Sonntag, 4. August 2019

Frostreich-Kampagne - Abenteuer 6: Kalte Brise - Prolog

Die Ereignisse auf der Regenburg hatten uns in eine brenzlige Lage gebracht. Wir standen unter Verdacht, für den Tod des Hochfürsten verantwortlich zu sein. Sicherlich würde uns Aschantus auch für die anderen Morde zur Rechenschaft ziehen wollen. Wir waren zutiefst bestürzt über Syr Wunnars Brief, in dem er seine Motive dargelegt hatte. Keiner von uns hätte je den liebenswürdigen, gemächlichen ehemaligen Hauptmann von Chiram und Ausbilder auf der Wegburg mit den Morden in Verbindung gebracht. Er hatte uns benutzt wie Gliederpuppen, als Werkzeug seiner Rache.
Saradar schüttelte immer noch den Kopf: »Das kann alles nicht wahr sein, er hatte das Herz eines wahren Kriegers, noch nie habe ich mich in jemandem so getäuscht!«
Maluna warf ein: »Ich kannte ihn nicht gut. Aber so wie er schreibt, war er innerlich zerrissen. Wie in seiner Flasche kämpften zwei Seiten in ihm, eine, die immer das richtige tun wollte und sich für die Bedrohten und Hilflosen einsetzte und eine, die nach Rache dürstete.«

Ein salziger Wind blies uns von der Martossbucht in die Gesichter und verwehte vorerst die dunklen Gedanken. Wir ließen unseren Blick schweifen über die Weite und das tiefe Blau der See. Die Mannschaft der »Sturmkönigin« hatte sich am Kai versammelt. Auch Galinea und ein weiteres Mitglied der »Roten Klingen« hatten sich zu uns gesellt.
Die stolze Kogge war bis auf die Waren von den Langbooten beladen und der walrossbärtige Kapitän trat vor, um uns zu mustern.
Der Seemann Inisch trat zu ihm und stellte uns vor.
»Nun denn«, begann der Kapitän mit zweifelndem Blick in die Runde.
»Ihr seid ein ungewöhnlicher Anblick, ›Bund aus Blut und Feuer‹, aber vielleicht seid ihr Landratten doch für etwas zu gebrauchen. Tretet nacheinander vor, sagt mir euren Namen und erzählt mir, welche Fertigkeiten ihr besitzt und womit ihr bisher euer Auskommen verdient habt. Zusammen mit meinem Maat Dugan werde ich dann entscheiden, wen ich mitnehme und wofür ich ihn auf dem Schiff einsetzen werde!«
Der Maat machte ein Handzeichen, dass Saradar vortreten sollte.
Der Kapitän sprach ihn an: »Mann aus dem Norden, erzählt mir Eure Geschichte!«
Saradar verbeugte sich und sprach: »Ich bin ein Barde und kann für Unterhaltung sorgen, sodass die Fahrt nicht langweilig wird.«
Der Kapitän schüttelte mit dem Kopf: »Auf See brauche ich meine Ruhe! Ein Barde ohne Instrument, dass ich nicht lache! Aber Ihr habt starke Arme, wie der Troll da drüben!«
Er wandte sich an seinen Maat: »Die beiden können an die Ruder und mit den Staken das Schiff von den Felsen fernhalten. Auch beim Lichten des Ankers und beim Segelsetzen können wir sie gebrauchen!«
Der Maat blickte den Hügeltroll ungläubig an, Saradar klopfte Urota auf die Schulter: »Er schafft das schon!«
Der Kapitan bückte sich, sodass sein Bart den Boden berührte.
»Und Ihr, kleine Lady, was soll ich mit Euch anfangen?«
Anneliese bot sich an, in der Kombüse zu helfen.
»Einverstanden, Ihr könnt Inisch, unserem Smutje, beim Knollenschälen zur Hand gehen!«
Jetzt trat Widun vor: »Ich bin ein Halbschrat und kann mich um die Getränkevorräte kümmern...«
»Das glaube ich! Ihr Halbschrate seid für Euren großen Durst bekannt!«, lachte der Kapitän.
»Ich meine natürlich, dass ich als Wanderprediger des Mnamn darum beten werde, dass die Vorräte nie ausgehen! Ansonsten war ich noch nie auf einem Schiff und kann nicht sagen, wie weit sein Einfluss auf dem Wasser reicht, immerhin ist es ja auch eine Flüssigkeit!«
»Gut, ich mach Euch zum Proviantmeister, Ihr kümmert Euch um den Rum und die Essensvorräte! Aber übertreibt es nicht mit den Rationen, ein Beutel Rum oder Wein pro Tag muss reichen!«
Widun nickte: »Das kriege ich hin! Ich werde die Vorräte gleich in Augenschein nehmen und einen Segen sprechen.«
Jetzt trat Tarkin vor: »Ich bin SYR Tarkin, der beste Koboldkämpfer und helfe, wo ich kann!«
Der Kapitän zuckte mit den Schultern und kratzte sich am Kopf.
»Backbord ist ein Loch, das muss kalfatert werden! Kobolde können gemeinhin gut klettern. Ihr werdet das Krähennest besetzen!«
Dann war es an mir vorzutreten, Haldarts Blick fiel sofort auf meine behuften Beine.
»Ihr seid ein Faun, nicht wahr? Könnt Ihr Euch überhaupt auf einem schwankenden Deck halten, oder muss ich immer Angst haben, dass Ihr mir ins Wasser fallt?«
»Mein Name ist Finn, ich bin ein Druide der Ianna und Chronist der Gruppe!«
»Ein Schreiberling also? Dann könnt Ihr dabei helfen, die Ladung zu löschen, also alle Waren zählen und dann Dugan berichten!«
Jetzt sprang Freya nach vorne, so plötzlich, dass sich der Kapitän erschreckte.
»Ich hab' doch schon genug Ratten an Bord! Was soll ich mit einem Wichtel anfangen? Ihr habt doch nur Unfug im Sinn!«
Saradar ergriff das Wort: »Mit ihr kann man prima Löcher stopfen!«
Freya war entrüstet: »Ich bin keine Ratte! Ich bin eine Alunpriesterin, bin klein und kompakt und kann Kranke heilen!«
Der Kapitän lenkte ein: »Nun gut, wenn einer krank wird, kümmert Ihr Euch um ihn, aber seht zu, dass ihr meinem Kater aus dem Weg geht! Fangt doch direkt mit dieser da an!«
Er zeigte auf Vivana, die immer noch bewusstlos auf Tarquans Schoß lag.
»Bringt sie in eine Kajüte, bis sie wieder ganz bei sich ist!«
Freya nickte und folgte Tarquan, der Vivana auf seinen Armen trug, unter Deck.
Jetzt war Edwen an der Reihe.
»Ich bin ein freier Ritter und kenne mich mit Waffen aus!«
»Ihr mache Euch zum Waffenmeister. Ihr schaut nach der Balliste und kümmert Euch um die Schwerter.«
Er winkte ihn zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Als Edwen mit dem Kopf schüttelte, erhob der Kapitän seine Stimme, während er mit einem Finger auf Pferd zeigte, der gerade wieder an Deck gekommen war.
»Jetzt kann ich mich an Euch erinnern! Ihr wart einer der Piraten, die damals meine Handelsgalleone überfallen haben! Euch werde ich bestimmt nicht mitnehmen!«
Tarquan erwiderte trotzig: »Ich werde Vivana nicht von der Seite weichen!«
Edwen ergriff das Wort: »Ohne unsere Gefährten werden wir sicher nicht mit Euch fahren! Dann müsst Ihr Euch jemand anderen suchen! Tarquan hat uns stets unterstützt, gesteht ihm einen Sinneswandel zu, er hat sich von den Söldnern und Piraten freigekauft!«
Der askalonische Ritter hatte den Kapitän wohl überzeugen können.
»Wenn Ihr das sagt, Ritter. Gut, er darf mit! Er bekommt aber keine Waffe und Ihr seid für ihn verantwortlich! Der Einäugige soll jeden Tag Fische fangen und die Netze ausbessern!«
Als der Blick des Kapitäns auf Maluna fiel, die sich die ganze Zeit im Hintergrund aufgehalten hatte, musste er seine Mütze abnehmen und sich kurz damit Luft zufächeln. Er grinste als er anmerkte: »Euch nehme ich auf jeden Fall mit, und sei es als Galleonsfigur!«
Myk trat vor: »Was soll ich machen?«
Haldart überlegte nicht lange: »Du wirst unser Schiffsjunge und gehst dahin, wo gerade Hilfe gebraucht wird!«

Galinea stellte sich und ihren Begleiter vor: »Ich bin Galinea, die Anführerin der ›Roten Klingen‹, und das ist Ardak, der ›schwarze Ritter‹, mein Leibwächter! Wir sind Kämpfer für die gerechte Sache und begleiten den ›Bund aus Blut und Feuer‹!«
»Kämpfer können wir gebrauchen, aber ihr müsst euch auch die Hände schmutzig machen, sonst kann ich euch nicht mitnehmen.«

Er stellte uns den Rest seiner Mannschaft vor, Inisch, den Smutje, und Haab, den Matrosen, hatten wir bereits kennengelernt.
»Das ist Kairn, der Steuermann!«
Er zeigte auf einen Mann, dessen Blick in der Ferne schweifte und der etwas abwesend wirkte.
»Trelan, mein Schatzmeister. Dugan, mein erster Maat, er wird auch ›der Rote‹ genannt und ist für seine schlechten Scherze berüchtigt.«

Jetzt hatte ein dicker Kater seinen Austritt: Er kam aus der Kapitänskajüte stolziert, trug eine Augenklappe, eines seiner Ohren war verkrüppelt, als Ausgleich hatte er jedoch so buschige Schnurrhaare, dass sie dem Bart des Kapitäns kaum nachstanden. Er blickte an Haldart hoch, schnurrte und wedelte mit seinem Stummelschwanz. Dieser bückte sich, nahm ihn auf den Arm und begann sofort, ihn ausgiebig zu streicheln.
»Und nicht zu vergessen: Zeiselbart, mein Kater!«

Freya kletterte an Deck: »Ich brauche frisches Wasser für Vivana! Ich kann ihr doch keinen Rum einflößen!«
Haldart nickte: »Stimmt, das hätte ich fast vergessen. Wir müssen unsere Frischwasservorräte auffüllen! Kairn, nimm dir zwei der Gestalten mit und füllt die Fässer an der Quelle des kleinen Baches!«

Kairn wurde von Saradar und Tarkin begleitet, der Rest sollte die Langboote entladen. Meine Aufgabe war es, die Waren zu registrieren. Ich saß auf der Reling und notierte die Mengen an Schiffswolle und Wein, die an Bord befördert wurden.
Widun schien lange nichts mehr »Richtiges« getrunken zu haben, so wie er über die Planken wankte. Dann passierte es, beim Hochrollen eines Weinfasses verlor er das Gleichgewicht und plumpste ins Wasser. Triefend bat er, in den Lagerraum gehen zu dürfen, um den Wein zu segnen.

Als Saradar und Tarkin mit den Wasserfässern zurückkehrten, zeigte uns der Kobold ein Ei, das Saradars Wiesel unterwegs gefunden hatte.
»Saradar wollte es sofort ausschlürfen, doch ich würde es gerne ausbrüten!«
»Da oben in deinem Krähennest?«, lachte Saradar.
Maluna war begeistert: »Seht ihr die bunten Punkte auf seiner Oberfläche. Das steckt bestimmt ein ganz besonderer Vogel drin!«
Sie hatte sich zum Kobold runtergebeugt und dieser nutzte die Gelegenheit, der Feueralwe das Ei zwischen die Brüste zu stecken: »Da ist's schön heiß!«
Maluna lachte: »Der heißt dann aber Hühnerbrust!«

Als die Arbeit beendet war, erklärte der Kapitän, dass wir bei Morgengrauen in See stechen würden. Wir konnten uns aussuchen, ob wie im Schiffsrumpf, an Deck oder an Land übernachten wollten.
Die meisten entschieden sich, die Nacht vor dem Aufbruch an Land zu verbringen. Tarkin und Urota übernahmen die erste Wache, während ich mit Edwen die zweite übernehmen wollte.

Urotas Wache
Urota schreckte auf, er hatte ein Geräusch vernommen. In der Finsternis konnte er den eleganten, haarigen Umriss des Wiesels erkennen, das etwas entdeckt zu haben schien. Radaras fauchte plötzlich, eine Ratte? Urota Augen wollten gerade wieder zufallen, als sie ein sanftes, bläuliches Leuchten bemerkten, dass sich geschickt einen Weg zwischen den Schlafdecken am Boden suchte. Das Wiesel hatte sich jetzt vollkommen aufgerichtet und sprang dem leuchtenden Etwas zähnefletschend entgegen, nur um im nächsten Moment abrupt stehenzubleiben und sich unter Saradars Decke zu verkriechen. Urota erhob sich und schaute genauer hin. Er erkannte ein winziges, zartes Wesen, das nur aus blauem Licht zu bestehen schien. Flügelschlagend hielt es sich in der Luft. Nie zuvor hatte der Troll eine solche Anmut gesehen. Ganz vorsichtig bewegte sich das Wesen auf Anneliese zu, ein glitzernder Schweif zeichnete ihre Strecke nach. Behutsam berührte sie Annelieses Wange und streichelte sie vorsichtig. Die Koboldmagierin gab einen Seufzer von sich und öffnete schlagartig die Augen. Erschrocken wich das fliegende Wesen ein paar Schritt zurück, doch Anneliese versuchte es zu besänftigen und streckte ihm ihre Hand entgegen.
Die blaue Fee.
»Hallo, kleine Fee«, begrüßte sie das magische Wesen. Und tatsächlich kam die Fee näher und berührte Annelieses Zeigefinger. Bläuliche Funken sprühten in die Luft und Urota meinte, kurz ein bläuliches Schimmern gesehen zu haben, das von Anneliese ausging. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich die Fee von Annelieses Finger löste und in kleiner werdenden Kreisen um die Koboldin herumflog. Dann setzte sie sich auf Annelieses Schulter und schmiegte sich an deren Mütze. Sie schien müde zu sein. Die Magierin nahm ihre Mütze ab und bereitete der Fee damit ein Bett. Länger konnte auch Urota seine Augen nicht mehr offenhalten und fiel in einen tiefen, von lautem Schnarchen begleiteten, Schlaf.

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