Sonntag, 6. November 2016

Die Trolljagd - Kapitel 6: Hexengelächter

Wir näherten uns der Quelle der markerschütternden Schreie. Von den Trollen getrieben, gelangten wir ans Ende des düsteren Ganges und wurden durch ein Tor gestoßen. Die Sonne musste schon aufgegangen sein - der große Saal, in dem wir uns wiederfanden, wurde durch ihre Strahlen, die durch zahlreiche Löcher eines alten Daches drangen, hell erleuchtet. Meine Augen brauchten eine Zeit, um sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Erst jetzt konnte ich das schaurige Schauspiel erkennen, das für die Schreie verantwortlich war.

Vor uns sahen wir einen der Söldner - Schädel - der mit seinem Hammer bewaffnet um zwei Pfähle herumtänzelte. »O nein, das sind gar keine Baumstämme!«, wurde mir mit Schrecken klar: das waren die Beine eines Trolls - eines gigantischen Trolls! Er war bestimmt dreimal so groß wie der Söldner. Eine Bestie, die mit Ketten durch vier Trollhünen kaum gebändigt werden konnte. Wahnsinn funkelte aus ihren Augen - aus Schädels Augen dagegen sprach die Furcht. Er war gezeichnet vom ungleichen Kampf, blutüberströmt und hinkend. Sein Blick huschte zu uns herüber - ein kurzes Lächeln des Erkennens trat in sein Gesicht - das jäh von der herabsausenden Faust des Trollriesen zerschmettert wurde.

Ich musste mich abwenden - doch das ekelhafte Geräusch des berstenden Schädels drang in meine Ohren. Als ich wieder hinblickte, sah ich noch, wie sich der Gigant seine Faust ableckte.
Wieder dieses Gelächter, ich wollte wissen, wo es herkam und blickte nach oben: auf einem unerreichbaren Vorsprung sah ich eine bucklige Gestalt, die ihre runzligen Finger in kreisenden Bewegungen hin- und herschwenkte. »Trollhexe«, raunte uns Urota zu. Im Schatten hinter ihr schienen weitere Trolle zu stehen - wohl ihre Leibwächter. Immer wieder unterbrochen von diesem bösartigen Lachen brüllte die Hexe Befehle. Wir hörten ein lautes Rasseln - die vier Trolle hatten die Ketten fallen lassen und zogen sich schnell aus der Arena zurück, bei der es sich laut Edwen einmal um einen Rittersaal gehandelt haben musste. Wir hörten, wie mit einem lauten Krachen eines mächtigen Balkens hinter uns das Tor verriegelt wurde.
Eine Trollhexe.

»Und nun stirb, Waräsar!«, schrie die Trollhexe mit heiserer Stimme. Urota hatte genug von den ständigen Beleidigungen und spannte seinen Bogen. Mit einem gezielten Schuss hatte er die Hexe am Hals getroffen. Sie zog sich zurück, gurgelnd und stöhnend versuchte sie dabei noch, eine Verwünschung auszustoßen.

Jetzt war der Trollriese auf uns aufmerksam geworden. Er hatte von seinem schauerlichen Mahl abgelassen und kam auf uns zu: Blut tropfte ihm aus den Mundwinkeln, ein halbes Dutzend Schädel baumelte an seinem Gürtel.

Ich richtete ein Stoßgebet an Ianna. Klettenkraut spross aus dem Boden, verzweifelt schleuderte ich es dem Troll entgegen. Es blieb an seinem Bein kleben - mehr auch nicht. Aus den Augenwinkeln konnte ich gerade noch erkennen, wie Vivana eine ihrer Phiolen hervorgeholt hatte und deren Inhalt auf die Spitze ihrer Klinge träufelte. Edwen verpasste dem Trollriesen eine Schramme am Schienbein. Vivana hatte sich hinter ihn gerollt und schnitt dem Riesen in die Wadensehne. Das hatte er offensichtlich gespürt: er griff hinter sich, packte unsere Diebin und schleuderte sie gegen die Wand. Urota versuchte es wieder mit einem Pfeil, der aber am für seine Größe sehr agilen Riesen vorbeizischte. Edwen hatte ihn währenddessen am anderen Bein getroffen. Das ließ der Trollgigant nicht ungestraft - Edwen krachte gegen die Wand. Jetzt schaltete sich auch unser Kobold in den Nahkampf ein - wütend rammte er ihm sein Schwert in den Fuß. Der gleiche Fuß beförderte Tarkin dann gegen die Wand. Meine Kampfgefährten waren schwer gezeichnet von ihrem Schleudertrauma - ohne Widuns Heilkräfte und Annelieses feuriges Temperament waren wir wohl verdammt dazu, als Trollriesenfutter zu enden.

Erstaunt stellte ich fest, dass der Troll plötzlich lahmte. Vivanas zulanisches Froschgift schien endlich zumindest eine leichte Wirkung zu zeigen. Wehrlos wie er jetzt dastand, schaffte sie es, dem Troll das Bein aufzuschlitzen - das Blut spritzte rhythmisch wie eine Fontäne aus der offenen Schlagader.

Von oben kam ein aufgeregtes Schreien, Metall traf auf Metall - Kampfeslärm.
Das Trollmonster schüttelte sich - die Giftwirkung war scheinbar wieder weg - und versuchte es mit einem Rundschlag, dem wir erfolgreich ausweichen konnten. Sein Blut malte dabei einen Ring auf den Boden.

»Aus dem Weg!«, schallte es plötzlich vom Vorsprung herab. Instinktiv duckten wir uns, und der Trollriese wurde von zwei Pfeilen getroffen. Es waren Mond und Tarquan, die uns von da oben Schützenhilfe gaben.

Außer sich vor Wut stampfte der Trollgigant mit seinem unverletzten Bein auf - Tarkin und mich riss die Erschütterung von den Beinen. Edwen war standhaft geblieben und rammte dem Troll die Axt tief ins Bein. Urota zeigte sich ebenfalls unbeeindruckt vom Beben - er zielte - schoss - und - landete einen Glückstreffer: sein Pfeil steckte dem Riesen im Nasenloch. Dieser schwankte - und stürzte schließlich zu Boden. Nachdem sich der Staub gelegt hatte, konnten wir uns von seinem Tod überzeugen - der Pfeil musste ihm tief ins Hirn gedrungen sein.

Noch erhitzt vom Kampf stritten sich Urota und Edwen um einen rostigen Schild, der am Gürtel des Riesen hing. »Da sind ein Schwert und eine Rose drauf, das Wappen Askalons, her damit!« - auf Urotas gereckte Faust hin ließ Edwen jedoch ab - der Klügere gab nach.

Das Holztor hinter uns blieb verriegelt - was die anderen Trolle wohl machten? Die Söldner ließen uns ein Seil herab. Vivana klettert grazil als erste hinauf. Dort wurde sie sehnsüchtig von Tarquan mit einer Umarmung und einem Kuss in Empfang genommen. Als ich mich auch hochgezogen hatte - als Eichhörnchen war das Klettern viel leichter - lagen da reglos die alte Hexe und ihre Leibwächter. Verwundert blickte ich Tarquan an, der erklärte: »Wir sind über einen Geheimgang hierher gelangt.« Mond hatte sich über die Hexe gebeugt und betrachtete nachdenklich seinen Finger: »Seltsam, das ist eine Art Paste.« Edwen war auch interessiert und rieb an der Trollhexe - unter dem grünlichen Schimmer kam hellgraue Haut zum Vorschein: »So weit ich weiß, sind nur Schattentrolle so blass. Sie heißen so, weil sie sich nicht dem Sonnenlicht aussetzen dürfen, das sie nach kurzer Zeit umbringt. Die grünen Hügeltrolle und die grauen Schattentrolle hassen sich eigentlich, weil sie sich gegenseitig die Gebiete streitig machen.«

Die Stille wurde unterbrochen von lauten Rufen und Schwertgeklirre. Das Tor in der Halle wurde aufgestoßen und ein Trupp imbrischer Soldaten strömte hindurch. Ehrfurchtsvoll betrachteten sie den toten Trollgiganten in seiner Blutlache. Dann hatten sie auch uns auf dem Vorsprung wahrgenommen. Jubel und Triumphschreie klagen durch den früheren Rittersaal. »Auf ein Wort«, bat uns der Anführer zu sich, »mein Name ist Syr Terk Aluris, erlaubt mir eine Frage: Wer ist dieser Hügeltroll da?« Er zeigte auf Urota. »Der gehört zu uns!« »Das kann nicht sein, wir haben gerade einen Troll laufen lassen, der das von sich behauptete und uns als Versicherung eine Erklärung des Ratsherrn von Altem zeigte!« Urota sah an sich herunter - seine Unbedenklichkeitsurkunde war weg - er musste sie im Wettstreit mit Ratura verloren haben.

Da fiel mir etwas ein - auch Ratura hatte doch etwas verloren. Ich folgte dem dunklen Gang bis an die Stelle, wo die beiden ihren Kopfstoß-Wettkampf ausgetragen hatten. Und tatsächlich: da lag noch der Leinenbeutel. Neugierig öffnete ich ihn: darin befand sich - eine grüne Bohne. Was für eine Enttäuschung! Doch was war das? In meiner Hand begann sie zu leben - ich spürte, dass dass keine gewöhnliche Bohne war. Die Bohne hatte Iannas Segen.

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