterdrückte nur mühsam einen Rülpser: »Vielleicht hat sie ja noch eine Reitstunde? - Rülps! - `tschuldigung, ist mir so rausgerutscht!«

Edwen wunderte sich über unseren Barden, der sich nicht zu einem Lied erweichen ließ: »Saradar, warum ziehst du eigentlich so eine Miene? Schmeckt dir etwa das Bier nicht?«

Tarkin machte eine abwehrende Geste mit seiner Fellhand: »Ich würde ihn lieber nicht ansprechen, der ist sauer seit er von einem Beutelschneider beehrt wurde.«

»Ach Quatsch, du kleiner Kobold!«, grölte der Barbar. »Immerhin habe ich diesem Lorik in der ›Tanzenden Maid‹ gezeigt, wo der Hammer hängt!«

Anneliese schüttelte den Kopf: »Diese Gjölnar und ihr Armdrücken, noch schlimmer als die Trolle ihre Kopfnüsse! Um die Silberlinge ist es nicht schade, aber diesen funkelnden blauen Stein, den der Barbar um den Hals trug, den hätte ich mir gerne etwas genauer angeschaut - der hatte vielleicht eine Aura - war auf jeden Fall etwas Magisches!«

Jetzte schüttelte Tarkin seinen pelzigen Kopf: »Furchtbar, Frauen und Schmuck - Hauptsache es glitzert! Du hast doch schon von diesem Händler einen tollen Ungeheuer-Zahn bekommen.«

Anneliese war beleidigt: »Der glitzert aber nicht so schön …!«

Saradar verfiel ihn Selbstmitleid. »Wenn ich den erwische, der mich beklaut hat!«, schrie er plötzlich und haute so fest auf den Tisch, dass die Bierkrüge wackelten.

Widun hielt sich eine Hand vor die Augen: »War schon etwas peinlich, Saradar hat nach seinem Sieg im Armdrücken erst allen eine Runde Bier ausgeben und konnte dann nicht bezahlen!«

Edwen tat verwundert: »Habt ihr etwa die Zeche geprellt?«

Widun entgegnete entrüstet: »Nein, wir haben natürlich zusammengelegt, hatten keine Lust auf Ärger. Du weißt doch, es ist eine Todsünde Mnamn gegenüber, die Zeche nicht zu bezahlen!«

Auch ich musste dem Schratenherrn meinen Tribut zollen - bloß noch das passende Örtchen dafür finden.

Edwen erinnerte mich: »Wir müssen auch noch zu Urota!«

Ich schüttelte erst den Kopf, dann etwas Anderes: »Der schnarcht bestimmt schon wieder! Das hat doch Zeit bis morgen!«

Das Schwarzbier war köstlich gewesen, in meinem Kopf drehte sich jedoch alles und mit dem Geradeauslaufen klappte es auch nicht mehr so richtig. Edwen versuchte mich zu stützen.
»Was war das für ein Geräusch? Brennt es da hinten? - Hicks - Ich könnte schwören, da brüllt ein Troll … kann nicht sein - sind doch alle tot! Oder?«

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Ich wurde wach - um mich herum absolute Finsternis. Mein Kopf brummte: »Was ist passiert?«, fragte ich mehr zu mir selbst. »Keine Ahnung!«, kam als Antwort. Es war stockfinster - neben mir am Boden lag Edwen, ebenso benommen wie ich. »Wir müssen irgendwo durchgebrochen sein … ich kann mich an nichts mehr erinnern: ich glaube, da muss eine ganze Menge Geistreiches im Spiel gewesen sein, so wie sich mein Schädel anfühlt!«, lallte er.
Mit meinen Händen versuchte ich die Umgebung zu erkunden. Es schien sich um einen leeren Kellerraum zu handeln, überall war bloß kalter Stein. Nach einer ganzen Weile - ich hatte schon einen Schlag in die Rippen erhalten - als ich beim Herumtasten wohl Edwens edlen Teilen zu nahe gekommen war - bemerkte ich einen Luftzug - und da war Holz: ein Bretterverhau. Nachdem Edwen die Bretter mit seiner Axt weggehebelt hatte, gelangten wir in einen engen, ebenso finstren Gang. Aus der Ferne schallte uns etwas entgegen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich behauptet, dass es sich wie das Knurren von Trollen anhörte.

Schlagartig erinnerte ich mich wieder. Die Feier ging zu Ende und ich wollte zurück zum Zeltlager. Ich hatte richtig gehört. Es war das Brüllen von Trollen gewesen. Zwei Trollgiganten, fast so groß wie derjenige in der Burgruine, trieben die Menschen vor sich her. Die Stadtwachen versuchten verzweifelt, sie aufzuhalten - die Giganten fegten sie wie Kehricht einfach beiseite. Diese Schreie - und die Hornstöße der Wachen, der Krach, als die Trolle Häuser zum Einsturz brachten - schrecklich. Und aus den Seitengassen strömten weitere Trolle herbei. Und dann dieses höhnische Lachen. Ich sah ihn wieder genau vor mir: diesen Ratura, wie er dastand, triumphierend mit zwei abgetrennten Menschenköpfen auf einem der Dächer. Dann diese Aktion, auf die nur ein betrunkener Kobold kommen konnte: Saradar schleuderte den kleinen Tarkin aufs Dach - und der Trollberserker schlug ihn mit der Stachelkeule gleich wieder hinunter - begleitet von verächtlichem Troll-Spott und Spucke.

Edwen konnte sich jetzt auch wieder erinnern: »Dem einen Troll, der mich angesprungen hat, habe ich den Schädel gespalten. Dann war da dieser fette Troll mit den Eisenhauern. Wir sind ihm und seiner Gruppe gefolgt, als die imbrischen Soldaten in die Stadt kamen. Ich kann mich wieder erinnern, dass wir ihnen bis zum Fluss gefolgt sind. Da führte eine Steintreppe nach unten. Wir sind dann durch ein Eisentor, das sich eigentlich nur von der Stadtseite her öffnen lässt, in einen Schacht hineingeklettert - und dann: Wumms! Hier gelandet. Wir müssen sehen, dass wir hier wieder rauskommen!«

Mein linkes Horn begann zu jucken - ich tastete aufgeregt in meiner Tasche herum - ja, da war sie noch, meine Zauberbohne.

Der Gang führte und immer tiefer nach unten. Der Steinboden war feucht und glitschig. Wieder dieses Knurren - furchtbar! Wir einigten uns darauf, weiterzugehen - da war nur dieser eine Weg. Es kam mir wie Stunden vor, immer wieder einmal drangen unheimliche Geräusche aus der Dunkelheit an uns heran - so als ob Steinplatten verschoben würden. Ich war müde, sodass wir Rast machen mussten und etwas von unserem Proviant aßen. In dieser Finsternis hatte ich kein Zeitgefühl mehr.

Ich schreckte hoch. Ich musste eingeschlafen sein: »Edwen?« - »Ja! Ich bin hier neben dir!«, kam prompt die Antwort. Er musste die ganze Zeit Wache gehalten haben. Wieder erhoben und folgten weiter dem Gang. Eine gefühlte Ewigkeit der Dunkelheit. Wenn wir doch bloß eine Lichtquelle gehabt hätten! Nach einer erneuten Biegung: endlich - ein fahler Lichtschein! Unsere Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt - das Licht tat richtig weh. Wir warteten einen Moment, dann sahen wir, wo das Licht herkam: vor uns tat sich eine große Höhle auf. Wir standen etwas erhöht. Unter uns: Trolle! Bestimmt ein Dutzend.

»Da sind grüne Hügeltrolle und Schattentrolle«, flüsterte Edwen mir zu. Wir zogen uns an den Höhlenrand zurück. So konnte ich sie ungesehen beobachten: sie schleppten riesige Töpfe. Da war auch eine Trollhexe, die in einem Kessel herumrührt. Doch was machen die da drüben? Ein Hügeltroll öffnete einen der Töpfe und schmierte einem Schattentroll etwas vom Inhalt auf die blasse Haut, die dadurch einen grünlichen Schimmer erhielt. Weitere Schattentrolle hatten sich für die Einreibung angestellt.

Aus einem Seiteneingang der Höhle kam ein besonders fies aussehendes Exemplar eines Schattentrolls heraus. Er zog etwas hinter sich her: das war Vivana! Sie lag in Ketten und schien bewusstlos zu sein.

»Edwen, wir müssen etwas unternehmen!«, forderte ich meinen Axtkrieger-Gefährten auf.

Edwen entgegnete mir mit fragendem Blick: »Aber was? Zu zweit gegen so viele Trolle! Das ist Selbstmord!«

Als ob das Ianna - oder an welche Gottheit Edwen auch immer glauben mochte - gehört hätte, ging in diesem Moment das große Holztor auf, das wohl den Haupteingang zur Höhle darstellte, und ein paar uns wohlbekannte Gestalten traten hindurch.

Sonntag, 13. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 8: Die Belohnung

»Na, ihr Schlafmützen!«, begrüßte uns Saradar, als er in das Zelt trat. Urota bekam davon nichts mit, aber Edwen und ich begleiteten ihn nach draußen, wo schon der Rest unserer Gruppe auf uns wartete. Wir waren erfreut, ihn lebendig wiederzusehen, aber natürlich auch neugierig darauf, was ihm widerfahren war.

Widun schlug ihm auf die Schulter: »Wir dachten schon, die Trolle hätten dich erwischt!«

Widun hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als der große Barbar seinen Schulterschlag erwiderte: »Da kennt ihr mich aber schlecht! Während ihr euch an den Bäumen wie Affen festgeklammert habt, konnte ich doch die verzweifelte Maid nicht in den Händen dieser hässlichen Trolle lassen und habe heldenhaft die Verfolgung aufgenommen. Wer weiß, welche widerwärtigen Rituale sie mit ihr vorhatten, sie hatten sie schon mit ihren Trollsymbolen bemalt, und ihr Augen und Knochen in die Haare geflochten. Sie wollten sie bestimmt einem ihrer abartigen Götter opfern! So etwas kann ein Gefolgsmann Osirs natürlich nicht zulassen!«
Die Trollfrau.

Vivana frotzelte: »So wie ich dich kenne, warst du da eher triebgesteuert!“

Saradar grinste: »Na ja, schlecht sah sie wirklich nicht aus, tolle Rundungen!“

Widun wollte wissen, wie es weiterging: »Konntest du sie denn retten? Wo ist sie?“

Saradar verschränkte die Finger und ließ sie knacken: »Ich sehe schon, ihr wollt meine komplette Heldengeschichte hören. Also, ich jagte den Trollen auf leisen Sohlen hinter her. So ein glubschäugiger Troll brüllte ständig irgendwelche Befehle, musste wohl ihr Anführer sein. Die Maid wurde von einem ganz dürren Troll an den Haaren durch den Wald gezerrt. Dann war da dieses laute Krachen und sie machten plötzlich Halt. Musste mich im Schlamm verstecken, haben mich zum Glück nicht erschnüffelt. Dann sind sie weitergerannt, nachdem ihr sie mit Pfeilen beschossen hattet. Ich hinterher bis ich an einen Fluss kam. Ich konnte beobachten, wie Hängeauge und der Dürre zusammen mit einem dritten Troll die hübsche Maid mithilfe eines Baumstammes ans andere Ufer brachten. Haben versucht, ihre Spuren zu verwischen. Hab‘ gerade noch bemerkt, dass auf meiner Uferseite ein Jungtroll Wache hielt, musste mich beeilen und hab‘ ihm schnell das Genick gebrochen.«

Saradar ließ es sich nicht nehmen, das lautstark mit einem Schnalzer seiner Zunge zu vertonen.

»Bin dann noch schnell über den Stamm gerannt und dem dritten Troll direkt ins Kreuz gesprungen. Die Frau und die beiden Hässlichen waren mittlerweile im Wald verschwunden. Der Troll ist doch tatsächlich wieder aufgestanden und hat mir sein schwarzes Trollblut ins Gesicht gespuckt, das ihm aus der Nase lief. Ein paar Stiche mit meiner Zweililie und schon lief sein Blut gurgelnd in den Fluss.«

Tarkin bezweifelte die Worte des Barbaren: »Musst du immer so angeben? Das war bestimmt alles ganz anders!«

Saradar schüttelte sein Haupt mit rotem Haarbusch: »Zweifle nicht, kleiner Kobold! Ich nahm die Verfolgung wieder auf und kämpfte mich durch undurchdringliche Dornengestrüppe, als sich schon der Himmel rosa verfärbte. Doch die Dunkelheit kann mich als Sohn der Khor’Namar nicht schrecken. Bloß mein Wiesel musste ich füttern, das hatte angefangen zu jammern.«

Bei dem Wort »Wiesel« kam Besagtes kurz aus Saradars Gürteltasche zum Vorschein und verschwand gleich wieder, als es die vielen Umstehenden bemerkte.
»Als ich schließlich eine künstliche Anhöhe aus grob behauenen Steinquadern erreichte, wartete dort schon Glubschauge auf mich, mit einem Trollspeer bewaffnet, den er über seinem Kopf kreisen ließ.

Gorgar »Glubschauge«.

Ich überlegte mir gerade, wie ich weiter vorgehen sollte, als er den Speer auf mich schleuderte - konnte gerade so ausweichen und sprang auf ihn zu. Er zückte einen Dolch, doch da hatte ich ihm schon meine Zweililie einmal quer über die Brust gezogen. Der Feigling heulte auf und sank auf die Knie. Wollte mir noch in den Bauch stechen, hab‘ ihm aber seinen fetten Kopf von den Schultern getrennt.« Wieder untermalte er den Vorgang mit einem ekelhaften Schnalzgeräusch.

Anneliese rügte ihn: »Könntest du bei deiner Erzählung bitte diese Geräusche weglassen, das ist ja widerwärtig!«

Saradar war bestürzt: »Das verleiht der Erzählung doch erst die richtige Würze! Nun ja, der Kopf ist der Maid direkt vor die Füße gefallen - hat wieder wie am Spieß geschrien - da hat dann der dürre Troll die Ketten fallen gelassen und Reißaus genommen. Aber meine Zweililie ist auch ein prima Wurfgeschoss.«

Wieder versuchte Saradar das Geräusch der fliegenden Waffe und das Durchschlagen des Trollkörpers sowie das ersterbende Gurgeln des Trolls nachzuahmen - Anneliese hielt sich die Ohren zu.

Widun fragte: »Was ist aus der Frau geworden?«

Saradar grinste breit: »Sie war mir natürlich unendlich dankbar. Nachdem wir eine Höhle für die Nacht gefunden hatten, hat sie sich sehr erkenntlich gezeigt …«

Vivana war giftig: »Und dann ist sie abgehauen - mit dir hält man es als Frau sicher nicht lange aus!«

Saradar zuckte mit den breiten Schultern: »Tja, ich war eingeschlafen, hab‘ irgendeinen Albtraum gehabt und bin durch ein krächzendes Lachen wach geworden, da war sie schon weg. Es kam mir alles irgendwie wie ein böser Traum vor. Seltsam, ich weiß noch nicht einmal ihren Namen. Bin aus der Höhle raus und hab‘ gesehen, dass ich gar nicht weit weg von Schaynwayle genächtigt hatte.«

Nach dieser anschaulichen Erzählung brachen wir auf zur Stadt und unserer Belohnung.

Uns war neulich gar nicht aufgefallen, welche Schäden der Trollangriff auf Schaynwayle hinterlassen hatte. Die Baumeister und Handwerker waren eifrig dabei, die Mauer wieder auf Vordermann zu bringen. Die Steinmetze klopften neue Mauersteine in Form, die dann mit Hilfe großer Holzkonstruktionen passgenau in die Mauer eingelassen wurden. Wir näherten uns dem Stadttor, das von einem prächtigen, steinernen Mantikor geschmückt wurde, dem Wahrzeichen der Stadt, wie mir Edwen erklärte. Vor und hinter dem Tor hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, die die siegreichen Heimkehrer bejubelte. Aus ihren Gesichtern sprach Erleichterung und Freude.

Am Rande fiel mir der Planwagen dieses zwielichtigen Händlers Irozan auf, aus dem gerade der dicke Söldner Fass mit einem ebenso dicken Sack in der Hand heraussprang. Traurig über den Verlust seiner Partner Tanz und Schädel schien er ja nicht zu sein: er hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

Mehr konnte ich nicht beobachten, da die Menschenmenge zugenommen hatte und uns in Richtung Rathaus drängte. Wir wurden dort bereits erwartet. Mit einem freudestrahlenden Gesicht stand dort Stadtherr Goreck. Er hatte ein markantes Gesicht und sah gar nicht so fettleibig aus wie die anderen Ratsherren der Städte, die wir zuvor besucht hatten. Ich bemerkte, dass er Edwen etwas misstrauische Blicke zuwarf, dennoch begrüßte er uns mit herzlichen Worten. Wir folgten seinem Wink hinein. Die schwere Eichentür fiel hinter uns ins Schloss und der Jubel blieb draußen. Ich hatte mitbekommen, dass Vivana gerade noch durch die Tür geschlüpft war. Was sie wohl wieder getrieben hatte? Ratsherr Goreck führte uns durch das sonnendurchflutete Rathaus in seine Schreibstube, die überraschenderweise mit Kriegswaffen und Wandteppichen geschmückt war, die vergangene Schlachten in aller Lebendigkeit und mit leuchtenden Farben darstellten. Hier überreichte er jedem von uns einen Beutel mit 50 Silberlingen: »Dank euch können die Menschen in Schaynwayle wieder friedlich schlafen! Als Anerkennung veranstalten wir heute Abend einen Festakt auf dem Marktplatz - ihr seid natürlich die Ehrengäste. Es gibt übrigens Spanferkel, also besser nicht zu spät kommen!«

Als wir das Rathaus wieder verließen, hatte sich die Menschenmenge bereits wieder aufgelöst. Bestimmt wollten sie das Fest vorbereiten.
Wir hatten auch für Urota einen Sack Silberlinge erhalten, Edwen und ich wollten sie ihm später bringen. Wir versprachen Saradar, Widun, Anneliese und Tarkin am Abend zum Fest zurück zu sein. Vivana war schon wieder verschwunden, sie erkundete die Stadt lieber auf eigene Faust - oder sollte ich besser sagen »auf leisen Pfoten«?

Wir machten noch einen Spaziergang durch Schaynwayle. Die Stadt war in eine Oberstadt, die wohl eher den Edlen vorbehalten war, und eine dreckigere Unterstadt unterteilt. Dem Rathaus gegenüber sah ich einen prächtigen Bau, bei dem es sich um ein Theater handelte. Edwen erklärte mir, dass die Menschen hier Aufführungen veranstalten, bei denen sie in die Rolle anderer Personen schlüpfen - schon seltsam diese Menschen!

An höchster Stelle stand ein in gleißendem Weiß leuchtender Tempel, der dem Sonnengott und Allvater Alun geweiht war. Ich wollte ihn mir genauer ansehen. Der Eingang war rund und Strahlen gingen aus ihm hervor.
Edwen flüsterte mir zu: »Mich erinnern diese Sonnentore immer an die Steuerräder von Schiffen, aber das darf ich nicht laut sagen, die Alunpriester sind da sehr empfindlich!«

Wir wurden erkannt, die Menschen nickten uns freundlich zu, als wir den Tempel betraten. An den Seiten des mächtigen Kuppelbaus brannten selbst am helllichten Tage hundert Kerzen. Durch die aus Mosaiken bestehende Decke fiel das Licht in allen Farben und beleuchtete die Statuen des Tempels. Edwen erklärte mir, dass es sich bei den Statuen um Zöleste, also die himmlischen Diener Aluns, und um Paladine handelte. Das seien Krieger, die sich in den Dienst ihres Gottes gestellt hätten. Das ganze erzeugte eine mystische Atmosphäre, fast so wie in einem Hain der Ianna meiner Heimat Oxysm. Einige Priester hatten einen Choral angestimmt, der vom Rund der Kuppel eindrücklich verstärkt wurde.

Ein glatzköpfiger Priester kam in Begleitung eines goldenen Paladins auf uns zu. Ich hatte zunächst die Befürchtung, dass sie mich als Faun nicht im Tempel dulden würden, aber er lächelte uns entgegen und begann: »Ich grüße euch im Namen des heiligen Lichtes! Ihr habt unsere Stadt von dieser dunklen Bedrohung durch die Trolle befreit! Kann ich euch behilflich sein?«

Ich fragte: »Könnt Ihr uns etwas über Schaynwayle erzählen?«

Der Priester antwortete bereitwillig: »Wisst Ihr, unsere Stadt ist sehr alt. Schon von Anbeginn an verehren wir nur Alun, den Gott des Lichts und der Gerechtigkeit. Ihr kennt sicher die Legende von den sieben Paladinen des Lichts? - Nein? - Sie stammen von hier! Viele Heldenlieder handeln von ihnen! Sie liegen alle auf dem Grabhügel im Norden der Stadt. Der achte verbrannte im Feuer eines Drachen - ihm zum Andenken wurde eine Statue aufgestellt.«

Wir bedankten uns beim Priester und verließen ohne die angebotene - kostenpflichtige - Heilung den Tempel. Wir mussten länger als gedacht dort zugebracht haben, denn die Sonne stand schon tief am Horizont als wir hinaustraten. Wir machten uns auf den Weg zum Festplatz - Urota würde seine Silberlinge noch früh genug kriegen.

Samstag, 12. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 7: Spurensuche

Die imbrischen Soldaten schwärmten aus und durchsuchten die Ruine nach weiteren Trollschätzen. Erschöpft vom Kampf mit dem Monster, verließen wir das Gemäuer und gelangten auf den Innenhof der Burgruine, der gepflastert war von toten Hügeltrollen. Wir hörten Pferdegetrappel. Ein weiterer Trupp imbrischer Soldaten war eingetroffen, darunter waren auch Widun und Anneliese, beide hoch zu Ross.

„Wir haben euch sehr vermisst!“, wurden sie von Edwen begrüßt und nacheinander vom Pferd gehoben.
„Was ist euch denn zugestoßen?“, mochte Widun wissen, nachdem er unsere geschundenen Körper gemustert hatte. Ich berichtete ihm von unseren Erlebnissen.

Ein breitschultriger Imbrier namens Syr Yrin hatte von Syr Aluris erfahren, dass einer der Hügeltrolle mit Urotas Urkunde entkommen konnte.
„Fähige Männer sind bereits auf der Jagd nach den übriggebliebenen Trollen. Diesen Ratura werden sie auch erwischen. Ein Troll allein stellt keine Bedrohung für Schaeynwayle oder die Region dar!“

„Wo ist eigentlich Saradar?“, fragte ich Widun, als mir irgendwann auffiel, dass der unmusikalische Barbaren-Barde fehlte.

„Das wissen wir auch nicht. Er ist spurlos verschwunden. Wir sind ja zusammen mit ihm zurückgeblieben, als ihr zur Ruine aufbracht. Wie besprochen, kletterten wir die Bäume rauf, um den Trollen aufzulauern. Ich saß auf einem der Bäume neben Zottelbart, während sich auf einem anderen Baum Zopf und Schatten um diesen verängstigten Händler namens Halef kümmerten. Zum Zeitvertreib unterhielt ich mich mit Zottelbart, der eigentlich Alkyhm heißt und aus einem askalonischen Dorf stammt, das von den Ul’Hukk verwüstet wurde. Er habe bei den Söldnern eine neue Familie gefunden, nachdem seine eigene durch die Tekk ausgelöscht worden ist. Er brach plötzlich seine Erzählung ab und legte den Bogen an: Vom Waldboden drangen ein Rascheln und das Knacken von Zweigen zu uns herauf, im Zwielicht konnte ich huschende Schatten erkennen. Dann - der Schrei einer Frau: Unter uns bewegte sich eine Trollhorde durchs Gestrüpp. Mir fiel ein großer, besonders dicker Troll mit einem hervorstehenden Auge auf, der Befehle - oder vielleicht waren es auch Flüche - in dieser grässlichen Trollsprache brüllte. Dann ein dürrer Troll mit Überbiss, der eine seltsam geschmückte Menschenfrau an den Haaren hinter sich her zerrte. Zottelbart hielt mich zurück, er hatte wohl bemerkt, dass ich der Maid wegen ihrer verzweifelten Hilferufe beispringen wollte. Sie zogen unter uns durch, ohne uns zu bemerken. Im Bereich der Waldlichtung, wo der erste Kampf gegen die Trolle stattgefunden hatte, beugten sich einige Trolle vornüber und schnüffelten den Boden ab. Ja, und dann sprang Saradar, dieser Wahnsinnige ohne Absprache den Baum runter und jagte den Trollen mit seiner Lilie in der Hand hinterher. So haben wir ihn aus den Augen verloren.“

Tarkin: „Ich habe aber nur noch Schatten angetroffen, als ich mit euch das weitere Vorgehen wegen des Hinterhalts besprechen wollte. Wo habt ihr euch versteckt?“

Anneliese: „Wir haben uns nicht versteckt, du lustiger Kobold! Als Saradar heruntersprungen ist, haben wir alle den Atem angehalten, dass uns sein brachiales Vorgehen nicht ins Verderben schickt. Doch er war umsichtiger als vermutet. Dafür krachte plötzlich der Ast, auf dem Halef saß - und danach sein Körper, als er auf dem Waldboden aufschlug.“

Widun: „Mein erster Impuls war, ihm sofort zu Hilfe zu kommen, als er so wimmernd da unten lag, aber wiederum hielt mich Zottelbart zurück. Der Sturz war nicht unbemerkt geblieben: Grunzende Laute, begleitet von einem Knacken im Unterholz näherten sich. Ich konnte nicht anders und sprang herab. Kaum beim Händler angekommen, zeigte auch schon der erste Hügeltroll seine hässliche Fratze.“

Finn: „Wie habt ihr diese brenzlige Situation überlebt?“

Zottelbart hat mitbekommen, dass Widun und Anneliese über ihre Erlebnisse berichten, und klinkt sich mit ein: „Wir haben die Trolle von oben mit Pfeilen beschossen. Das kam wohl so überraschend, dass sie sich zurückgezogen haben. Zopf und ich sind dann gleich hinterher.“

Widun: „Ich habe mir erstmal Halef angesehen. Er hatte sich den Unterarm gebrochen. Mit Mnamns Heilkünsten - oder war es Schnaps? - hatte ich Halefs Schmerzen schnell im Griff. Schatten versprach, sich weiter um Halef zu kümmern. Wir legten ihn auf eine Astgabel, wo er diesmal hoffentlich nicht herunterfallen würde.“

Anneliese: „Schatten hatte uns grob die Richtung gezeigt, wohin die anderen Söldner und Saradar verschwunden waren. Wir sollten mehr über die Trollhorde und ihr Vorhaben herausfinden, während er euch den Rücken freihalten wollte. Wir hätten uns beinahe in diesem Dickicht verlaufen, an der Sonne konnten wir uns wegen des dichten Blätterdaches kaum orientieren. Ein fernes Trollgrunzen brachte uns wieder auf die Fährte und der Wald wurde lichter. Wir gelangten schließlich an einen Flusslauf - am Ufer stand ein Troll, der sein rostiges Beil in die Luft hob und fauchende Geräusche von sich gab - er hatte uns bemerkt.“

Zottelbart lacht: „Zum Glück war mein Kumpel Zopf zur Stelle: Mit seinen Krummsäbeln hat er kurzen Prozess gemacht - kopflos konnte der Troll nicht weiter brüllen! Dann musste ich bloß noch dieser geschwätzigen Kobolddame den Mund zuhalten, sonst hätten uns die anderen Trolle am Ufer auch noch bemerkt!“

Widun: „Auf Zopfs Vorschlag hin folgten wir ihnen mit ein wenig Abstand. Wir stießen dann auf einen Wasserfall, vor dem ein dicker Baumstamm im Wasser schwamm. Den Spuren nach mussten sie damit auf die andere Uferseite gelangt sein. Die Felswand, an der der Wasserfall hinunter prasselte, war zu steil und glitschig zum Klettern, die Strömung zu reißend zum Schwimmen. Zopf meinte, dass die Trolle den Stamm scheinbar nur zur Täuschung ins Wasser geschoben hätten. In einigem Abstand zum matschigen Ufer fanden wir eine neue Spur, der wir dann folgten.“

Tarkin ruft dazwischen: „Doch nicht so dumm, wie man denkt, diese Trolle!“, und schmunzelt dabei Urota an.

Widun: „Wir folgten den Spuren und konnten schließlich von einer felsigen Anhöhe herab in einiger Entfernung die Trollhorde erspähen, die auf diese Burgruine zuhielt. Wir stiegen hinab - und wurden beinahe von mehren heraunsausenden Trollbeilen geköpft - sie hatten uns einen Hinterhalt gestellt! Ein Trollhüne mit einer stachelbewehrten Stange hatte es auf Zopf abgesehen, aber wohl nicht mit dessen schnellen Reflexen gerechnet! Auf jeden Fall machte er kurzen Prozess und schickte ihn in Mortarax‘ Reich!“

Anneliese: „Ein Troll wollte mich mit einer Keule angreifen, der konnte aber meiner feurigen Ausstrahlung nicht widerstehen und hat das Weite gesucht!“

Widun: „Ein Mnamn-Gebet reichte bei mir, um einen weiteren Troll in die Flucht zu schlagen!“

Zottelbart: „Mit diesen hinterhältigen Trollen hatte ich kein Mitleid, ich hab‘ die Flüchtigen mit meinem Bogen erlegt! Ihr habt von dieser Trollhexe berichtet, ich hatte schon die Vermutung, dass sie von jemandem im Hintergrund gelenkt werden, hab‘ noch nie erlebt, dass Trolle so gut organisiert sind!“

Widun: „Außer einem toten Kaninchen fanden wir nichts Wertvolles bei den Trollen. Wir folgten der Horde in Richtung Burg. Nach einiger Zeit sahen wir eine riesige Staubwolke von Norden auf die Trolle zuhalten. Aus der Entfernung konnten wir schließlich aufgrund ihrer weiß-goldenen Fahnen ausmachen, dass es sich um imbrische Soldaten handeln musste, gepanzerte Reiter mit Lanzen und Speeren bewaffnet. Sie traten den Trollen auf offenem Feld gegenüber. Dann kam es zur Konfrontation: Nur einem der Trolle gelang es, einen Reiter abzuwerfen, indem er dessen Pferd in die Vorderbeine hackte. Doch auch er wurde schließlich von mehreren Lanzen durchbohrt. Der Kampf war vorüber, als wir den Rand des Schlachtfelds erreichten. Ohne größere Verluste hatten die Soldaten die Trolle niedergemacht. Ich sah gerade noch, wie einer der Ritter einen fettleibigen, um Gnade winselnden Troll mit den Worten ‚Möge Aluns Licht dich im Jenseits reinigen!‘ gnadenlos aufspießte.“

„Das war dann wohl mein Werk“, mischte sich Syr Yrin ein, der sich der immer größer gewordenen Zuhörerschaft angeschlossen hatte.
„Unser König und Imperator Sibirius der Erste hat uns ausgesandt, ganz Imbrien von den Trollen zu befreien - und der da war ein besonders hässliches Exemplar“, erklärte er mit einem Lachen. Syr Aluris klopfte ihm auf die Schulter.

Syr Yrin: „Die Trollhorde hatte sich wohl vor unserem Zusammentreffen aufgeteilt: Wir entdeckten Spuren, die sich von den anderen getrennt hatten und wieder nach Süden führten. Ich schickte Syr Brynald und euren Freund Zopf mit einem Trupp Reiter hinterher.“

Wir verließen schließlich die Trollfeste, durchquerten den Wald und machten uns auf den Weg nach Schaynwayle, wo laut Tarquan noch eine Belohnung auf uns wartete. Unterwegs lasen wir Schatten und Halef auf. Ich bekam mit, wie Halef Anneliese aus Dank einen Zahn an einer Kette schenkte
„Niemals kann ich das geben, was ihr mir gabt, nehmt aber dies! Dieser Anhänger ist nicht viel wert, aber ich sah, dass ihr ungewöhnliche Dinge sammelt, und dieser Zahn ist gar außergewöhnlich: Es ist der Hauer eines Worphoks, eines gar grässlichen Ungetiers. Es heißt, dass ein solcher Zahn seinem Träger Glück bringen soll. Zum Dank soll er euch gehören!“

Während der weiteren Fahrt achtete ich kaum auf meine Umgebung und verlor auch meine Kameraden aus dem Blick. Grund dafür war diese Bohne, die etwas Faszinierendes an sich hatte.

Wir konnten die Stadt schon aus der Ferne erkennen, als Syr Aluris Edwen und mich zur Seite nahm.
„Wir können euren Trollfreund nicht in die Stadt lassen - die Gemüter der Menschen sind noch zu erhitzt vom letzten Trollangriff - er wäre sicherlich in großer Gefahr!“
Wir willigten ein, uns darum zu kümmern.

Die Soldaten hatten vor der Stadt ein Zeltlager errichtet. Wir bekamen ein Zelt zugewiesen, in dem für uns ein Kessel Fleischsuppe zubereitet wurde. Eine willkommene Stärkung. Uusammen mit Urota ließen wir sie uns munden. Urota wurde nach dem Essen von Müdigkeit übermannt und schlief ein - begleitet von einem lauten Schnarchen. Edwen und ich hatten keine Lust, uns das lange anzuhören und beschlossen, in die Stadt zu gehen.

Wir wollten gerade das Zelt verlassen, als eine große Gestalt den Eingang versperrte.

Sonntag, 6. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 6: Hexengelächter

Wir näherten uns der Quelle der markerschütternden Schreie. Von den Trollen getrieben, gelangten wir ans Ende des düsteren Ganges und wurden durch ein Tor gestoßen. Die Sonne musste schon aufgegangen sein - der große Saal, in dem wir uns wiederfanden, wurde durch ihre Strahlen, die durch zahlreiche Löcher eines alten Daches drangen, hell erleuchtet. Meine Augen brauchten eine Zeit, um sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Erst jetzt konnte ich das schaurige Schauspiel erkennen, das für die Schreie verantwortlich war.

Vor uns sahen wir einen der Söldner - Schädel - der mit seinem Hammer bewaffnet um zwei Pfähle herumtänzelte. »O nein, das sind gar keine Baumstämme!«, wurde mir mit Schrecken klar: das waren die Beine eines Trolls - eines gigantischen Trolls! Er war bestimmt dreimal so groß wie der Söldner. Eine Bestie, die mit Ketten durch vier Trollhünen kaum gebändigt werden konnte. Wahnsinn funkelte aus ihren Augen - aus Schädels Augen dagegen sprach die Furcht. Er war gezeichnet vom ungleichen Kampf, blutüberströmt und hinkend. Sein Blick huschte zu uns herüber - ein kurzes Lächeln des Erkennens trat in sein Gesicht - das jäh von der herabsausenden Faust des Trollriesen zerschmettert wurde.

Ich musste mich abwenden - doch das ekelhafte Geräusch des berstenden Schädels drang in meine Ohren. Als ich wieder hinblickte, sah ich noch, wie sich der Gigant seine Faust ableckte.
Wieder dieses Gelächter, ich wollte wissen, wo es herkam und blickte nach oben: auf einem unerreichbaren Vorsprung sah ich eine bucklige Gestalt, die ihre runzligen Finger in kreisenden Bewegungen hin- und herschwenkte. »Trollhexe«, raunte uns Urota zu. Im Schatten hinter ihr schienen weitere Trolle zu stehen - wohl ihre Leibwächter. Immer wieder unterbrochen von diesem bösartigen Lachen brüllte die Hexe Befehle. Wir hörten ein lautes Rasseln - die vier Trolle hatten die Ketten fallen lassen und zogen sich schnell aus der Arena zurück, bei der es sich laut Edwen einmal um einen Rittersaal gehandelt haben musste. Wir hörten, wie mit einem lauten Krachen eines mächtigen Balkens hinter uns das Tor verriegelt wurde.
Eine Trollhexe.

»Und nun stirb, Waräsar!«, schrie die Trollhexe mit heiserer Stimme. Urota hatte genug von den ständigen Beleidigungen und spannte seinen Bogen. Mit einem gezielten Schuss hatte er die Hexe am Hals getroffen. Sie zog sich zurück, gurgelnd und stöhnend versuchte sie dabei noch, eine Verwünschung auszustoßen.

Jetzt war der Trollriese auf uns aufmerksam geworden. Er hatte von seinem schauerlichen Mahl abgelassen und kam auf uns zu: Blut tropfte ihm aus den Mundwinkeln, ein halbes Dutzend Schädel baumelte an seinem Gürtel.

Ich richtete ein Stoßgebet an Ianna. Klettenkraut spross aus dem Boden, verzweifelt schleuderte ich es dem Troll entgegen. Es blieb an seinem Bein kleben - mehr auch nicht. Aus den Augenwinkeln konnte ich gerade noch erkennen, wie Vivana eine ihrer Phiolen hervorgeholt hatte und deren Inhalt auf die Spitze ihrer Klinge träufelte. Edwen verpasste dem Trollriesen eine Schramme am Schienbein. Vivana hatte sich hinter ihn gerollt und schnitt dem Riesen in die Wadensehne. Das hatte er offensichtlich gespürt: er griff hinter sich, packte unsere Diebin und schleuderte sie gegen die Wand. Urota versuchte es wieder mit einem Pfeil, der aber am für seine Größe sehr agilen Riesen vorbeizischte. Edwen hatte ihn währenddessen am anderen Bein getroffen. Das ließ der Trollgigant nicht ungestraft - Edwen krachte gegen die Wand. Jetzt schaltete sich auch unser Kobold in den Nahkampf ein - wütend rammte er ihm sein Schwert in den Fuß. Der gleiche Fuß beförderte Tarkin dann gegen die Wand. Meine Kampfgefährten waren schwer gezeichnet von ihrem Schleudertrauma - ohne Widuns Heilkräfte und Annelieses feuriges Temperament waren wir wohl verdammt dazu, als Trollriesenfutter zu enden.

Erstaunt stellte ich fest, dass der Troll plötzlich lahmte. Vivanas zulanisches Froschgift schien endlich zumindest eine leichte Wirkung zu zeigen. Wehrlos wie er jetzt dastand, schaffte sie es, dem Troll das Bein aufzuschlitzen - das Blut spritzte rhythmisch wie eine Fontäne aus der offenen Schlagader.

Von oben kam ein aufgeregtes Schreien, Metall traf auf Metall - Kampfeslärm.
Das Trollmonster schüttelte sich - die Giftwirkung war scheinbar wieder weg - und versuchte es mit einem Rundschlag, dem wir erfolgreich ausweichen konnten. Sein Blut malte dabei einen Ring auf den Boden.

»Aus dem Weg!«, schallte es plötzlich vom Vorsprung herab. Instinktiv duckten wir uns, und der Trollriese wurde von zwei Pfeilen getroffen. Es waren Mond und Tarquan, die uns von da oben Schützenhilfe gaben.

Außer sich vor Wut stampfte der Trollgigant mit seinem unverletzten Bein auf - Tarkin und mich riss die Erschütterung von den Beinen. Edwen war standhaft geblieben und rammte dem Troll die Axt tief ins Bein. Urota zeigte sich ebenfalls unbeeindruckt vom Beben - er zielte - schoss - und - landete einen Glückstreffer: sein Pfeil steckte dem Riesen im Nasenloch. Dieser schwankte - und stürzte schließlich zu Boden. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, konnten wir uns von seinem Tod überzeugen - der Pfeil musste ihm tief ins Hirn gedrungen sein.

Noch erhitzt vom Kampf stritten sich Urota und Edwen um einen rostigen Schild, der am Gürtel des Riesen hing. »Da sind ein Schwert und eine Rose drauf, das Wappen Askalons, her damit!« - auf Urotas gereckte Faust hin ließ Edwen jedoch ab - der Klügere gab nach.

Das Holztor hinter uns blieb verriegelt - was die anderen Trolle wohl machten? Die Söldner ließen uns ein Seil herab. Vivana klettert grazil als erste hinauf. Dort wurde sie sehnsüchtig von Tarquan mit einer Umarmung und einem Kuss in Empfang genommen. Als ich mich auch hochgezogen hatte - als Eichhörnchen war das Klettern viel leichter - lagen da reglos die alte Hexe und ihre Leibwächter. Verwundert blickte ich Tarquan an, der erklärte: »Wir sind über einen Geheimgang hierher gelangt.« Mond hatte sich über die Hexe gebeugt und betrachtete nachdenklich seinen Finger: »Seltsam, das ist eine Art Paste.« Edwen war auch interessiert und rieb an der Trollhexe - unter dem grünlichen Schimmer kam hellgraue Haut zum Vorschein: »So weit ich weiß, sind nur Schattentrolle so blass. Sie heißen so, weil sie sich nicht dem Sonnenlicht aussetzen dürfen, das sie nach kurzer Zeit umbringt. Die grünen Hügeltrolle und die grauen Schattentrolle hassen sich eigentlich, weil sie sich gegenseitig die Gebiete streitig machen.«

Die Stille wurde unterbrochen von lauten Rufen und Schwertgeklirre. Das Tor in der Halle wurde aufgestoßen und ein Trupp imbrischer Soldaten strömte hindurch. Ehrfurchtsvoll betrachteten sie den toten Trollgiganten in seiner Blutlache. Dann hatten sie auch uns auf dem Vorsprung wahrgenommen. Jubel und Triumphschreie klagen durch den früheren Rittersaal. »Auf ein Wort«, bat uns der Anführer zu sich, »mein Name ist Syr Terk Aluris, erlaubt mir eine Frage: Wer ist dieser Hügeltroll da?« Er zeigte auf Urota. »Der gehört zu uns!« »Das kann nicht sein, wir haben gerade einen Troll laufen lassen, der das von sich behauptete und uns als Versicherung eine Erklärung des Ratsherrn von Altem zeigte!« Urota sah an sich herunter - seine Unbedenklichkeitsurkunde war weg - er musste sie im Wettstreit mit Ratura verloren haben.

Da fiel mir etwas ein - auch Ratura hatte doch etwas verloren. Ich folgte dem dunklen Gang bis an die Stelle, wo die beiden ihren Kopfstoß-Wettkampf ausgetragen hatten. Und tatsächlich: da lag noch der Leinenbeutel. Neugierig öffnete ich ihn: darin befand sich - eine grüne Bohne. Was für eine Enttäuschung! Doch was war das? In meiner Hand begann sie zu leben - ich spürte, dass dass keine gewöhnliche Bohne war. Die Bohne hatte Iannas Segen.