Er bemerkte meinen Blick.
"Menschen komisch, bauen Wege für Kot - aber nicht für Urota!"
Die Stadtwache war hinter ihm kaum zu erkennen, ich sah nur die Lichtreflexe seiner polierten Rüstung an den Wänden. Seine Hellebarde hatte er zurücklassen müssen, da sie zu sperrig war in den engen Kanälen. Er hielt stattdessen sein Schwert gezückt.
Widun und ich beteten zu unseren Göttern, um uns ihrer Gunst zu versichern. Wer wusste schon, was für Dinge da im Dunkeln auf uns lauern würden.
Wir zogen die Karte des Notors zu Rate und entschieden uns für einen Weg, der uns zu einem großen Raum führen musste.
Der Boden war glitschig, an einigen Stellen lag Rattendreck. Bisher hatte sich überraschenderweise noch keins der Biester blicken lassen.
Nach unzähligen Abzweigungen waren wir uns nicht mehr sicher, ob wir noch auf dem geplanten Weg waren. Einige Gänge waren verschüttet, und wir stießen auf große Öffnungen, die nicht auf der Karte verzeichnet waren. Leider hatte keiner von uns daran gedacht, Markierungen anzubringen, damit wir leichter den Weg zurückfinden würden. Tarkin musste die Laterne herunterdrehen, um Öl zu sparen. Inzwischen hatten sich meine Augen zum Glück der spärlichen Beleuchtung angepasst.
Plötzlich hörten wir ein Schmatzen und dann ein Knacken wie von brechenden Knochen. Durch den Hall war es schwierig, die Richtung auszumachen, aus der das Geräusch kam.
Wir bogen um eine Ecke, als unser Lichtschein auf etwas fiel, das dort am Boden kauerte. Es erhob einen Arm, um seine Augen vor dem Licht zu schützen. Es sah entfernt aus wie ein Mensch - nur mit fahler Haut und aufgetriebenem Bauch. Der Schädel war haarlos. Es war unbekleidet bis auf einen kleinen Lendenschurz. Neben ihm lag ein Sack, aus dem ein langer Rattenschwanz ragte.
Die Stadtwache schrie: "Da ist er ja, dieser Rattendämon!"
Er wollte sich auf ihn stürzen.
Edwen gebot ihm Einhalt.
"Nein! Haltet euch zurück! Das ist kein Rattendämon, sondern ein Garbag, ein verfluchter - und sehr bedauernswerter - Mensch!"
"Wo sind die Kinder?", wollte Anneliese wissen.
Der Garbag fragte zurück: "Kinder? Was ist Kinder? Ratten! Ratten lecker!"
Der Blick seiner hohlen Augen fiel auf Anneliese.
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Garbag (Zeichnung mit Genehmigung von Bill Gage). |
"Wo sind die Kinder?", wollte Anneliese wissen.
Der Garbag fragte zurück: "Kinder? Was ist Kinder? Ratten! Ratten lecker!"
Der Blick seiner hohlen Augen fiel auf Anneliese.
"Kobold auch gut".
Er leckte sich über die blassen Lippen.
Widun und ich versuchten es noch einmal.
"Kinder - kleine Menschen - wenn du uns hilfst, sie zu finden, bekommst du alle Ratten, die wir töten!"
"Ratten - lecker!"
Blitzschnell drehte er sich um und hoppelte den Gang hinunter. Wir hatten Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Dann hielt er plötzlich inne und nahm eine tote Aasratte auf.
Er leckte sich über die blassen Lippen.
Widun und ich versuchten es noch einmal.
"Kinder - kleine Menschen - wenn du uns hilfst, sie zu finden, bekommst du alle Ratten, die wir töten!"
"Ratten - lecker!"
Blitzschnell drehte er sich um und hoppelte den Gang hinunter. Wir hatten Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Dann hielt er plötzlich inne und nahm eine tote Aasratte auf.
"Saftig!"
Er steckte sie in seinen Beutel und erntete dabei einen neidischen Blick von Tarkin.
Einige Schritt weiter mischte sich eine süßliche Note in den Kanalisationsgestank. Dann sahen wir es. Da lag eine ausgestreckte Gestalt, fast bis auf die Knochen abgenagt, die Stofffetzen ließen noch ein bunt-kariertes Muster erkennen.
"Aha, deshalb riecht es hier also so komisch!", meinte Widun trocken.
Er steckte sie in seinen Beutel und erntete dabei einen neidischen Blick von Tarkin.
Einige Schritt weiter mischte sich eine süßliche Note in den Kanalisationsgestank. Dann sahen wir es. Da lag eine ausgestreckte Gestalt, fast bis auf die Knochen abgenagt, die Stofffetzen ließen noch ein bunt-kariertes Muster erkennen.
"Aha, deshalb riecht es hier also so komisch!", meinte Widun trocken.
Auf den zweiten Blick fiel uns auf, dass er etwas umklammert hielt - eine kleine Holzkiste. Tarkin löste sie vorsichtig aus den starren Fingern. Er und Urota versuchten vergeblich sie zu öffnen. Vivana hätte sie sicher aufbekommen.
"Gebt mal her!"
Edwen schaffte es schließlich, sie mit seiner Axt aufzuhebeln. Es fielen 50 Silberlinge heraus.
"Jetzt erkenne ich ihn!", rief die Stadtwache aus.
"Dieser verweste Gaukler da, das war einer der Rattenfänger, die der Rat beauftragt hat, sich um die Plage zu kümmern."
Während wir durch das Funkeln der Silberlinge und die Stadtwache abgelenkt waren, musste sich der Garbag heimlich auf und davon gemacht haben.
Wir folgten dem Gang - und stießen auf immer mehr Rattendreck. Schließlich mussten wir aufpassen, auf den Exkrementen nicht auszurutschen. Dann passierte es doch. Widun und ich landeten in der braunen Brühe. Nur mit Mühe konnten wir uns wieder auf den Weg hochziehen, beide bis auf die Knochen durchtränkt. Edwen hielt sich demonstrativ die Nase zu: "So muss Maliques Mageninhalt riechen!"
"Während meines Sturzes habe ich oben in der Decke eine schmale Öffnung gesehen!", stellte Widun überraschenderweise fest. Tarkin richtete die Öllampe in die Richtung, in die Widun zeigte. An der Wand waren hunderte Rattenspuren zu sehen.
"Ich denke, wir nähern uns dem Rattenversteck", meinte Edwen, als das flackernde Licht einen schmalen Gang offenbarte. Urota und Edwen halfen dem Kleinvolk in die Öffnung. Anneliese, unsere Kobold-Magierin kroch voraus. Ich hörte noch den Ausruf "Eine Ratte!" aus dem Gang, dann folgten eine magische Formel, ein Aufflackern und ein schmerzerfüllter Todesschrei.
Urota half uns per Räuberleiter hoch, schließlich zogen wir auch ihn mit Mühe durch die Öffnung. Der enge Verbindungsgang war zum Glück nicht sehr lang. Wir drückten uns durch den Ausgang und standen vor einem Trümmerfeld. Da war ein altes, mit Brettern verbarrikadiertes Tor. Zwischen den Brettern drang Fackelschein hindurch. Das schien der einzige Durchgang zu sein. Urota begann damit, die Trümmer beiseite zu räumen. Jenseits des Tores erklang plötzlich eine Melodie. Dann folgte eine kurze Stille, die jedoch jäh von einem mehrstimmigen Quieken beendet wurde.
Von allen Seiten strömten Ratten auf uns ein. Ich sah wie Edwen eine Ratte abschüttelte. Gleich drei Ratten hatten es auf Anneliese abgesehen - sie setzte einen halben Tekk-Speer ein, um die Biester auf Abstand zu halten.
Ich versuchte es nochmal mit dem Gebet an Ianna, das schon einmal Wunder gewirkt hatte. Und tatsächlich, die Ratten suchten das Weite. Mittlerweile hatte Urota den letzten Felsbrocken mit großer Anstrengung weggerollt und das Tor war frei.
Als es sich öffnete, bot sich uns ein seltsamer Anblick.
Vor einem kleinen Lagerfeuer, das die große Kammer nur spärlich ausleuchtete, saß eine in Lumpen gehüllte Gestalt, die eine seltsame Flöte in der Hand hielt. Ihr Schädel war auf der einen Seite kahl, auf der anderen Seite hingen ihr lange Haare herunter. Ihre gelben Augen glotzen uns zornig an, als wir nähertraten.
"Das ist der andere Rattenfänger, den wir beauftragt haben!", stellte die Stadtwache fest. Er zeigte drohend mit dem Schwert auf ihn.
"Ihr Narren!", brüllte der vermeintliche Rattenfänger uns entgegen.
"Glaubt ihr wirklich, ihr könnt es mit dem König der Ratten aufnehmen?"
Mit diesen Worten setzte er die Flöte an die Lippen und begann eine säuselnde Melodie zu spielen.
Aus allen Richtungen ertönte ein ohrenbetäubendes Fauchen und Quieken. Dann kamen sie - eine wahre Rattenflut stürzte auf uns herein. Darunter erkannte ich zwei riesige Biester, die Edwen bis an die Schulter reichten. Einige Ratten hatten Beulen, aus denen dunkles Sekret troff. Wieder andere hatten lange Zähne, die weit aus ihren Mäulern ragten.
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Tarkin hat die Ratten-Arten katalogisiert - aus kulinarischen Gründen. |
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