Dienstag, 29. Oktober 2019

Kalte Brise - Kapitel 2: Der Landgang

Die Matrosen mit Landgang schwärmten aus, um ihre Heuer auf den Kopf zu hauen. Wir vereinbarten, uns vor der Mittagsstunde auf dem Fischmarkt wiederzutreffen, der für alle leicht am Geruch zu erkennen war.
Karte von Farwayle und seinem Hafen.
Saradar und Edwen wollten eine Schmiede suchen.
»Mann aus dem Norden, was kann ich für Euch tun?«, grüßte der Schmied.
»Habt Ihr was Großes? Sowas wie eine Zweililie?«, wollte Saradar wissen.
»Sowas hab ich nicht!«, schüttelte der Mann hinter dem Verkaufstisch den Kopf und hob dabei entschuldigend die Arme.
»Kann ich bei Euch zumindest mein Bastardschwert schleifen lassen?«, fragte der Barbar.
»Geht klar!«, nickte der Schmied.
»Die Beinschienen da, was wollt Ihr dafür?«, hatte Saradar entdeckt.
»Achtzehn Silberlinge, da gehe ich auch nicht drunter!«, forderte der Verkäufer.
Edwen musste dem Gjölnar mit fünf Silberlingen aushelfen – der Vorfall in Schaynwayle hatte ein tiefes Loch in Saradars Beutel gerissen. Edwen erstand einen Kurzdolch für dreiunddreißig Silberlinge. Anneliese und Freya wollten zum Schneider.

Die Koboldmagierin ließ sich zwei Krähenfedern an ihren Umhang nähen, was dazu führte, dass ihre Fee ganz entzückt im Kreise flog. Die Wichtelin – die zur Sicherheit in Annelieses Tasche reiste - erbat Nadel und Faden und kaufte eine Stricknadel, die für ihre Größe wie eine Lanze wirkte. Tarkin wollte sich ganz allein auf die Suche nach Heilsalbe machen.

Er geriet dabei ins Viertel der Südländer. In einer Hütte, die mit allerlei Kräutern, getrockneten Organen ihm unbekannter Tiere und seltsamen Mineralien angefüllt war, traf er auf einen dunkelhäutigen, buckligen Heiler, der nur sehr gebrochen Thalisch sprach.
»Ich möchte eine Heilsalbe erstehen«, legte Tarkin sein Anliegen dar.
»Für groß Aua oder klein Aua?«, wollte der Mahudi wissen.
Tarkin kratzte sich das Backenfell.
»Für obbe oder unne?«, fragte der dunkelhäutige Heiler.
Tarkin zuckte mit den Schultern.
»Für Kloppe von Keule?«, fuhr der Bucklige mit seiner Fragerei fort. »Koste nur zehn Silber!«
Tarkin wollte nur die Hälfte geben.
»Mmh, Kobold, zeige Zähne!«, forderte der Heiler.
Tarkin bot ihm sein breitestes Koboldgrinsen.
»Gut, für acht! Gebbe Hand!«, schlug der Mahudi schließlich ein. Widun wollte sich im Schratenviertel umsehen, er hoffte auf ein geistreiches Geschmackserlebnis.

Er traf auf eine Schratengruppe, die ihn zum Probieren verschiedener Biersorten einlud. Widun konnte sich nicht für eine Sorte entscheiden und lobte bei allen Varianten die hohe Braukunst. Als Dankeschön erhielt er einen Beutel mit Schratenwürfeln.
»Falls ihr eine neue Robe benötigt, zeigt dem Schratenschneider um die Ecke die Würfel, dann bekommt Ihr alles zum Sonderpreis!«, gab ihm einer der Schrate mit auf den Weg. Er setzte die Empfehlung um und erwarb eine an den Schultern mit Leder verstärkte Kutte. Während des weiteren Spaziergangs durch das Viertel – der durch den ausgiebigen Genuss der Biere etwas schwankend ausfiel - traf er auf einen Wanderprediger namens Welkar.
»Der Ruf des Steins wird bald erklingen!«, ließ dieser verlauten.
»Was hat es damit auf sich?«, fragte er ihn neugierig.
»Das ist der Ruf in die Heimat, wenn er erklingt, wird die Rangordnung in der Schratengesellschaft neu bestimmt«, erklärte Welkar verwundert. »Wie kommt es, dass Ihr das nicht wisst? Da fließt doch Schratenblut durch Eure Adern und Ihr seht selbst aus wie ein Priester!«
»Ich bin unter Menschen aufgewachsen, werter Welkar«, erklärte Widun, während er seine empfindlichen Augen schürzte. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel.
»Mnamn mit Euch!«, wünschte Widun dem Wanderbruder und gab ihm einen Silberling als Dank. »Ich würde gerne weiter mit Euch plaudern, doch ich muss bald zurück auf mein Schiff!«
Der Halbschrat ging ein paar Schritte, drehte sich aber noch einmal um.
»Einen Moment noch, wisst Ihr, wo es einen guten Tropfen für die Reise gibt?«
»Geht zu Merlok, der kann Euch sicher zu einem guten Tropfen verhelfen. Er feiert gern Feste auf seinem Anwesen, das in den Felsen gebaut wurde.«
Widun folgte dem Rat des Priesters, stieß aber bloß auf ein verschlossenes Tor. Ein Schild hing daran: »Bin einen trinken! Merlok.« Ich hatte mir ein wenig die Stadt angeschaut; sie war abwechslungsreicher als die meisten Menschenstädte, die ich bisher gesehen hatte, da hier Askalonier auf Schrate und Südländer trafen, die jeweils ihren eigenen Baustil bevorzugten. Die Schratenhäuser bestanden aus Stein oder waren direkt in den Fels gehauen, während die Südländer eine Lehmbauweise mit Strohdächern bevorzugten. Während einer nach dem anderen zur Mittagsstunde am Fischmarkt eintraf, fiel mir plötzlich auf, dass einige Leute zu tuscheln anfingen, nachdem sie Blicke zwischen uns und etwas an einer Mauer getauscht hatten.
»Lasst uns mal sehen, was es da drüben so Interessantes gibt!«, schlug ich vor.
Als wir uns der Menschengruppe näherten, löste sich diese eiligst auf und einige Leute rannten sogar davon.
»Ich war's nicht!«, beteuerte Widun, der wohl auf seine berüchtigten Darmwinde anspielte.
An der Mauer befand sich eine Anschlagtafel mit einem Fahndungsplakat. Mir fiel sofort die grobe Zeichnung eines übergroßen Trolls mit überzeichnet hässlicher Fratze, zwei haarigen Kobolden und anderen menschlichen Gestalten auf, die kaum zu identifizieren waren.
Darunter stand: »Gesucht! Sie nennen sich ›Bund aus Blut und Feuer‹, fünf Goldtaler Belohnung für jeden, der bei ihrer Ergreifung hilft!«
Auf der anderen Seite des Fischmarkts konnte ich eine Patrouille imperialer Soldaten erkennen, die uns aber wohl noch nicht bemerkt hatten.
»Ich denke, wir sollten uns schleunigst auf den Rückweg zur Sturmkönigin machen!«, schlug ich vor. Wir teilten uns auf, um nicht gleich als Gruppe erkannt zu werden und gingen schnellen Schrittes – aber ohne zu rennen, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen – zum Schiff zurück.

Als wir am Hafen eintrafen, ließ ich den Blick über den Kai schweifen. Zwischen den Händlern und Kaufleuten in ihren prächtig-bunten Gewändern fielen mir einige weiß-golden gewandete Soldaten auf, die sich durch die Menge drückten. An einem der Schiffe machten sie halt und zwei Offiziere bestiegen eine skilische Galeere namens »Eulenauge«. Deren Kapitän sah verwundert aus, als sie ihm ein Pergament vorhielten. Ich konnte nicht verstehen, worüber sie sprachen, aber nach einer Handbewegung eines Offiziers liefen die restlichen Soldaten über die Planke auf das Schiff und verteilten sich. Einige Soldaten verschwanden auch unter Deck und kamen nach einer Weile mit einem dutzend hochgewachsener Wesen mit schwarzem Fell und Hörnern wieder nach oben.
»Das sind Härk, die Skilier setzen sie als Ruderer ein. Durch deren ungeheure Muskelkraft sind ihre Galeeren die schnellsten Schiffe auf Ions Meeren«, erklärte mir Edwen, als er meinen fragenden Blick sah.
»Wo ihr ›schnell‹ sagt: wir sollten sehen, dass wir hier wegkommen!«, forderte Widun.
Wir schafften es, ungesehen an Bord der Sturmkönigin zu gelangen.
»Wo ist Urota?«, fragte Saradar den Kapitän.
»Erklärungen gibt’s später!«, schrie Haldart und gab seine Befehle.
Nach dem Lichten des Ankers und Setzen des Rahsegels steuerte uns Kairn sicher aus dem Hafen. Am Ufer konnte ich sehen, wie kaiserliche Soldaten der Sturmkönigin nachblickten. Unser Schiff wäre wohl das nächste gewesen, dass sie durchsucht hätten.
Wir passierten die Brandungsmauern und schließlich verschwand auch der Leuchtturm hinter dem Horizont.
»Bund aus Blut und Feuer, antreten!«, prustete der Kapitän. »Ihr wisst, ich mag keinen Ärger und das hier ist Ärger!«
Mit seiner schwieligen Hand rollte er ein Pergament ab – es war ein Fahndungsplakat, wie wir es in Farwayle gesehen hatten.
»Das hier ist schlecht fürs Geschäft!«, brüllte Haldart. »Zu eurem Glück konnte ich meine Geschäfte abschließen, sonst hätte ich euch schon längst von Bord geworfen. Sagt mir, warum suchen die Kaiserlichen nach euch? Was in Martoss Namen habt ihr angestellt? Nennt mir einen Grund, warum ich euch nicht auf der nächsten Insel aussetzen oder im nächsten Hafen den Soldaten übergeben sollte!«
Zeiselbart war auf die Schulter des Kapitäns geklettert und fauchte unterstützend bei dessen lauten Worten. Wir ließen die Köpfe sinken und keiner wagte es, Haldarts Blick zu begegnen. Die betretene Stille wurde plötzlich von einem lauten Platschen unterbrochen. Der Steuermann griff sich an den Kopf, ließ das Ruder Ruder sein und rannte nach Backbord.
»Wir haben den Troll ganz vergessen!«
Ich schaute über die Reling: Urota klammerte sich am Beiboot fest. Er war pitschnass.
Der Steuermann erklärte entschuldigend: »Wir mussten ihn ja irgendwo verstecken, als wir die Suchtrupps gesehen haben, also haben wir das Beiboot umgedreht.«
Urota rief mit leicht panischem Unterton: »Kann nicht schwimmen, holt Urota hoch!«
Leichter gesagt als getan: nur mit vereinten Kräften konnten wir den – schon wieder gewachsenen – Hügeltroll an Bord hieven.

Der Kapitän wartete immer noch auf eine Erklärung von uns. Die Lage hatte sich durch die Rettungsaktion etwas entspannt, sodass Edwen vortrat und Haldart von unseren Erlebnissen auf der Regenburg berichtete.
»Klingt für mich nach Seemannsgarn!«, versetzte der Kapitän und sein Kater schüttelte zustimmend den dicken Kopf.
Edwen holte Wunnars Bekennerschreiben hervor: »Das hier sollte Beweis genug sein, dass ich die Wahrheit erzählt habe!«
Haldart überflog es und nickte dann: »Ich glaube euch. Hebt diesen Brief gut auf, er kann euch vielleicht nochmal das Leben retten! Ihr könnt an Bord bleiben, aber die Landgänge sind erstmal gestrichen. Sollten sie uns auf dem Meer verfolgen, setzte ich euch auf der nächstbesten Insel ab. Ich kann nicht riskieren, dass sie euch bei mir finden! So viel bin ich euch schuldig, denn ihr habt bisher gute Arbeit geleistet - für ein paar waschechte Landratten zumindest!«
Der Blick des Kapitäns flog noch einmal über seine Mannschaft, sein Kater tat es ihm gleich – er wirkte dadurch mit seinem Schnurrbärtchen wie dessen geschrumpftes Ebenbild.
»Wo steckt denn diese Rothaarige?«, fragte er in die Runde.
»Meint Ihr mich?«, meldete sich Maluna.
»Nein, ich meine die von den ...«, er überlegte einen Moment, »Roten … Klingen oder so? Hatte sie nicht auch einen Leibwächter mit dabei?«
Er hatte recht, Galinea und ihr schwarzer Ritter waren verschwunden. Hatten wir sie in der Eile an Land vergessen? Wir sahen unter Deck nach und bemerkten, dass unser Gepäck durchwühlt worden war – außer den Sachen der beiden Roten Klingen fehlte aber nichts, was dafür sprach, dass sie absichtlich zurückgeblieben waren und es nicht für notwendig erachtet hatten, sich von uns zu verabschieden – seltsam!

Die Tage vergingen. Wir wurden immer vertrauter mit den Abläufen an Bord des Schiffes und verschmolzen mit den erfahrenen Seeleuten zu einer eingespielten Mannschaft. Der Kapitän hatte ein Temperamento koleriko, wie es der Alchimist nennen würde, doch sobald sein Kater sich bei ihm zum Streicheln anbiederte, flauten die Zornesstürme, so schnell sie aufgezogen waren, auch wieder ab. Haldart hatte nichts übrig für das Imperium – was unser Glück war, konnten wir so doch sicher sein, dass er uns nicht verraten würde. Bei heftigem Wellengang hatte ich oft mit der Seekrankheit zu kämpfen und einmal ging es mir so schlecht, dass ich nicht an Deck konnte. Fischknochen, der Smutje, rief von oben durch die Luke: »Soll ich dir den Eintopf runterbringen oder gleich über Bord werfen?«
Dugan war ein noch größerer Witzbold: wenn der Kapitän nicht in der Nähe war, liebte er es, lustige Geschichten von ihm und über ihn zum Besten zu geben.
»Einmal hab ich den Schiffsjungen angewiesen, den Fußboden zu schrubben, da kam der Zeiselbart an und regte sich wiedermal so richtig auf: ›Das ist ein Schiff hier! Das heißt nicht Fußboden sondern Deck, und vorne ist der Bug und hinten das Heck! Merk dir das endlich, sonst werfe ich dich durch das kleine, runde Fenster da hinten!‹«
Der Steuermann Kairn war der wortkargste von allen.
»Wir haben gerade das Südkap von Tyr passiert; jetzt geht es in Küstennähe immer weiter nach Norden – in die Frostreiche!«, war der längste Satz, den wir während der gesamten Reise zu hören bekamen.

Eines Morgens - Myk hatte gerade das Deck(!) geschrubbt - hörte ich einen lauten Bums an Bord: Saradar war ausgerutscht, hatte im Flug seinen Reliquienanhänger verloren und fing nach dem Aufprall sofort an zu krampfen. Bei heftigem Wellengang hatte das Schiff Schlagseite, sodass der Anhänger nach Steuerbord glitt und drohte, über Bord gespült zu werden. Freya schnappte ihn, bevor er in den Tiefen des aqualonischen Reiches für immer verschwunden wäre. Die Wichtelpriesterin war sichtlich empört über die Sorglosigkeit des Barbaren. Sie hatte große Mühe, dem wieder vom »Schwarzen Sud« Besessenen die Reliquienkette anzulegen.
»Jetzt näh ich das Ding fest!«, rief sie mit verzweifelter Entschlossenheit, zog Nadel und Faden hervor und machte sich ans Werk. Als Saradar nach seinem Anfall wieder zu sich kam, traute er seinen Augen nicht. Die Wichtelin hatte ihm den Knochen unter die Haut genäht.
»Ging nicht anders!«, zuckte sie mit den Schultern, während Tarkin die Wunde mit Heilsalbe bedachte.
»Damit es eine schöne Narbe gibt!«, lachte der Kobold.

Am nächsten Tag hatten wir Flaute, die ganze Mannschaft langweilte sich an Deck – einige spielten Karten, andere würfelten oder hatten die Angel ausgeworfen. Plötzlich hörten wir ein Rumpeln, als ob unter Deck ein paar Kisten umgefallen wären.
»Nicht schon wieder Ratten!«, stöhnte Inisch. Anneliese, Tarkin und Freya boten sich an, nachzuschauen. Tarkin öffnete die hintere Ladeluke und sie verschwanden unter Deck.

»Habt ihr das auch gehört?«, flüsterte Anneliese.»Ja, das scheint aus dem Boden zu kommen!«, meinte Tarkin und schob eine Kiste beiseite.»Da ist ein Loch in der Planke!«, stellte Freya fest. »Da könnte eine Ratte durchpassen!«»Oder ein Wichtel!«, versetzte Tarkin.»Na gut, ich geh ja schon runter!«, fügte sich Freya.»Das war ja einfach!«, wunderte sich der Kobold. »Musste gar keine Überzeugungsarbeit leisten!«Die Wichtelin stieg hinab und fand sich in einem heillosen Durcheinander wieder. Sie blickte sich um: hier hatte jemand eine Menge Krimskrams gehortet: Silberlöffel, Edelsteine, Münzen … ein Wollknäuel? Nein, es bewegte sich – und konnte sprechen!»Lass mich in Ruhe!«, brummte es. Als Freya sich eine Weile ganz ruhig verhalten hatte, drehte es sich um. Es war kein Wollknäuel, sondern ein Wichtel, der da vor ihr stand. Er beäugte sie ganz aufmerksam.»Was ist das für ein seltsames Gewand?«, wollte er wissen.Freya erklärte sich: »Ich trage diese Kutte, weil ich eine Alunpriesterin bin. Mein Name ist Freya und ich habe hier unten Geräusche gehört, und da wollte ich mal nach dem Rechten sehen!«»Ich lebe schon ein paar Sonnenjahre hier unten«, erklärte der Wichtel.Da hätte er ja eigentlich genug Zeit gehabt, hier mal aufzuräumen - dachte sich die ordnungsliebende Priesterin.»Bitte verrate mich nicht!«, flehte ihr Gegenüber mit Tränchen in den Augen.»Darüber lässt sich reden – ich will den Silberlöffel und den Edelstein!«, forderte die Wichtelin.»Das ist Erpressung!«, rief der kleine Mann empört.»Und du bist ein Kleptomane!«, versetzte ihm Freya.»Na gut, ich heiße übrigens Bidok. Ich gebe dir jetzt die Kleinodien, wenn du mir später noch ein Stück Käse bersorgst!«»Einverstanden!«, schlug sie ein.»Ähm, pass auf den Kater auf!«, gab ihr Bidok noch mit auf den Weg.Freya versteckte den Löffel und den Edelstein mehr schlecht als recht unter ihrer Kutte.Als sie sich wieder durch das Loch nach oben gezwängt hatte, fragte Anneliese: »Was gefunden?«»Nö«, antwortete sie knapp, merkte aber sofort, dass ihre Wangen ganz rot wurden.

»Nebelwand voraus!«, rief Tarkin am nächsten Morgen vom Krähennest herab. Ein kalter Nebel verschluckte die helle Morgensonne – bei der Durchfahrt spürte ich, wie mein Fell ganz klamm wurde, sodass ich unwillkürlich zu zittern begann. Das war kein gewöhnlicher Nebel! Die Sicht klarte kurz wieder auf: wie ein Leichentuch waberte der Nebel von der felsigen Küste Tyrs bis weit hinaus aufs Meer. An einer Stelle konnte ich einige bewaldete Hügel erkennen – eine Insel? Wir steuerten auf sie zu. Plötzlich riss der Schleier wieder auf und gab den Blick auf dunkle, schroffe Felsen frei, die drohend in den Himmel ragten. »Das ist Temureth«, erklärte Dugan. »Man kennt sie heute nur noch als »die Geisterinsel«. Es gibt dort eine verlassene Stadt namens Sagoria, angeblich wimmelt es dort nur so vor unentdeckten Schätzen, die langsam vor sich hin rosten.«
»Verlassen?«, warf Fischknochen ein. »Nein, verlassen ist sie nicht – da werden dir viele widersprechen! Die Tyrer haben ihre rachsüchtigen Geister zurückgelassen, um ihre Schätze zu bewachen bis sie dereinst heimkehren!«
Haab, der Matrose mit der Hautkrankheit, mischte sich ein: »Und ich hab gehört, dass sich dort später ein Hexenmeister niedergelassen hat. Er soll grausige Experimente und Rituale durchgeführt haben; die Folgen würden bis zum heutigen Tage die Insel heimsuchen!«
Jetzt trat Haldart dazu: »Lasst euch nicht einschüchtern, die spinnen bloß Seemannsgarn! Ein befreundeter Kapitän war vor kurzem auf der Insel: außer Kreischlingen, die dort in den Bäumen hocken, hat er nichts gesehen!«
Schatzmeister Trelan kam gerade von einer Inspektion aus dem Lagerraum zurück.
»Kapitän, das Wasser ist schal geworden, wir müssen dringend Frischwasser besorgen!«
Der Kapitän sah lächelnd in die Runde: »Na, dann könnt ihr euch ja bald selbst überzeugen, welche Geschichte über Temureth der Wahrheit entspricht!«

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