Sonntag, 16. Februar 2014

Die Plage - Kapitel 2: Die Wolfsjagd

Jel ging uns voraus und las die Fährte. Die Wolfsspuren führten in einen dunklen Wald, den Jel als Nordwald kannte. Hier standen knorrige Bäume, die um die Vorherrschaft im dichten Blätterdach rangen. Jeder Baum sah anders aus, ich erkannte Weiden, Eschen und Tannen. Der Boden war schlammig und wir mussten immer wieder kleine Tümpel umgehen. Auch das dichte Unterholz behinderte unser Vorankommen. Urota fluchte, er stolperte ständig über irgendwelche Wurzeln oder verhakte sich mit seinem Knochenknüppel. Jel gemahnte ihn zur Ruhe. Für unsere beiden Kobolde stellte das kein Problem dar, geschickt sprangen sie von Wurzel zu Wurzel. Widun, Vivana und ich bildeten die Nachhut - die Augen ins umgebende Dickicht gerichtet. Jel führte uns immer tiefer in den Nordwald hinein. Auf dem feuchten Boden ließen sich die Spuren des Silberwolfes leicht verfolgen.

Plötzlich setzte ein heftiger Regenschauer ein, vor dem uns auch das Blätterwerk wenig Schutz bot. Wir sahen eine Roteibe, unter deren gewaltigem Wurzelwerk wir Unterschlupf fanden. Ich konnte es noch nie leiden, wenn sich mein Fell so voll Wasser saugte!

Der Wildhüter hob plötzlich die Hand: Wir sollten stehenbleiben. Es setzte eine bedrückende Stille ein. Wir sahen, wie sich der Grüne vorsichtig einem Dornbusch näherte. Jetzt erkannte ich, was er gesehen hatte: durch den Busch hindurch sah ich etwas Silbriges glänzen. In der Stille hörte ich deutlich ein Schlabbern, als ob ein Hund aus einer Pfütze tränke. Jel zog ganz leise einen Pfeil aus seinem Köcher und legte mit seinem Kurzbogen an.
Gespannt beobachteten wir ihn. Dann hörten wir das Zischen des Pfeils. Statt des erwarteten Jaulens hörten wir nur ein Platschen - der Pfeil war daneben gegangen! Jel tastete nach einem weiteren Pfeil in seinem Köcher, doch da kam bereits etwas Gewaltiges über den Dornbusch gesprungen - es war ein Silberwolf! Er packte Jel am Hals - dann folgte ein furchtbares Geräusch, als er ihm die Kehle herausriss. Nachdem er mit dem Jäger fertig war, blickte er uns mit seinen wie Topas funkelnden Augen an.
Ein angriffslustiger Silberwolf.

Da stand er, Blut und Geifer tropften aus seinem Maul. Er fletschte die Zähne. Sie blitzten auf, als die ersten Strahlen der Morgensonne durch die Blätter drangen.

Anneliese löste sich als Erste aus der Schockstarre und versengte dem Wolf mit ihrem Feuerstrahl das Fell. Vivana schrie: „Nein! Was machst du! Das Fell ist fünfzig Silberlinge wert!“
Der Silberwolf heulte auf und verschwand im Dickicht - und zog dabei eine Rauchfahne hinter sich her.
Wir schauten uns Jel an: er bot einen furchtbaren Anblick, da war nichts mehr zu machen - er war tot. Jetzt tat er mir doch leid. Urota griff sich den Kurzbogen und den Köcher des Wildhüters. Auch Vivana beugte sich flüchtig über ihn - ich hörte ein leises Klimpern.

Wir entschlossen uns, den Wolf weiter zu verfolgen. Die Blutspuren und der Gestank von verbranntem Fell erleichterten uns die Jagd. Wir trafen auf eine Lichtung - auf der anderen Seite erwartete uns bereits der nicht mehr ganz so silberne Wolf. Wir näherten uns vorsichtig - dann wurde uns klar: wir waren in eine Falle geraten. Von den Flanken und von hinten näherten sich drei weitere Wölfe. Sie waren kleiner als der angekokelte Wolf, aber ebenso furchteinflößend. Sie verloren keine Zeit und griffen uns sofort an.

Einer der Wölfe rannte direkt auf unseren Koboldkrieger zu. Wir hörten ein „Ich will noch nicht sterben!“ von Tarkin, als er erfolgreich einem Biss auswich. Ich sah, wie sich Vivana auf den Angriff der Wölfe vorbereitete: sie band sich einen Teil ihres Kapuzenumhangs um den Arm - gerade noch rechtzeitig - konnte sie doch so einen Krallenhieb abwehren. Einer der Wölfe setzte zum Sprung an - hechtete aber an unserem großen Troll vorbei. Ich hatte weniger Glück und wurde von einem Wolf voll erwischt - er riss mich zu Boden. Anneliese zeigte, dass sie auch mit anderen Elementen als Feuer umgehen konnte: mit den Worten "ICAL ULIP" und den entsprechenden Gesten formte sie einen Eisspeer und schleuderte ihn auf den Wolf, der mich gerade zu seinem Frühstück auserkoren hatte. Mit einem Jaulen machte er einen Satz nach hinten.

Statt sich in den Kampf zu stürzen, vertiefte sich Widun ins Gebet, natürlich erst, nachdem er sich ein Schnäpschen gegönnt hatte. Mnamn schien ihm gewogen zu sein: die Wölfe begannen zu taumeln, also ob sie betrunken wären - er schien sie in eine Art Rauschzustand versetzt zu haben. Vivana nutzte die Hilflosigkeit der Wölfe aus und versetzte dem verbrannten Wolf mit ihrem Kurzschwert den Todesstoß. Ich hatte genug von den Sprungattacken der Wölfe und bat die Erdmutter um ihre Unterstützung. Vor meinen Augen wuchs eine Hecke aus dem Boden und schirmte mich erst einmal vor den Wölfen ab.

Tarkin attackierte einen der Wölfe mit seinem Koboldschwert, hieb aber leider daneben. Zwei Wölfe hatten es auf Urota abgesehen - er konnte sie mit seiner Allzweckwaffe erfolgreich auf Distanz halten. Anneliese hatte kunstvoll einen weiteren Eisspeer geformt und spickte damit einen der Wölfe, die an Urota hungen. Widun drisch mit seinem Knüppel auf sie ein. Ich richtete ein Stoßgebet an Ianna - aus dem Boden wuchs etwas Klettenkraut hervor. Ich bückte mich und warf es auf die Bestien - leider taugte es wenig als Wurfgeschoss und wurde schlicht vom Winde verweht.

Urota hatte mittlerweile einen der Wölfe mit seiner Knochenkeule niedergestreckt. Die beiden letzten Wölfe waren augenscheinlich wie in einen Blutrausch versetzt und sprangen wild um sich beißend herum. Ich richtete ein weiteres Stoßgebet an Ianna - aus dem Boden sprossen stachlige Ranken hervor, die sich auf meinem Körper verteilten und eine Art zweiter Haut bildeten - sollten sie nur kommen!

Urota sah plötzlich verunsichert aus - er blickte sich fragend um: "Wo er denn hin?“ kam es zwischen seinen Hauern hervor - dann blickte er an sich herab - einer der Wölfe hatte sich in seiner Rüstung verbissen.
„Ach da!“, rief er aus und zermalmte den Wolf mit seinem Riesenknochen.

Anneliese setzte gerade mit "SINGI" an und erste Flammen züngelten auf ihrer Hand als sie von Vivana angeschrien wurde: "Hör mit deinem Gefunzel auf! Es reicht, dass du schon ein Fell ruiniert hast!"
Anneliese schien beleidigt zu sein und löschte die Flamme - Vivana trennte mit einem raschen Hieb dem letzten der Wölfe den Kopf ab.

Da lagen sie: vier tote Silberwölfe. Anneliese beanspruchte einen Wolfszahn für sich - Vivana häutete die Wölfe und warf Anneliese das verbrannte Fell zu - "Da, für dich, Funkenmariechen!"

Das blutige Handwerk wurde durch ein fernes Wimmern unterbrochen. Wir nahmen die Felle sowie das Fleisch der Wölfe und folgten den Klagelauten. Anneliese hatte etwas entdeckt: "Da drüben glitzert etwas im Laub!" Wir waren betroffen, als wir erkannten, worum es sich handelte: von Blättern halb verdeckt lag dort ein blutüberströmtes Wolfswelpen. Ich schaute es mir genauer an: da waren Bissspuren zu erkennen und wenn mich nicht alles täuschte ... stammten sie von Ratten! Wir fanden weitere tote Welpen, auch sie wiesen Bissspuren auf. Das Wimmern war in ein Heulen übergegangen - auf einem Hügel in der Ferne sahen wir die Wolfsmutter, die um ihre Welpen trauerte...

Meine Gedanken überschlugen sich - waren es wirklich die Silberwölfe gewesen, die das Mädchen im Lager angegriffen hatten? O Ianna, was hatten wir getan!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen