Donnerstag, 7. März 2019

Der letzte Tanz - Kapitel 12: Das Kabinett der Bestien

Wir hatten den hohen Regenturm bereits einmal umrundet und außer dem Treppenaufgang, der zum Haupteingang führte, keinen weiteren Eingang auf der Bodenebene entdeckt. Bei der zweiten Umrundung achteten wir auf die Steine. Tatsächlich, ein Stein sah locker aus. Saradar zögerte nicht lange und drückte drauf, Widun und Urota duckten sich instinktiv. Doch statt eines schwingenden Hammers öffnete sich eine Geheimtür. Fackeln an den Wänden erhellten die dahinterliegende Kammer. Auf dem Boden befanden sich Platten mit seltsamen Symbolen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raums befand sich eine offene Tür.
»Was sind das für Symbole?«, fragte Freya in die Runde. Urota zuckte mit den Schultern, Widun kratzte sich am Kopf - Saradar trat auf die erste Platte – und die gegenüberliegende Tür fiel zu. Er ging zurück auf die Schwelle – und die Tür öffnete sich wieder. Er probierte eine andere Platte aus – die Tür blieb offen. Beim nächsten Schritt schloss sie sich wieder. Widun verfolgte das Muster aufmerksam: »Ein Runenrätsel! Das Geheimnis muss in den Runen selbst liegen! Saradar, tritt noch einmal auf die Platte, bei der die Tür offen geblieben ist!«
Saradar ließ sich dirigieren.
»Und jetzt auf die nächste vor dir!« - Tatsächlich blieb die Tür offen.
Widun strahlte über beide Backen: »Es sind vier verschiedene Runen, jede steht für eine Richtung, und zwar die Richtung, in die der nächste Schritt erfolgen muss.«
Er leitete Saradar entsprechend an und wir folgten, einer nach dem anderen, in den Fußstapfen des Barbaren.

Hinter der Runentür wand sich eine lange, breite Treppe in die Tiefe. Sie endete in einer großen Halle, die durch ein Loch in der Decke nur spärlich ausgeleuchtet wurde. Überall tropfte es von der Decke. Der Boden glänzte feucht, wir mussten aufpassen, nicht auszurutschen. Irgendwo musste ein Loch im Boden sein, da von unten her immer wieder ein starker, kalter Luftzug durch die Halle pfiff. Alle möglichen, nicht-menschlichen Geräusche drangen plötzlich an meine Ohren. Nach kurzer Gewöhnung an die schlechten Lichtverhältnisse erkannte ich rostige Gitterstäbe.
»Ein Gefängnis!«, vermutete Anneliese. »Das sind Zellen, und in den Zellen ...«
In der ersten saß ein kleiner, pelziger Geselle - »Ein Kobold?« - in der zweiten ein Wesen mit glänzender, schuppiger Haut und in der uns gegenüberliegenden erkannte ich die Umrisse eines Ogrens. Es war Gorrym, gegen den Urota gekämpft – und verloren hatte. Als er uns kommen sah, sprang er fauchend auf und hämmerte gegen die Gitterstäbe. Saradar brachte es auf den Punkt: »Das dunkle Geheimnis des Hochfürsten – das Bestienkabinett.«

Ein lautes Rattern übertönte plötzlich die Kakophonie der Bestien. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bestienkabinetts wurde ein Fallgitter hochgezogen. Sechs Soldaten strömten hindurch und bauten sich vor uns in zwei Gefechtsreihen auf.
»Ihr seid gekommen, um die Sache zu beenden. Das hätte ich Euch nicht zugetraut. Glaubt nicht, dass wir es Euch leicht machen! Beim Blute Askalons, Angriff!« - Das war Deodans Stimme, die da aus dem Schatten heraus seine getreuen Soldaten in den Kampf schickte.

Saradar brüllte einen Schlachtruf – dessen vom Echo verstärkte Wirkung die Bestien für einen Augenblick verstummen ließ und trommelte sich mit den Fäusten auf die Barbarenbrust.
Vivana und Tarquan versuchten, sich im Schatten hinter die Angreifer zu schleichen – doch da geschah das Unglück. Ich hörte wie Pferd erschrocken aufschrie und bekam gerade noch mit, wie Vivana ihren Geliebten reflexartig am Arm erwischte, bevor dieser in ein Loch im Abgrund gestürzt wäre. Sie versuchte ihn heraufzuziehen, rutschte dabei aber auf dem glatten Boden aus und schlug mit dem Hinterkopf gegen den Treppenabsatz. Vivanas Hilfe reichte dem Söldner jedoch, um sich am Rand des Lochs hochzuziehen. Er beugte sich sofort über die besinnungslose Jujin-Diebin und kümmerte sich besorgt um sie, was für uns den Verlust zweier Kämpfer auf einen Schlag bedeutete.

Drei der askalonischen Soldaten waren mit Langbögen ausgerüstet und hatten durch die Lücken der ersten Reihe auf uns angelegt. Wir suchten Deckung – so gut das in der Halle möglich war – und die Pfeile zischten an uns vorüber. Freya versuchte die Gegner mit »Okului privo« zu blenden, wurde aber von Alun nicht erhört. Während Widun einen Trinkspruch an den Schratenherrn richtete, warf ich die Wunderbohne zu Boden. Wie erhofft erwuchs aus ihr der »Bohnenmann«. Ich betete um Unterstützung durch einen Waldgeist und wurde von Ianna erhört. Der Waldgeist verschmolz sogleich mit dem Bohnenkörper.
Auch Widuns Gebet wurde schließlich erhört. Aus den Ritzen der Bodenplatten trat ein Nebel, der sich zu einem geisterhaften Gebilde formte, das entfernt an einen Schraten mit geweihartigen Hörnern erinnerte.
»Das ist mein Schraten-Ururururgroßvater Waruin, und er wird für uns kämpfen!«, rief uns Widun zu.
Der »Schratenahn« wurde sogleich von zwei askalonischen Soldaten beharkt und wehrte sich mit einer Schlagwaffe, die man – so wurde mir später erklärt - »Bengel« nennt.
Die Bogenschützen hatten sich Urota als Zielscheibe ausgesucht und schossen auf ihn – vorbei. Maluna hingegen war treffsicherer und erwischte einen der Bogenschützen.
Mein Bohnenmann war zum Leben erwacht, richtete sich zu voller Größe auf und schritt trotzig Deodans Getreuen entgegen. Urota und Saradar nutzten die Deckung, die ihnen Iannas Geschöpf vor den Bogenschützen bot und reihten sich hinter ihm ein. Anneliese fuchtelte wild mit ihren Armen durch die Luft und schoss einen doppelten Flammenstrahl auf einen der Soldaten, der sich jedoch in Deckung werfen konnte und so mit leichten Verbrennungen davonkam.

Der Schratenahn hatte sich unterdessen mit einem Kampfschrei mitten ins Getümmel gestürzt und schlug wie wild um sich. Wenn er mit seinem Bengel zuschlug, schien er fast real zu sein, um dann sofort wieder in einen durchsichtig-leuchtenden Zustand zu wechseln. Die Hiebe der askalonischen Ritter konnten ihm aber wohl doch etwas anhaben - obwohl man ihm das bis auf ein Schwächerwerden seines Leuchtens nicht anmerkte - er war ja immerhin schon eine Weile tot.

Anneliese schoss erneut einen Flammenstrahl ab und auch Maluna traf mit einem Pfeil.
Deodan wägte sich hinter seinen Soldaten in Sicherheit. Ob sie ihm weiter so treu ergeben wären, wenn wir ihnen verraten hätten, wofür ihr Anführer verantwortlich war? Doch für Gespräche war die Zeit abgelaufen. Ich betete an Ianna, ein großer Dorn schoss hinter der Schlachtreihe aus dem Boden und traf den mutmaßlichen Mörder.

Tarkin hatte es auf die Weichteile seines Gegners abgesehen. Er versuchte ihm in den Unterleib zu schlagen – sein Hieb glitt jedoch an der eisernen Schamkapsel ab. Der Koboldritter musste sich unter dem Gegenschlag wegducken.

Tarquan hatte Vivana in Sicherheit gezogen und war gezwungen, selbst in den Kampf einzugreifen. Er versuchte, hinter die Gegner zu kommen. Saradar traf einen der askalonischen Soldaten mit einem Doppelschlag. Der Bohnenmann duckte sich unter dem Schwerthieb eines Angreifers weg, dafür wurde der hinter ihm stehende Urota getroffen. Schwarzes Trollblut quoll ihm aus einer Wunde an der Brust – Widun scheiterte beim Versuch, ihn zu heilen. Auch seine Bitte an Mnamn, die Feinde in einen Lachanfall zu versetzen, schlug fehl.
»Irgendetwas stimmt hier nicht, warum erhören uns die Götter nicht?«, fragte er verzweifelt. Mir fiel auf, dass alle Soldaten seltsame Amulette trugen, ob es damit etwas zu tun hatte? Auch Ianna gewährte mir keinen weiteren Dornenstich, der Schratenahn schlug vorbei und »Puff!« war er weg.
»Bis bald mal wieder, Uropa!«, rief ihm Widun noch hinterher.

Tarquan und der Bohnenmann wurden von den Soldaten schwer verletzt. Saradar hingegen schaffte es, einen der Soldaten zu Boden zu ringen. Der Rest der Soldaten einschließlich Deodan rückte enger zusammen, um die Verteidigung zu stärken. Saradar sprang mitten hinein und köpfte einen der Gegner mit seinem vorpalen Bastardschwert. Der stark lädierte Bohnenmann verwandelte sich wieder zur Bohne zurück und sprang in meine Hand. Der verdutzte Waldgeist verschwand mal wieder ohne Abschiedsgruß.

Syr Deodan hatte es auf Anneliese abgesehen, doch sie streckte ihre Arme aus - als wollte sie sagen»Nicht mit mir!« und schickte ihm einen Flammenstrahl entgegen, der ihn in einen Feuerball verwandelte. Er sprang vor Schmerzen kreischend durch die Halle und sank schließlich als Häufchen äschernen Elends zu Boden.

In der Hitze des Gefechts hatten wir ganz aus den Augen verloren, was um uns herum im Bestienkabinett vor sich ging. Der Hochfürst war durch das Falltor getreten und machte sich an einem Hebel an der Wand zu schaffen. Quietschend öffneten sich alle Zellentüren – die Bestien waren frei!
Er versuchte, zu seiner Tochter zurück zu humpeln - sie war gerade im Torbogen aufgetaucht - rutschte in der Eile aber aus und schlug unsanft mit dem Kopf auf den Boden.
Der freigelassene Ogrens ging mit großen Schritten auf den eingetrübten Hochfürst zu und schleuderte ihn - unter dem entsetzten Blick der Fürstentochter - mehrfach gegen die Steinwände. Er ließ ihn leblos liegen und ging dann auf Firnja los. Zum Glück hatte jemand das Fallgitter heruntergelassen, sodass sie vor ihm in Sicherheit war.

Unterdessen hallten Rufe und laute Schritte von der Turmtreppe herab. Syr Aschantus stürmte einer Gruppe imbrischer Soldaten voran. Sie stellten keine Fragen, als sie den toten Hochfürsten und den freien Ogrens sahen, sondern fingen sofort an auf alles zu schießen, was sich noch im Bestienkabinett befand.

Ich betete an Ianna, als der Ogrens auf mich zugetrabt kam. Und tatsächlich gelang es mir mit Hilfe der Erdgöttin, Kontrolle über ihn zu erhalten. Ich besänftigte ihn soweit, dass er von uns abließ. Einer der Freigelassenen, ein Schattentroll, war sofort auf Urota losgegangen. Dieser empfing ihn mit seiner Langaxt und machte kurzen Prozess.

Aus der Klemme zwischen Askaloniern, Monstern und dem Pfeilregen der imbrischen Soldaten mussten wir einen Ausweg finden. Der befreite Kobold winkte uns: »Hier lang, da unten ist ein Kanal!«
Er sprang in das schwarze Loch und beschwor dabei die Paladine der Ängstlichkeit »Beim Hasenfuß!« - wohl um sich Mut zu machen.
Ein Pfeil zischte knapp an mir vorüber – mit einem mulmigen Gefühl im Magen sprang ich dem Kobold hinterher - »Bei Anxiaaaaaa!«

Ich musste mir beim Fallen in den Wasserkanälen irgendwo den Kopf angestoßen und das Bewusstsein verloren haben. Als ich wieder zu Sinnen kam, saß ich hinter Edwen in einem Langboot.
»Wo kommst du denn her?«, fragte ich ihn verwundert.
»Das muss ich dich fragen, ich habe dich nasses Eichhörnchen gerade aus dem Kanal gezogen!«, lachte er.

1 Kommentar:

  1. Schwierig so eine Kampfszene mit derart vielen Monstern, Soldaten und Helden zu beschreiben. Ich finde du hast das richtig gut hinbekommen!

    AntwortenLöschen