Donnerstag, 17. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 9: Feier mit Überraschungsbesuch

Schon von weitem stieg uns der Geruch von gebratenem Schwein in die Nase. Wir mussten nur der Duftspur folgen, um den Festplatz zu finden. Inzwischen war die Sonne untergegangen und Fackelschein erleuchtete die Gesichter der feiernden Stadtbewohner. Es wurde gesungen und gelacht, zur Unterhaltung zeigte ein Feuerspucker seine Kunststücke - ich musste schmunzeln, wenn ich daran dachte, was Anneliese hier wohl aufführen würde. Wir wurden zu Holztischen geführt, wo auch schon unsere Gefährten auf uns warteten. Bevor wir uns über die Erlebnisse des Tages austauschen konnten, erhob sich Syr Goreck zu einer Rede. Er war in ein edles Gewand und einen prächtigen Bärenfellumhang gehüllt.

Nachdem sich die feiernde Menge beruhigt hatte, begann er großzügig sein Lob über unserer kleinen Heldengruppe, den Söldnern und den imbrischen Soldaten auszuschütten:
»Endlich ist die ständige Bedrohung durch diese Hügeltrolle beendet! Der Heldenmut und die Loyalität, die mir begegnet sind, lassen uns hoffen, dass wir auch in Zukunft Gefahren wie dieser Herr werden.«

Während der Rede gesellte sich der von seinen Mitsöldnern nur »Pferd« genannte Tarquan zu uns und quetschte sich zwischen Widun und Vivana auf die Holzbank. Dann schnappte er sich schnell Vivanas Weinkelch und leerte diesen in einem Zug. Ein Lächeln, ein Ruck, und schon saß Vivana auf seinem Schoß. Nach einer Weile wurde er unruhig, setzte Vivana wieder neben sich, flüsterte ihr etwas ins Ohr und verabschiedete sich mit einem übertriebenen Handkuss in Richtung Theater.

Goreck trat nach Tarquans Abgang zu uns an den Tisch und gratulierte noch einmal jedem Einzelnen herzlich. Er bat Widun, einen Trinkspruch auf die erfolgreiche Trolljagd zu sprechen. Widun hatte scheinbar schon zu viele von Mnamns Gaben genossen, was da aus ihm herauskam glich eher einem Lallen - die Leute waren ihm aber wohlgesonnen und lachten herzlich.

Syr Goreck, der Stadtherr von Schaynwayle.

Goreck klopfte Widun auf die Schulter und lachte: »Ich hätte keine andere Rede von einem Mönch des Mnamn erwartet. Ich habe mir übrigens euren Trollgefährten angesehen. Er soll ja nicht nur einen seiner Art erschlagen haben. Er ist bemerkenswert, ein wahrer Krieger und intelligenter als ich dachte. Ich habe ihn heimlich in die Stadt bringen lassen. Ich wollte keine Panik auslösen, deshalb ist er in einer Lagerhalle im Norden - und ihr könnt sicher sein: er wird zumindest genauso gut verköstigt wie ihr.«
»Wohl an denn«, merkte er im Gehen an, »mir fällt ein, dass der Mortarax-Diener auf dem Grabhügel noch einen Auftrag für euch hat. Schaut doch morgen einmal bei ihm vorbei!«
»Wo will Vivana denn jetzt hin?«, fragte ich in die Runde, nachdem sie katzenhaft aufgesprungen und in der Dunkelheit verschwunden war. Widun unterdrückte nur mühsam einen Rülpser: »Vielleicht hat sie ja noch eine Reitstunde? - Rülps! - `tschuldigung, ist mir so rausgerutscht!«

Edwen wunderte sich über unseren Barden, der sich nicht zu einem Lied erweichen ließ: »Saradar, warum ziehst du eigentlich so eine Miene? Schmeckt dir etwa das Bier nicht?«

Tarkin machte eine abwehrende Geste mit seiner Fellhand: »Ich würde ihn lieber nicht ansprechen, der ist sauer seit er von einem Beutelschneider beehrt wurde.«

»Ach Quatsch, du kleiner Kobold!«, grölte der Barbar. »Immerhin habe ich diesem Lorik in der ›Tanzenden Maid‹ gezeigt, wo der Hammer hängt!«

Anneliese schüttelte den Kopf: »Diese Gjölnar und ihr Armdrücken, noch schlimmer als die Trolle ihre Kopfnüsse! Um die Silberlinge ist es nicht schade, aber diesen funkelnden blauen Stein, den der Barbar um den Hals trug, den hätte ich mir gerne etwas genauer angeschaut - der hatte vielleicht eine Aura - war auf jeden Fall etwas Magisches!«

Jetzte schüttelte Tarkin seinen pelzigen Kopf: »Furchtbar, Frauen und Schmuck - Hauptsache es glitzert! Du hast doch schon von diesem Händler einen tollen Ungeheuer-Zahn bekommen.«

Anneliese war beleidigt: »Der glitzert aber nicht so schön …!«

Saradar verfiel ihn Selbstmitleid. »Wenn ich den erwische, der mich beklaut hat!«, schrie er plötzlich und haute so fest auf den Tisch, dass die Bierkrüge wackelten.

Widun hielt sich eine Hand vor die Augen: »War schon etwas peinlich, Saradar hat nach seinem Sieg im Armdrücken erst allen eine Runde Bier ausgeben und konnte dann nicht bezahlen!«

Edwen tat verwundert: »Habt ihr etwa die Zeche geprellt?«

Widun entgegnete entrüstet: »Nein, wir haben natürlich zusammengelegt, hatten keine Lust auf Ärger. Du weißt doch, es ist eine Todsünde Mnamn gegenüber, die Zeche nicht zu bezahlen!«

Auch ich musste dem Schratenherrn meinen Tribut zollen - bloß noch das passende Örtchen dafür finden.

Edwen erinnerte mich: »Wir müssen auch noch zu Urota!«

Ich schüttelte erst den Kopf, dann etwas Anderes: »Der schnarcht bestimmt schon wieder! Das hat doch Zeit bis morgen!«

Das Schwarzbier war köstlich gewesen, in meinem Kopf drehte sich jedoch alles und mit dem Geradeauslaufen klappte es auch nicht mehr so richtig. Edwen versuchte mich zu stützen.
»Was war das für ein Geräusch? Brennt es da hinten? - Hicks - Ich könnte schwören, da brüllt ein Troll … kann nicht sein - sind doch alle tot! Oder?«

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Ich wurde wach - um mich herum absolute Finsternis. Mein Kopf brummte: »Was ist passiert?«, fragte ich mehr zu mir selbst. »Keine Ahnung!«, kam als Antwort. Es war stockfinster - neben mir am Boden lag Edwen, ebenso benommen wie ich. »Wir müssen irgendwo durchgebrochen sein … ich kann mich an nichts mehr erinnern: ich glaube, da muss eine ganze Menge Geistreiches im Spiel gewesen sein, so wie sich mein Schädel anfühlt!«, lallte er.
Mit meinen Händen versuchte ich die Umgebung zu erkunden. Es schien sich um einen leeren Kellerraum zu handeln, überall war bloß kalter Stein. Nach einer ganzen Weile - ich hatte schon einen Schlag in die Rippen erhalten - als ich beim Herumtasten wohl Edwens edlen Teilen zu nahe gekommen war - bemerkte ich einen Luftzug - und da war Holz: ein Bretterverhau. Nachdem Edwen die Bretter mit seiner Axt weggehebelt hatte, gelangten wir in einen engen, ebenso finstren Gang. Aus der Ferne schallte uns etwas entgegen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich behauptet, dass es sich wie das Knurren von Trollen anhörte.

Schlagartig erinnerte ich mich wieder. Die Feier ging zu Ende und ich wollte zurück zum Zeltlager. Ich hatte richtig gehört. Es war das Brüllen von Trollen gewesen. Zwei Trollgiganten, fast so groß wie derjenige in der Burgruine, trieben die Menschen vor sich her. Die Stadtwachen versuchten verzweifelt, sie aufzuhalten - die Giganten fegten sie wie Kehricht einfach beiseite. Diese Schreie - und die Hornstöße der Wachen, der Krach, als die Trolle Häuser zum Einsturz brachten - schrecklich. Und aus den Seitengassen strömten weitere Trolle herbei. Und dann dieses höhnische Lachen. Ich sah ihn wieder genau vor mir: diesen Ratura, wie er dastand, triumphierend mit zwei abgetrennten Menschenköpfen auf einem der Dächer. Dann diese Aktion, auf die nur ein betrunkener Kobold kommen konnte: Saradar schleuderte den kleinen Tarkin aufs Dach - und der Trollberserker schlug ihn mit der Stachelkeule gleich wieder hinunter - begleitet von verächtlichem Troll-Spott und Spucke.

Edwen konnte sich jetzt auch wieder erinnern: »Dem einen Troll, der mich angesprungen hat, habe ich den Schädel gespalten. Dann war da dieser fette Troll mit den Eisenhauern. Wir sind ihm und seiner Gruppe gefolgt, als die imbrischen Soldaten in die Stadt kamen. Ich kann mich wieder erinnern, dass wir ihnen bis zum Fluss gefolgt sind. Da führte eine Steintreppe nach unten. Wir sind dann durch ein Eisentor, das sich eigentlich nur von der Stadtseite her öffnen lässt, in einen Schacht hineingeklettert - und dann: Wumms! Hier gelandet. Wir müssen sehen, dass wir hier wieder rauskommen!«

Mein linkes Horn begann zu jucken - ich tastete aufgeregt in meiner Tasche herum - ja, da war sie noch, meine Zauberbohne.

Der Gang führte und immer tiefer nach unten. Der Steinboden war feucht und glitschig. Wieder dieses Knurren - furchtbar! Wir einigten uns darauf, weiterzugehen - da war nur dieser eine Weg. Es kam mir wie Stunden vor, immer wieder einmal drangen unheimliche Geräusche aus der Dunkelheit an uns heran - so als ob Steinplatten verschoben würden. Ich war müde, sodass wir Rast machen mussten und etwas von unserem Proviant aßen. In dieser Finsternis hatte ich kein Zeitgefühl mehr.

Ich schreckte hoch. Ich musste eingeschlafen sein: »Edwen?« - »Ja! Ich bin hier neben dir!«, kam prompt die Antwort. Er musste die ganze Zeit Wache gehalten haben. Wieder erhoben und folgten weiter dem Gang. Eine gefühlte Ewigkeit der Dunkelheit. Wenn wir doch bloß eine Lichtquelle gehabt hätten! Nach einer erneuten Biegung: endlich - ein fahler Lichtschein! Unsere Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt - das Licht tat richtig weh. Wir warteten einen Moment, dann sahen wir, wo das Licht herkam: vor uns tat sich eine große Höhle auf. Wir standen etwas erhöht. Unter uns: Trolle! Bestimmt ein Dutzend.

»Da sind grüne Hügeltrolle und Schattentrolle«, flüsterte Edwen mir zu. Wir zogen uns an den Höhlenrand zurück. So konnte ich sie ungesehen beobachten: sie schleppten riesige Töpfe. Da war auch eine Trollhexe, die in einem Kessel herumrührt. Doch was machen die da drüben? Ein Hügeltroll öffnete einen der Töpfe und schmierte einem Schattentroll etwas vom Inhalt auf die blasse Haut, die dadurch einen grünlichen Schimmer erhielt. Weitere Schattentrolle hatten sich für die Einreibung angestellt.

Aus einem Seiteneingang der Höhle kam ein besonders fies aussehendes Exemplar eines Schattentrolls heraus. Er zog etwas hinter sich her: das war Vivana! Sie lag in Ketten und schien bewusstlos zu sein.

»Edwen, wir müssen etwas unternehmen!«, forderte ich meinen Axtkrieger-Gefährten auf.

Edwen entgegnete mir mit fragendem Blick: »Aber was? Zu zweit gegen so viele Trolle! Das ist Selbstmord!«

Als ob das Ianna - oder an welche Gottheit Edwen auch immer glauben mochte - gehört hätte, ging in diesem Moment das große Holztor auf, das wohl den Haupteingang zur Höhle darstellte, und ein paar uns wohlbekannte Gestalten traten hindurch.

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