Sonntag, 13. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 8: Die Belohnung

»Na, ihr Schlafmützen!«, begrüßte uns Saradar, als er in das Zelt trat. Urota bekam davon nichts mit, aber Edwen und ich begleiteten ihn nach draußen, wo schon der Rest unserer Gruppe auf uns wartete. Wir waren erfreut, ihn lebendig wiederzusehen, aber natürlich auch neugierig darauf, was ihm widerfahren war.

Widun schlug ihm auf die Schulter: »Wir dachten schon, die Trolle hätten dich erwischt!«

Widun hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als der große Barbar seinen Schulterschlag erwiderte: »Da kennt ihr mich aber schlecht! Während ihr euch an den Bäumen wie Affen festgeklammert habt, konnte ich doch die verzweifelte Maid nicht in den Händen dieser hässlichen Trolle lassen und habe heldenhaft die Verfolgung aufgenommen. Wer weiß, welche widerwärtigen Rituale sie mit ihr vorhatten, sie hatten sie schon mit ihren Trollsymbolen bemalt, und ihr Augen und Knochen in die Haare geflochten. Sie wollten sie bestimmt einem ihrer abartigen Götter opfern! So etwas kann ein Gefolgsmann Osirs natürlich nicht zulassen!«
Die Trollfrau.

Vivana frotzelte: »So wie ich dich kenne, warst du da eher triebgesteuert!“

Saradar grinste: »Na ja, schlecht sah sie wirklich nicht aus, tolle Rundungen!“

Widun wollte wissen, wie es weiterging: »Konntest du sie denn retten? Wo ist sie?“

Saradar verschränkte die Finger und ließ sie knacken: »Ich sehe schon, ihr wollt meine komplette Heldengeschichte hören. Also, ich jagte den Trollen auf leisen Sohlen hinter her. So ein glubschäugiger Troll brüllte ständig irgendwelche Befehle, musste wohl ihr Anführer sein. Die Maid wurde von einem ganz dürren Troll an den Haaren durch den Wald gezerrt. Dann war da dieses laute Krachen und sie machten plötzlich Halt. Musste mich im Schlamm verstecken, haben mich zum Glück nicht erschnüffelt. Dann sind sie weitergerannt, nachdem ihr sie mit Pfeilen beschossen hattet. Ich hinterher bis ich an einen Fluss kam. Ich konnte beobachten, wie Hängeauge und der Dürre zusammen mit einem dritten Troll die hübsche Maid mithilfe eines Baumstammes ans andere Ufer brachten. Haben versucht, ihre Spuren zu verwischen. Hab‘ gerade noch bemerkt, dass auf meiner Uferseite ein Jungtroll Wache hielt, musste mich beeilen und hab‘ ihm schnell das Genick gebrochen.«

Saradar ließ es sich nicht nehmen, das lautstark mit einem Schnalzer seiner Zunge zu vertonen.

»Bin dann noch schnell über den Stamm gerannt und dem dritten Troll direkt ins Kreuz gesprungen. Die Frau und die beiden Hässlichen waren mittlerweile im Wald verschwunden. Der Troll ist doch tatsächlich wieder aufgestanden und hat mir sein schwarzes Trollblut ins Gesicht gespuckt, das ihm aus der Nase lief. Ein paar Stiche mit meiner Zweililie und schon lief sein Blut gurgelnd in den Fluss.«

Tarkin bezweifelte die Worte des Barbaren: »Musst du immer so angeben? Das war bestimmt alles ganz anders!«

Saradar schüttelte sein Haupt mit rotem Haarbusch: »Zweifle nicht, kleiner Kobold! Ich nahm die Verfolgung wieder auf und kämpfte mich durch undurchdringliche Dornengestrüppe, als sich schon der Himmel rosa verfärbte. Doch die Dunkelheit kann mich als Sohn der Khor’Namar nicht schrecken. Bloß mein Wiesel musste ich füttern, das hatte angefangen zu jammern.«

Bei dem Wort »Wiesel« kam Besagtes kurz aus Saradars Gürteltasche zum Vorschein und verschwand gleich wieder, als es die vielen Umstehenden bemerkte.
»Als ich schließlich eine künstliche Anhöhe aus grob behauenen Steinquadern erreichte, wartete dort schon Glubschauge auf mich, mit einem Trollspeer bewaffnet, den er über seinem Kopf kreisen ließ.

Gorgar »Glubschauge«.

Ich überlegte mir gerade, wie ich weiter vorgehen sollte, als er den Speer auf mich schleuderte - konnte gerade so ausweichen und sprang auf ihn zu. Er zückte einen Dolch, doch da hatte ich ihm schon meine Zweililie einmal quer über die Brust gezogen. Der Feigling heulte auf und sank auf die Knie. Wollte mir noch in den Bauch stechen, hab‘ ihm aber seinen fetten Kopf von den Schultern getrennt.« Wieder untermalte er den Vorgang mit einem ekelhaften Schnalzgeräusch.

Anneliese rügte ihn: »Könntest du bei deiner Erzählung bitte diese Geräusche weglassen, das ist ja widerwärtig!«

Saradar war bestürzt: »Das verleiht der Erzählung doch erst die richtige Würze! Nun ja, der Kopf ist der Maid direkt vor die Füße gefallen - hat wieder wie am Spieß geschrien - da hat dann der dürre Troll die Ketten fallen gelassen und Reißaus genommen. Aber meine Zweililie ist auch ein prima Wurfgeschoss.«

Wieder versuchte Saradar das Geräusch der fliegenden Waffe und das Durchschlagen des Trollkörpers sowie das ersterbende Gurgeln des Trolls nachzuahmen - Anneliese hielt sich die Ohren zu.

Widun fragte: »Was ist aus der Frau geworden?«

Saradar grinste breit: »Sie war mir natürlich unendlich dankbar. Nachdem wir eine Höhle für die Nacht gefunden hatten, hat sie sich sehr erkenntlich gezeigt …«

Vivana war giftig: »Und dann ist sie abgehauen - mit dir hält man es als Frau sicher nicht lange aus!«

Saradar zuckte mit den breiten Schultern: »Tja, ich war eingeschlafen, hab‘ irgendeinen Albtraum gehabt und bin durch ein krächzendes Lachen wach geworden, da war sie schon weg. Es kam mir alles irgendwie wie ein böser Traum vor. Seltsam, ich weiß noch nicht einmal ihren Namen. Bin aus der Höhle raus und hab‘ gesehen, dass ich gar nicht weit weg von Schaynwayle genächtigt hatte.«

Nach dieser anschaulichen Erzählung brachen wir auf zur Stadt und unserer Belohnung.

Uns war neulich gar nicht aufgefallen, welche Schäden der Trollangriff auf Schaynwayle hinterlassen hatte. Die Baumeister und Handwerker waren eifrig dabei, die Mauer wieder auf Vordermann zu bringen. Die Steinmetze klopften neue Mauersteine in Form, die dann mit Hilfe großer Holzkonstruktionen passgenau in die Mauer eingelassen wurden. Wir näherten uns dem Stadttor, das von einem prächtigen, steinernen Mantikor geschmückt wurde, dem Wahrzeichen der Stadt, wie mir Edwen erklärte. Vor und hinter dem Tor hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, die die siegreichen Heimkehrer bejubelte. Aus ihren Gesichtern sprach Erleichterung und Freude.

Am Rande fiel mir der Planwagen dieses zwielichtigen Händlers Irozan auf, aus dem gerade der dicke Söldner Fass mit einem ebenso dicken Sack in der Hand heraussprang. Traurig über den Verlust seiner Partner Tanz und Schädel schien er ja nicht zu sein: er hatte ein breites Grinsen im Gesicht.

Mehr konnte ich nicht beobachten, da die Menschenmenge zugenommen hatte und uns in Richtung Rathaus drängte. Wir wurden dort bereits erwartet. Mit einem freudestrahlenden Gesicht stand dort Stadtherr Goreck. Er hatte ein markantes Gesicht und sah gar nicht so fettleibig aus wie die anderen Ratsherren der Städte, die wir zuvor besucht hatten. Ich bemerkte, dass er Edwen etwas misstrauische Blicke zuwarf, dennoch begrüßte er uns mit herzlichen Worten. Wir folgten seinem Wink hinein. Die schwere Eichentür fiel hinter uns ins Schloss und der Jubel blieb draußen. Ich hatte mitbekommen, dass Vivana gerade noch durch die Tür geschlüpft war. Was sie wohl wieder getrieben hatte? Ratsherr Goreck führte uns durch das sonnendurchflutete Rathaus in seine Schreibstube, die überraschenderweise mit Kriegswaffen und Wandteppichen geschmückt war, die vergangene Schlachten in aller Lebendigkeit und mit leuchtenden Farben darstellten. Hier überreichte er jedem von uns einen Beutel mit 50 Silberlingen: »Dank euch können die Menschen in Schaynwayle wieder friedlich schlafen! Als Anerkennung veranstalten wir heute Abend einen Festakt auf dem Marktplatz - ihr seid natürlich die Ehrengäste. Es gibt übrigens Spanferkel, also besser nicht zu spät kommen!«

Als wir das Rathaus wieder verließen, hatte sich die Menschenmenge bereits wieder aufgelöst. Bestimmt wollten sie das Fest vorbereiten.
Wir hatten auch für Urota einen Sack Silberlinge erhalten, Edwen und ich wollten sie ihm später bringen. Wir versprachen Saradar, Widun, Anneliese und Tarkin am Abend zum Fest zurück zu sein. Vivana war schon wieder verschwunden, sie erkundete die Stadt lieber auf eigene Faust - oder sollte ich besser sagen »auf leisen Pfoten«?

Wir machten noch einen Spaziergang durch Schaynwayle. Die Stadt war in eine Oberstadt, die wohl eher den Edlen vorbehalten war, und eine dreckigere Unterstadt unterteilt. Dem Rathaus gegenüber sah ich einen prächtigen Bau, bei dem es sich um ein Theater handelte. Edwen erklärte mir, dass die Menschen hier Aufführungen veranstalten, bei denen sie in die Rolle anderer Personen schlüpfen - schon seltsam diese Menschen!

An höchster Stelle stand ein in gleißendem Weiß leuchtender Tempel, der dem Sonnengott und Allvater Alun geweiht war. Ich wollte ihn mir genauer ansehen. Der Eingang war rund und Strahlen gingen aus ihm hervor.
Edwen flüsterte mir zu: »Mich erinnern diese Sonnentore immer an die Steuerräder von Schiffen, aber das darf ich nicht laut sagen, die Alunpriester sind da sehr empfindlich!«

Wir wurden erkannt, die Menschen nickten uns freundlich zu, als wir den Tempel betraten. An den Seiten des mächtigen Kuppelbaus brannten selbst am helllichten Tage hundert Kerzen. Durch die aus Mosaiken bestehende Decke fiel das Licht in allen Farben und beleuchtete die Statuen des Tempels. Edwen erklärte mir, dass es sich bei den Statuen um Zöleste, also die himmlischen Diener Aluns, und um Paladine handelte. Das seien Krieger, die sich in den Dienst ihres Gottes gestellt hätten. Das ganze erzeugte eine mystische Atmosphäre, fast so wie in einem Hain der Ianna meiner Heimat Oxysm. Einige Priester hatten einen Choral angestimmt, der vom Rund der Kuppel eindrücklich verstärkt wurde.

Ein glatzköpfiger Priester kam in Begleitung eines goldenen Paladins auf uns zu. Ich hatte zunächst die Befürchtung, dass sie mich als Faun nicht im Tempel dulden würden, aber er lächelte uns entgegen und begann: »Ich grüße euch im Namen des heiligen Lichtes! Ihr habt unsere Stadt von dieser dunklen Bedrohung durch die Trolle befreit! Kann ich euch behilflich sein?«

Ich fragte: »Könnt Ihr uns etwas über Schaynwayle erzählen?«

Der Priester antwortete bereitwillig: »Wisst Ihr, unsere Stadt ist sehr alt. Schon von Anbeginn an verehren wir nur Alun, den Gott des Lichts und der Gerechtigkeit. Ihr kennt sicher die Legende von den sieben Paladinen des Lichts? - Nein? - Sie stammen von hier! Viele Heldenlieder handeln von ihnen! Sie liegen alle auf dem Grabhügel im Norden der Stadt. Der achte verbrannte im Feuer eines Drachen - ihm zum Andenken wurde eine Statue aufgestellt.«

Wir bedankten uns beim Priester und verließen ohne die angebotene - kostenpflichtige - Heilung den Tempel. Wir mussten länger als gedacht dort zugebracht haben, denn die Sonne stand schon tief am Horizont als wir hinaustraten. Wir machten uns auf den Weg zum Festplatz - Urota würde seine Silberlinge noch früh genug kriegen.

1 Kommentar:

  1. Macht einfach Spaß, das zu lesen! Die Charaktere sind super getroffen!

    AntwortenLöschen