Donnerstag, 9. Januar 2014

Das Königreich der Würmer - Kapitel 2: Das Feld der Tausend Tode

Wir überquerten flache Grashügel und kamen zügig voran. Mir steckte noch der Schock in den Gliedern. Ab und zu überkam mich ein Zittern, wenn ich an die grausamen Ereignisse denken musste. Die Gegend, die wir durchquerten, schien einmal ein Schlachtfeld gewesen zu sein. Hier und da lagen zerschlissene Standarten, kaum noch zu erkennende, verrostete Rüstungen, zerbrochene Waffen und Knochen - viele Knochen.
Zur Mittagszeit sahen wir Krähen in einiger Entfernung ihre Kreise ziehen, sie machten sich wohl über die Kadaver des Gefangenenzuges her - schrecklich, dass wir sie nicht Mutter Erde zurückgeben konnten.

Am späten Nachmittag sahen wir ein großes Gerippe auf einem Hügel. Beim Näherkommen erkannten wir, dass es sich um ein verrottetes Katapult handelte. Am Boden lagen Leichenreste, Skelette und die Überbleibsel von Waffen und Rüstungen. Krähen pickten letzte Fleischreste von den Knochen, hier musste vor nicht allzu langer Zeit ein Kampf getobt haben. Wir schauten uns das Katapult genauer an: es war von Moos überwuchert und nicht mehr einsatzfähig.
Wir durchsuchten den herumliegenden Krempel, in der Hoffnung etwas zur Verteidigung zu finden. Am Gürtel eines Gefallenen glitzerte etwas: es war eine Flasche mit Met, der jedoch verdorben roch. Trotzdem überließen wir sie Widun, unserem Mnamn-Priester.
Saradar fragte Widun: "Bist du denn schon wieder nüchtern?"
Widun antwortete reumütig: "Ja, und das gefällt meinem Gott gar nicht!"
Ich fand einen rostigen Bauerndolch: angesichts der drohenden Gefahren immer noch besser als mit leeren Händen dazustehen. Auch der Troll beugte sich über die Ausrüstungsgegenstände und fand tatsächlich einen noch halbwegs erhaltenen Topfhelm. Er setzte ihn auf - und riss ihn sich, einen lauten Fluch ausstoßend, gleich wieder vom Kopf. Der große Troll machte mir Angst, aber vielleicht konnte ich sein Vertrauen gewinnen. Ich bat ihn, sich vorzubeugen, damit ich seinen Kopf untersuchen konnte. Er hatte ein blutendes Loch im Schädel. Ich bat Ianna um Beistand und versuchte ihn zu heilen. Edwen wusste Rat: er vermutete, dass eine Made in den Kopf eingetreten war. Mit Essig könnte man sie austreiben. Widun setzte den zu Essig gewordenen alten Met ein und tatsächlich, eine Made kroch heraus und fiel auf den Boden. Sie war gelb und schleimig, an ihrem Kopfende trat Blut - oder Hirnmasse? - aus. Mir wurde ganz schlecht bei dem Anblick. Edwen warnte uns, sie nicht anzufassen, weil sie giftig sei.

So langsam brach die Nacht herein und wir suchten uns eine Anhöhe, an der wir unser Lager aufschlugen. Die geschwächten Menschen lagerten sich zusammen, um sich gegenseitig warm zu halten. Ein Feuer konnten wir uns nicht erlauben, aus Angst, von den Tekk entdeckt zu werden. Der junge Miron hustete andauernd, keiner wollte neben ihm liegen. Ich ging zu ihm und legte ihm die Hand auf. Mit Iannas Hilfe fühlte er sich etwas besser, er sah aber immer noch krank aus. Unser Anführer Toran Rotall übernahm die erste Wache und ließ uns schlafen.

Ohne Feuer war es doch recht kalt. Trotz Fell schlotterte ich am ganzen Leib. Auch der alte Palan lag zitternd neben mir. Bei ihm sah es jedoch irgendwie unnatürlich aus. Dann sah ich es. Ein großes, wabbliges Etwas hatte sein Maul über seinem Kopf geschlossen - dann ein Knacken. Der kopflose Leib stürzte mir vor die Füße. Ein Schrei des Knappen mit der verkrüppelten Hand weckte den Rest der Gruppe - wir waren umzingelt von diesen Viechern. Edwen klärte uns auf, dass es sich um Riesenvarianten der Made handelte, die Urota in seinem Helm hatte. Ihre wabbligen Körper schimmerten bläulich im Mondlicht. Ihre Körper waren von Drüsen übersät, aus denen stinkender Schleim trat. Ihre Rücken waren von Platten und Stacheln bedeckt. Mit Lauten, die an eine Mischung aus Grunzen, Gurgeln und Schreien kleiner Kinder erinnern, schoben sie sich auf uns zu. Ich zählte fünf Maden. Edwen rief uns noch eine Warnung zu: wir sollten uns vor ihren giftigen Sporen in Acht nehmen. Er stellte sich furchtlos der größten Kadavermade entgegen.

Angriff der Kadavermaden auf dem Feld der Tausend Tode.

Edwen und Toran schlugen auf die Maden ein. Saradar, Tarkin, Urota und Vivana beteiligten sich nach Kräften. Auch Widun und ich kämpften mit. Mit meinem Bauerndolch konnte ich eine Made verletzen, es traten eklige Sekrete aus. Die Maden schossen auch Sporen auf uns ab, zum Glück blieben wir verschont, Vivana wich den Geschossen geschickt aus. Dann trat Anneliese in Aktion: sie zeichnete Symbole in die Luft und murmelte Worte in einer fremden Sprache. Aus ihrer Hand schoss ein Feuerstrahl, der eine Kadavermade grillte - was nicht gerade unappetitlich roch. Sie hatte soeben offenbart, dass sie eine Magierin war, wer hätte das von einer kleinen Koboldin erwartet. Sie hatte nur Glück, dass kein Alunpriester oder gar Paladin zu unserer Gruppe gehörte, die machten nämlich Jagd auf Magier.

Nach einem beschwerlichen Kampf lagen die wabbligen Körper leblos am Boden. Edwen erklärte, dass das Fleisch der Kadavermaden ungenießbar sei, da die Sekrete hochgiftig seien. Wir ließen unsere Finger davon.
Durch den unerwarteten Angriff war an Schlaf nicht mehr zu denken.

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Der Morgen dämmerte und tauchte die Umgebung in ein düsteres Zwielicht. Überall lagen Knochen und Gerippe, die lange Schatten warfen. Edwen erklärte uns, dass hier viele Schlachten stattgefunden hatten und man es "Das Feld der Tausend Tode" nannte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Toten zu begraben.

Nach einer Weile hörten wir ein Heulen in der Ferne.
Mein Magen knurrte. Toran verteilte sein letztes Wasser, es reichte kaum, um unseren Durst zu stillen. Zu essen hatten wir gar nichts mehr. Edwen erinnerte uns an das Heulen, das wir in der Ferne gehört hatten. Das seien Wildhunde gewesen - er hätte auch schon einmal Wildhund gegessen und meinte, dass sie nicht schlecht schmecken würden.
Wir gingen in die Richtung, aus der wir das Heulen gehört hatten. Es waren vier Hunde, die scheinbar auch Hunger hatten, da sie uns sofort angriffen.

Die Wildhunde auf dem Feld der Tausend Tode.

Wir schafften es, drei von ihnen zu erlegen, der letzte floh. Rasch entschlossen machten wir ein Feuer und grillten die Hunde - essen oder gefressen werden…

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