Montag, 10. Februar 2014

Die Plage - Kapitel 1: Die Händlerkarawane

Endlich ging es wieder los. Ich war vor zwei Monden aus meiner Heimat Oxysm aufgebrochen, um Abenteuer zu erleben, nicht um Soldaten beim Saufen und Würfeln zuzuschauen, vor allem nicht um mich ihren derben Späßen auszusetzen. Dabei haben manche von ihnen mehr Haare an den Beinen als ich.

Wir ritten hinab in die Täler Nieder-Askalons. Dabei wurden wir von Sturm und Regen geplagt. Ich musste ständig mein Fell ausschütteln. Als Söldner bekam ich leider keinen trockenen Platz in einem der Planwagen. Einer der Wagen war steckengeblieben und die Händler hatten sich vergeblich bemüht, ihn aus dem tiefen Schlamm zu befreien. Für unseren Trollgefährten Urota war es hingegen eine Kleinigkeit, den Wagen wieder auf die schlecht gepflasterte Straße zu heben. Es hatte durchaus Vorteile, einen Hügeltroll dabei zu haben, auch wenn bei den Händlern immer noch Furcht und Skepsis vorherrschten.

Die Nacht brach herein. Zwei der Händler boten sich an, uns die erste Nachtwache zu abzunehmen. Wir nahmen das Angebot dankend an, und vereinbarten die restlichen Wachen zu übernehmen. Nachdem wir die Wachabfolge ausgemacht hatten, legten wir uns schlafen. Leider kroch auch die nasse Kälte unter mein Laken und drang mir bis in die Knochen. Ich war zusammen mit Urota für die zweite Wache eingeteilt worden.

Ich träumte gerade von meiner Waldlichtung, süßem Honigduft und sanftem Flötenspiel, als ich unsanft geweckt wurde. Tarkin stand vor mir, von oben bis unten mit Matsch besudelt. Ich rieb mir die Augen: »Was hast du denn gemacht?« Der Koboldkrieger machte eine abwehrende Handbewegung: »Das ist jetzt egal … Vivana und ich haben etwas entdeckt, wir brauchen euch.« Er hatte auch Urota aufgeweckt, der noch ganz benommen nach allen Seiten blickte und mit den Augen blinzelte. Wir gingen zu Vivana, die sich am Eingang zur Wagenburg aufhielt. Sie berichtete, außerhalb unseres Lagers Spuren im Matsch entdeckt zu haben. Sie meinte, dass es sich dabei um Wolfsspuren handeln müsse. Wahrscheinlich stammten sie von einem Rudel von vier bis fünf Wölfen. Ganz in der Nähe war der Waldrand. Ich verwandelte mich in meine Eichhörnchen-Gestalt und begleitete Tarkin, der sich aus dem Rest eines Tekk-Speers eine Fackel gebaut hatte, in Richtung Wald. Vivana gesellte sich zu uns. Urota blieb zurück und sicherte den Eingang - noch im Halbschlaf und sich auf seinen Knochen abstützend. In der Dunkelheit verloren wir jedoch rasch die Fährte und kehrten um. Ich nahm wieder meine normale Faun-Gestalt an.

Wieder in der Wagenburg angekommen merkte ich, wie sich mir die Fellhaare aufstellten - ein kalter Luftzug strich an uns vorüber. Dann ein Scheppern aus einem der Planwagen. Tarkin schreckte hoch: »Ich sehe Schatten, die durch das Lager streifen!« Wieder ein Scheppern, jetzt lauter. Zwei Händler rannten aus ihren Zelten - dann ein Schrei. Wir stürzten auf das Zelt zu, aus dem der Schrei gekommen war. Drinnen fanden wir einen kahlköpfigen Mann mit einem blutenden Mädchen in den Armen. Er versuchte sie zu beruhigen. Sie stand unter Schock und konnte uns nicht sagen, was passiert war. Sie war am Arm verletzt worden und blutete. Ich versuchte sie zu heilen, doch leider konnte ich wenig ausrichten. Wir vermuteten, dass das einer der Wölfe gewesen sein musste. Tarkin und Vivana traten wieder hinaus, um Schlimmeres zu verhindern.

Nach kurzer Zeit kamen sie zurück. Vivana berichtete: »Hinter dem Zelt liegt eine tot gebissene Ratte - das war bestimmt auch ein Wolf. Wir haben alles abgesucht - innerhalb der Wagenburg sind keine Wölfe mehr. Ich habe allerdings neue Spuren entdeckt, die in Richtung Wald führen«.

Die Felle am Zelteingang flogen plötzlich beiseite und zwei Männer traten ein. Einer der beiden hatte kaum noch Haare auf dem Kopf, dafür aber einen prächtig-dichten Schnurrbart und trug einen wohl gefüllten Wamst vor sich her. Der andere wirkte sehr stämmig und trug einen grünen Mantel. Dessen Kapuze hatte er sich tief ins Gesicht gezogen, nur ein gezwirbeltes Bärtchen ragte deutlich daraus hervor. Der Glatzkopf baute sich vor uns auf.

»Ich bin Tarso Payn, der Karawanenführer. Was ist hier los?«, wollte der Dicke wissen. Vivana erklärte, was vorgefallen war. »Ihr solltet doch Wache halten! Ich kann keinen Ärger gebrauchen - das spricht sich doch rum! Die denken, dass man mit Tarso nicht mehr sicher reisen kann!«, schimpfte der Schnurrbartträger.

Der Mann mit der Kapuze drängte uns dazu, die Wölfe zu jagen: »Wenn sie einmal Blut geleckt haben, werden sie bestimmt wiederkommen und das Lager heimsuchen! Wir müssen ihnen zuvorkommen und sie zur Strecke bringen, bevor sie noch einen der Reisenden umbringen!«

Vivana schien ganz angetan von diesem Kerl, mir dagegen war er sofort unsympathisch. Er stellte sich ihr als Jel der Grüne vor. Er war Wildhüter, was nichts anderes bedeutete, als dass er Tiere jagte und tötete, um aus ihren Überresten Profit zu schlagen. Ein Groll gegen die Erdmutter! Sie erlaubt das Töten nur aus Notwehr oder zur Nahrung - nie aber um Geld zu verdienen. Ich dachte daran, dass ich beinahe selbst Opfer eines Fallenstellers geworden wäre … Der hatte sich in Gedanken schon eine Mütze aus meinem zarten Eichhörnchenfell genäht.

Jel forderte uns auf, ihm die Spuren zu zeigen. Als wir aus dem Zelt kamen, sahen wir auch Widun und Anneliese, die durch den Lärm aufgeschreckt worden waren. Wir verließen die Wagenburg und gingen an einem schnarchenden Hügeltroll vorbei, der auf seinen Knochen gestützt doch tatsächlich wieder eingeschlafen war.
Vivana führte ihn zu den Abdrücken im Schlamm. Jel tat beeindruckt: »Ja, tatsächlich, das sind Spuren von vier Wölfen - Silberwölfen, um genau zu sein, wie man ganz leicht an der Anordnung und Größe der Klauenabdrücke erkennen kann. Pro Fell kriegen wir dafür in Altem 50 Silberlinge! Also los!« - Ein Felljäger!

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