»Weg, weg! Geht mir aus den Augen, alle!«, der Hochfürst kam herangestürmt und drängte uns zur Seite. »Schafft mir diese Gaffer – und diesen Wolf – was hat hier ein Wolf zu suchen? Schafft sie weg, sofort!« Damit waren wir gemeint. Ein Soldat trat nach mir – als ich ihn anknurrte, richtete er seine Hellebarde auf mich: »Ihr habt den Hochfürsten gehört, verschwindet!«
Der schockierte Notor rief uns nach, uns in einer Stunde in der Gaststätte zu treffen.
»Die arme Firnja, schluchzend und kaum verständlich brachte sie heraus, dass sich Zaran plötzlich an den Hals gefasst habe und nur noch sagen konnte, dass er keine Luft mehr kriege. Dann sei er hingefallen und nicht mehr aufgestanden. Wie bei Xardrus war seine Haut rot gefärbt und die Zunge hing ihm aus dem Hals. Radex hatte auf einem Stuhl vor dem Schlafgemach Wache gesessen und kam direkt hineingestürmt. Es habe nach Bitterknollen gerochen und er habe Firnja gerade noch von ihrem Bräutigam wegreißen können, bevor auch sie dem Gift zum Opfer gefallen wäre. Er selbst hat aber so viel eingeatmet, dass er mittlerweile in seiner Kammer liegt und immer noch um Luft ringt, ich weiß nicht, ob er die Nacht überleben wird!«, berichtete uns Fjalgur.
»Das alles beweist doch, dass der Alchimist Lyr unschuldig ist, oder? Vielleicht kann er Radex helfen und ein Gegenmittel herstellen!«, stellte Vivana fest.
»Ihr habt recht, ich werde es sofort veranlassen. Wenn er bereit ist, dem Waffenmeister zu helfen, ist er ein freier Mann.«
Eine Wache trat herein: »Ein eiliger Brief für den Hochfürsten, Notor!«
Fjalgur nahm ihn ungeöffnet entgegen und verabschiedete sich: »Entschuldigt, der Hochfürst hat sich mit seiner Tochter in eine geheime Kammer zurückgezogen. Ich muss solange seine Geschäfte führen, bis alles aufgeklärt ist. Sucht bitte nach dem Gift und findet den Mörder! Wendet Euch an Syr Aschantus, wenn Ihr etwas braucht. Die Innere Burg ist aus Sicherheitsgründen erst einmal für alle Fremden gesperrt, auf Anweisung von Syr Vardek.«
Lyr wurde aus seiner Zelle entlassen. »Ich brauche meine beschlagnahmten Sachen, wenn ich dem Waffenmeister helfen soll«, verlangte der junge Alchimist von den Wachen. Und tatsächlich brachten sie ihm seine Ausrüstung in eine Kammer im Bereich der äußeren Regenburg. In der Mitte des Raums stand ein Athanor, ein alchimistischer Ofen, wie uns Lyr erklärte.
»Der Notor hat verfügt, dass Ihr sein alchimistisches Laboratorium benutzen dürft, um ein Gegengift herzustellen. Eine Wache wird vor der Tür verbleiben und Euch im Blick behalten«, erklärte der Ranghöchste der Stadtwachen.
Lyr kramte ein Buch hervor. »Ah, mein Libello Loris Toxikis«, erklärte er, während er es eilig durchblätterte. »Hier steht es: Gegengift für Bitteressenz – Intensiv überschwefeltes Sauersalz. Ich brauche verschiedene Gerätschaften: einen Mörser mit Pistill, Phiolen dreier Größen und ...« - er blickte sich im Laboratorium um - »blaues und rotes Sauersalz. Hier ist der Schlüssel zu meiner Truhe. Sie steht noch in unserem Zelt neben dem Turnierplatz. Ihr erkennt es am Symbol der ›Roten Klingen‹. Beeilt Euch und bringt mir die Sachen hierher – dem Waffenmeister läuft die Zeit davon! Ich werde schon einmal den Athanor anheizen. Ich habe keinen Sulfo Vulkanos, äh, Schwefel ...«
Widun hatte eine Idee: »Vielleicht gibt es hier einen Winzer, die verbrennen doch Schwefel, um ihre Fässer zu reinigen!«
Vivana wollte sich um die Gerätschaften und Reagenzien aus der Truhe kümmern. Widun zog los, einen Winzer zu finden.
Freya sprang auf meinen Wolfsrücken und ich lief zur Kammer des Waffenmeisters, die sich in einem Turm der äußeren Burg befand, wie uns der Notor erklärt hatte. Vielleicht konnten wir ihm mit göttlicher Unterstützung helfen. Radex lag schwitzend auf seinem Bett, er atmete keuchend und murmelte vor sich hin. Eine Magd und ein junger Mann machten ihm feuchte Umschläge.
»Bitter, bitter … ich weiß es, ich weiß es!«, schrie er plötzlich im Delirium.
Der junge Mann blickte uns verwundert an. »Mein Name ist Freya, ich bin eine Priesterin des Alun und das hier ist Finn, ein Faundruide in Wolfsgestalt. Wir möchten für den Waffenmeister beten. Unsere Gefährten und der Alchimist Lyr versuchen ein Gegengift herzustellen.«
»Mein Name ist Myk«, stellte sich der pausbäckige Knabe vor. »Ich bin .. vielmehr war der Knappe von Syr Zaran … bevor, bevor«, eine Träne kullerte ihm die Wange herab.
»Jetzt stehe ich in Diensten des Waffenmeisters.« Er erneuerte gerade die Wadenwickel.
»Er hat Wahnvorstellungen und schreit die ganze Zeit«, erklärte er uns.
Freya legte ihm die Hand auf und betete an den Sonnengott. Ich legte mich ihm in Wolfsgestalt zu Füßen. Radex beruhigte sich daraufhin etwas, aber ohne ein Gegenmittel würde er die Nacht nicht überstehen.
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Waffenmeister Radex. |
»Es scheint zu wirken!«, freute sich der Knappe. »Er schläft jetzt. Vielen Dank für Eure Hilfe. Ich werde bei ihm bleiben und mich um ihn kümmern, ihr könnt gerne zu Bett gehen«, bot uns Myk an.
Die Mitternachtsstunde war vorbei. Wir hatten gerade unsere Zimmer in der Gaststätte betreten, als Hornstöße von der Inneren Burg herunterschallten. Wir stürzten hinaus auf die Gasse und rannten in Richtung des Wassergrabens. Die Brücke und die angrenzenden Gassen waren leer in den späten Nachtstunden. Eine dunkle Gestalt hastete die Treppen der Inneren Burg herab, Pfeile zischten an ihr vorbei. Im Mondschein Lors hoben sich die Silhouetten mehrerer Bogenschützen gegen den Nachthimmel ab, die auf den Fliehenden angelegt hatten. Im Licht der schwankenden Brückenlaternen konnte ich dann erkennen, wer da um sein Leben lief. Es war Lorgrim, der da versuchte, über die Brücke zu kommen. Er stolperte, stürzte und blieb auf dem Rücken liegen, sich vor Schmerzen krümmend. Ein Pfeil hatte sein linkes Bein durchbohrt.
Saradar rief: »Halt, hört auf zu schießen! Wir haben ihn!« Tatsächlich verschwanden die Schatten zwischen den Zinnen. Widun und ich knieten uns zu Lorgrim hinab. Mir fiel auf, dass er eine große Leinentasche über der Schulter trug. »Das Buch … ihr müsst es ...«, ächzte er. Sein Blick war angsterfüllt, Schweiß rann ihm von der Stirn.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Ein Bolzen ragte aus seiner Brust.
»Wer hat da geschossen?«, wunderte ich mich, während Syr Aschantus und einige Wachsoldaten die Treppe heruntereilten. Lorgrim röchelte, schaumiges Blut quoll aus seinem Mund und er tat seinen letzten Atemzug. Vivana machte sich an der Tasche zu schaffen und zog ein seltsames Buch heraus. Es war in dickes, altes Leder eingebunden, in das seltsame Glyphen eingeprägt waren, das Messingschloss in Form einer Spinne war versiegelt.
»Hier schaut eine Seite raus!«, fiel Anneliese auf. Sie zerrte daran mit aller Kraft, bis sie nach hinten umfiel. »Hier ist sie! Zumindest ein Teil davon ...«, vermeldete sie strahlend und ließ den Papierfetzen schnell in ihrer Tasche verschwinden, bevor der Paladin und seine Gefolgsmänner zu uns traten.
»Notor Fjalgur ist tot. Und das ist sein Mörder!«, er zeigte auf den toten Halbjujin.
»Er muss ihm das Buch gestohlen haben, das Ihr da in Händen haltet, Syr Kobold« - Anneliese hatte Tarkin das Buch gegeben und war in den Schatten getreten – nochmal wollte sie nicht riskieren, als Hexe verhaftet zu werden.
»Was ist passiert?«, fragte Widun bestürzt.
»Ich wollte mit dem Notor besprechen, wie wir weiter vorgehen. Ich fand ihn tot über seinem Pult liegen, auch er ist erdolcht worden! Aus einer dunklen Ecke sprang dann plötzlich dieser Kerl hervor und stürzte die Turmtreppen hinab. Jetzt haben wir ihn endlich, unseren Mörder!«
Aschantus schien sich sicher zu sein.
Ich erinnerte mich an die blutigen Fußspuren neben Waels Leiche und schnupperte an Lorgrims Stiefeln, konnte aber nichts feststellen. Dann schritt ich zu Aschantus, der mich verwundert ansah: »Wo kommt der Wolf her?«
Meine Gefährten erklärten es ihm.
»Wenn Du mal nicht mit den Dämonen des Abgrunds im Bunde stehst, Ziegen-Zauberer!«
Ich schnüffelte an seinen Stiefeln, roch aber auch hier keine Blutspuren. Vivana hatte die Leiche untersucht: »Ich kann die Mordwaffe nicht finden, er hat keinen Dolch bei sich!«
Syr Deodan trat aus einer Seitengasse, er hatte eine Armbrust in der Hand.
»Eine tolle Waffe, ich habe sie da drüben zwischen den Fässern gefunden!«, behauptete er.
»Aber wer hat sie abgefeuert?«, fragte Saradar in die Runde. Als Antwort kam nur ein Schulterzucken. Die Wachen waren mit normalen Langbögen ausgerüstet.
Deodan bekräftigte Aschantus' Ansicht: »Egal, wir haben den Attentäter. Es würde mich nicht wundern, wenn er von Madhur geschickt worden ist und wir irgendwo bei ihm auch Hinweise auf das Gift finden! Ich habe gehört, dass Ihr den Jujin besser kanntet?«
»Ist dem so?«, fragte der Paladin argwöhnisch. »Geht ins Gasthaus zurück. Ich habe vielleicht später noch ein paar Fragen an euch!«
Vier Soldaten trugen Lorgrims Leichnam davon. Deodan verabschiedete sich: »Ich werde den Hochfürsten unterrichten, dass die Gefahr vorerst gebannt ist.«
Wir befolgten die Anweisung des Paladins und machten uns auf den Rückweg zum Gasthaus. Ich verwandelte mich zurück. Tarkin kramte unterwegs das Buch hervor. Freya musterte die Oberfläche im spärlichen Licht der Laternen.
»Diese Zeichen sind mir völlig unbekannt, obwohl ich in der Bibliothek des Lichttempels alte Schriften studiert habe.«
Anneliese war ebenso ratlos: »Es sind auch keine magischen Symbole, damit kenne ich mich aus!«
Saradar und Vivana versuchten das Schloss zu öffnen, er mit Muskelkraft, sie mit Fingerfertigkeit und einem Dietrich - vergebens. Widun wies auf das Spinnensymbol hin: »Ich würde ein Fass Bier darauf verwetten – dieses Buch beinhaltet irgendeine Teufelei dieser Zurak-Kultisten!«
Maluna schlug vor, den Zirkel der Gelehrten zu Rate zu ziehen. Nach einem kurzen Nickerchen im Gasthaus, machten sich Maluna, Anneliese und Freya am frühen Morgen auf den Weg.
Es war bereits Mittagsstunde, als sie zurückkehrten. Die Wichtelpriesterin berichtete: »Nun ja, es lief alles zunächst ganz gut. Nach dem obligatorischen Rätsel ließ uns der alte Naharun hinein. Wir zeigten ihm das Buch und er wusste, dass Fjalgur es hatte und untersuchen wollte. Ein Fremder habe es bei ihm vor ein paar Monden zur sicheren Verwahrung abgegeben. Fjalgur habe Naharun erzählt, dass der fremde Krieger es einem mächtigen Hexenmeister gestohlen habe. Der Notor hatte Besorgnis, dass das seltsame Buch mit dem Siegel des Zurak Unglück über ihn bringen würde und sich bisher nicht getraut, es zu öffnen. Er vermutete, dass es sich nur mit Hexerei öffnen lasse, wer es mit Gewalt oder auf eine andere Weise wage, riskiere es, verflucht zu werden.«
»Dann hatten wir ja Glück letzte Nacht, dass es nicht geklappt hat! Und weiter?«, fragte ich neugierig wie ich war.
»Tja, und dann sind die Bücherregale umgekippt«, erklärte Maluna mit strengem Blick auf Anneliese. Die Koboldin zuckte mit den Schultern: »Kleines Ungeschick... Ich wollte nur mal sehen, ob sie magische Schriftrollen in der Halle der Bücher haben.«
Maluna ergänzte: »Ja, indem du auf das höchste Regal geklettert bist und es zum Kippeln gebracht hast.«
Freya legte nach: »Alle - ich betone - alle Regale sind umgekippt, eins nach dem anderen. Der Notor hat uns beschimpft und sogar nach den Wachen gerufen. Deshalb mussten wir uns aus dem Staub machen. Da können wir uns so bald nicht wieder blicken lassen.«
Ein Junge kam zur Tür des Gasthauses hereingestürmt. Der Schratenwirt donnerte ihn an: »Nicht so hastig mein Kleiner! Du erschreckst mir noch meine Gäste!«
Myk war außer Atem – er trat einen Schritt zurück, als er bemerkte, dass er direkt vor unserem Hügeltroll zum Stillstand gekommen war: »Der Waffenmeister ist zu sich gekommen. Er möchte sich bei Euch bedanken und hat etwas sehr Dringendes mit Euch zu besprechen. Ihm ist eingefallen, bei wem er schon einmal diese Bitteressenz gerochen hat.«
Wir ließen das Mittagessen stehen und folgten dem Knappen rüber zum Turm an der äußeren Mauer, in dem der Waffenmeister sein Quartier hatte. Knarrend öffnete sich die Tür – hier stimmte etwas nicht. Der Waffenmeister lag rücklings in seinem Bett und rührte sich nicht. Er hatte die Augen weit aufgerissen, eine Hand war seltsam verkrampft. Als wir das Laken zurückschlugen sahen wir, was los war. Radex hatte links vom Brustbein ein klaffendes Loch, aus dem Blut die Strohmatratze durchtränkt hatte. Myk schrie auf und wich zurück. Saradar öffnete die verkrampfte Hand. Auf dem Handballen fand sich der blutige Abdruck eines Schwertes vor einem Kessel und einer Burgmauer. Myk erkannte das Symbol sofort: »Das ist das Wappen von Chiram! Der gefallenen Stadt im Grünen Kessel!«
Vivana hatte es auch schon einmal gesehen: »Ein Kessel mit einem Schwert, dieses Wappen führt doch auch Syr Deodan!«
Widun fiel auch etwas dazu ein: »Die ›Roten Klingen‹ kommen doch auch alle aus dem Grünen Kessel!«
Wir hörten Schritte. Anneliese schaltete schnell: »Wir müssen hier weg! Die werden uns verdächtigen!«
Myk zeigte auf die gegenüberliegende Tür: »Da geht’s raus auf den Wehrgang. Von da aus können wir eine Leiter runtersteigen! Ich habe den Schlüssel zu Radex' Kammer, ich werde schnell die Tür von innen verriegeln.«
Nachdem wir unbemerkt die Leiter hinabgestiegen waren, spekulierte Vivana laut: »Und wenn Deodan hinter allem steckt, will er uns vielleicht als Schuldige präsentieren! Sein letzter Sündenbock Lorgrim kommt ja nicht mehr in Frage!«
Myk nickte und erzählte: »Deodan war unheimlich sauer auf den Heiler Wael, weil er meinen Herrn Syr Zaran an seiner Statt behandelt hat. Er konnte nicht gegen den Tekkgeneral antreten und wurde so um seine Rache gebracht. Syr Xardrus strich den Ruhm dafür ein. Ich hörte wie er sich bei seinem Freund Syr Madhur darüber aufregte. Ich bin mir auch sehr sicher, dass er einen Dolch hat, auf dessen Knauf sich so ein Wappen befindet. Ich habe es bei vielen Soldaten aus dem Grünen Kessel gesehen und bewundert. Falls sie uns schnappen, kann ich bezeugen, dass ihr nicht für Radex' Tod verantwortlich seid, ihr habt ihm ja sogar das Leben gerettet. Aber mir als halbem Kind werden sie bestimmt nicht glauben!«
Vivana zeigte auf das geheimnisvolle Buch, das Anneliese unter dem Arm trug: »Was machen wir mit dem Buch? Wenn sie uns schnappen, fällt es vielleicht in falsche Hände!« Anneliese klammerte es an sich: »Ich möchte es behalten, aber, aber … Was, wenn es wirklich verflucht ist und ich auch so ende wie der arme Notor!«
Ein Ausdruck von Panik trat in ihr Gesicht. Wir kamen am Gebäude mit dem Eulenschild vorbei. Anneliese war zurückgeblieben, wir blickten uns um. Sie hatte doch tatsächlich das Buch durch einen Schlitz in der Tür gesteckt.
»Ich hoffe, die alte Eule passt gut darauf auf!«
Vivana schüttelte den Kopf: »Ohne Worte!«
Hinter uns aufgeregte Rufe. Raschen Schrittes - Rennen wäre zu auffällig gewesen - gingen wir zur Brücke über den inneren Wassergraben. Wir waren entschlossen, Deodan zur Rede zu stellen und ihn als Mörder zu entlarven.
Der Hochfürst hatte nach der Entwarnung letzte Nacht den Aufgang zur inneren Burg wieder freigegeben. Den einzigen Wachmann an der Brücke hatte Maluna so in ihren Bann geschlagen, dass er den Rest der Gruppe gar nicht beachtete. Wir konnten ungehindert bis zum Vorhof der inneren Burg gelangen.
Im Schatten des Regenturms sahen wir eine Gestalt am Rande eines Brunnens sitzen. Sie hielt eine Flasche in der Hand und hatte ein Lied angestimmt. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich in ihr den alten Kämpen Syr Wunnar. Er trank wieder aus seiner flachen Feldflasche und sang das Lied vom letzten Wege, das ich schon auf dem Grabhügel vor der Wegburg gehört hatte. Als er uns kommen sah, begrüßte er uns und winkte.
»Was für eine Aufregung. Dieser Notor war gestern bei mir und wollte eine Kostprobe von meinem Schnaps, ist ihm wohl nicht gut bekommen, wie ich hörte«, lallte Wunnar, der offensichtlich betrunken war. Er schaute uns mit traurigen Augen an: »Aber dieser Lorgrim hat dafür bezahlt, habe ihm nie getraut, diesem Schlitzauge.«
Saradar wollte wissen, ob der Ritter Deodan gesehen hatte: »Ja, allerdings, er hat mich hier zur Wache eingeteilt. Frage mich, warum. Ist mit seinen getreuen Soldaten zum Hochfürsten gestürmt!«
»Wisst Ihr, wo der Hochfürst seine geheime Kammer hat?«, wollte ich wissen.
»Ich denke, dass ich Euch vertrauen kann. Er versteckt sich mit seiner Tochter irgendwo unter dem Regenturm. Weiß aber nicht, wie Deodan da reingekommen ist. Sie sind irgendwo hinter dem Turm verschwunden. Warum wollt ihr ihm folgen? Meint ihr etwa, dass er der Mörder ist? So ein edler Ritter von hohem chiramschen Geblüte! Hat mir sogar neuen Schnaps spendiert, so einer kann doch kein Mörder sein, oder?«
Der Sieger des Lanzenstechens warf Myk einen Beutel mit klimpernden Münzen zu.
»Da mein Junge. Hab' ich gewonnen, ich kann mit soviel Gold nicht umgehen. Du kannst es eher gebrauchen, erinnerst mich an meinen Sohn. Erst Dein Syr Zaran, der so furchtbar gestorben ist ...«
Myk bedankte sich, unsicher, ob es der Ritter auch ernst meinte.
Wunnar nickte, während er skeptisch an seiner Feldflasche roch und dann einen tiefen Schluck daraus nahm. Plötzlich begann er zu husten, wurde ganz rot im Gesicht und kippte rücklings in den Brunnen, ohne dass wir so schnell eingreifen konnten. Tarkin sprang auf den Brunnenrand und starrte in den Abgrund: »Nichts zu sehen, nur tiefe Finsternis!«
Saradar schüttelte sich vor Wut, er hatte in Hauptmann Wunnar während des Turniers einen Freund gefunden und nicht nur ein Bier mit ihm geleert.
Er brüllte: »Wunnar! Ich werde Dich rächen, das schwöre ich bei Osir und Keldyr, so wahr ich ein Khor'Namar, ein Sohn des Windes bin!«
Er wandte sich an uns, ich konnte eine Träne in seinem Augenwinkel erkennen. Radaras war auf seine Schulter geklettert und leckte ihm die laufende Träne von der Wange.
»Er war betrunken, als er mir nach dem Turnier im ›Braunen Tropfen‹ von seinem Schicksal erzählte. Er hat seine gesamte Familie beim Überfall der Ul'Hukk auf Chiram verloren. Deshalb konnte er sich auch über den Turniersieg und das Gold nicht wirklich freuen. Wenn ich diesen Deodan zu fassen kriege, ich werde ihm eigenhändig den Kopf von den Schultern reißen!«
Wir waren uns einig, dass es für Myk zu gefährlich sein würde und schickten ihn - trotz seines Protests – in die Waffenkammer, in der er sich auskannte und erst einmal in Sicherheit sein würde.
Ein paar Freiheiten hat sich Finn hier schon erlaubt. Ansonsten wie immer sehr detaillierte Schilderung des Abenteuers! Weiter so!
AntwortenLöschenÜbertreibung und Ausschmückung sind mein Handwerk✍
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