Um nicht von seiner Müdigkeit übermannt zu werden, stocherte Hasabi immer wieder mit einem langen Stock in der Glut des Feuers. Trotzdem fielen ihm hin und wieder seine Augen zu. Immer wenn er aufschreckte, verfluchte er sich selbst für seine Schwäche. Hasabi blickte über das Feuer zu seinem barbarischen Freund, der ruhig auf dem Rücken lag. Der Drachenzahn lag wie am Abend zuvor auf der mächtigen, tätowierten Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte.
Plötzlich bemerkte Hasabi wieder dieses Jucken in der Hand, die Calvaron bemalt hatte. Mit Entsetzen stellte er fest, wie sich ein kalter Schauer von seiner Hand den Arm hochlief und sich über seinen gesamten Körper verbreitete. Die Kälte erreichte jetzt seine Füße. Ohne sein Zutun erhob er sich und seine Beine setzten sich von alleine in Bewegung. Vor seinen Augen wirkte alles so unwirklich und irgendwie glaubte der Junge, er sei wieder eingeschlafen und befinde sich in einem Traum. Der junge Jujin-Dieb ging langsam um das Feuer herum, bückte sich und zog behände die Lederschnur mit dem Talisman vom Hals des Barbaren. Hasabi konnte nichts dagegen tun, er sah alles wie durch eine mehrere Schritt dicke Eisschicht eines zugefrorenen Sees. Seine Hand bewegte sich so geschickt, dass der Lederriemen Loriks Kopf nicht berührte. Dieser schlief weiter und merkte nichts.
Hasabi verließ die Höhle und trat in den kalten Morgenwind. Die frische Luft tat seinem Kopf gut, trotzdem konnte er seine Bewegungen nicht selbst lenken. Er versuchte zu schreien, um Lorik zu wecken, aber er schaffte es nicht, seinen Mund zu öffnen. Seine Füße traten durch den feuchten Schlamm in die Dunkelheit zwischen den Bäumen.
Dann sah er ihn - Calvaron. Er hatte seinen Kapuzenumhang abgelegt. Das fahle Licht des Morgens schimmerte auf der entblößten, muskulösen Brust des Alwen. Seine rechte Hand hatte er erhoben, als hielte er etwas. Aber da war nichts. Seine Hand war leer. Seine Finger öffneten und schlossen sich und aus dem leicht geöffneten Mund des Alwen kam ein Flüstern, das sich wie die Stimmen tausender Hexer anhörte, deren Beschwörungen vom Wind davongetragen werden.
„Jetzt hast du doch noch deinen Zweck erfüllt, kleiner Dieb!“ flüsterte Calvaron mit der gleichen, wahnsinnigen Stimme.
„Die Zeichnung auf deiner Hand macht dich zu meinem Sklaven. Sie war es auch, die mich zu euch geführt hat.“
Hasabi wollte erneut schreien, um seinen schlafenden Freund in der Höhle zu wecken, doch kein Wort drang aus seinem Mund.
„Kämpfe nicht dagegen an, es wird dir nichts nutzen!“
Hasabi näherte sich dem Hexer Schritt für Schritt. Je näher der Junge kam, desto besser konnte er die Symbole auf Brust des Alwen erkennen: Ein kreisrundes Symbol, das dem auf seiner Hand sehr ähnelte. Jetzt sah er es - es war identisch mit dem auf Loriks Nacken: seltsam detaillierte Runen, die ineinander verschlungen wieder eine Art Rune bildeten.
Lorik erwachte, als er bemerkte, dass es in der Höhle kühler geworden war. Ein kurzer Blick und er wusste, dass Hasabi verschwunden war. Schnell packte er sein Schwert, das er an die Wand gelehnt hatte und rannte aus der Höhle. Je näher er dem Ausgang kam, desto eigenartiger fühlte er sich. Sein Hinterkopf schmerzte, als würde er einem Feuer des Abgrunds immer näher kommen. Als er mit blitzendem Schwert aus der Höhle trat, war der Schmerz in seinem Nacken unerträglich geworden. In einiger Entfernung sah er den Jungen, wie er langsam, fast humpelnd, zwischen den Bäumen verschwand.
„Hasabi, wo willst du hin?“ rief er so laut er konnte, erhielt aber keine Antwort. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Talisman weg war. Zornig rannte er dem jungen Dieb aus Parapolis hinterher. Da war er, und an seiner Hand baumelte sein Drachenzahn! Kurz verfluchte er sich im Geiste selbst, dass er auf den Jungen hereingefallen war. Doch als er das Ziel des Jungen in einiger Entfernung sah, wusste er, was hier gespielt wurde. Der alwische Hexer schien den Jungen wie ein Puppenspieler zu lenken.
„Was tust du da, alwischer Hund?“ brüllte Lorik den Hexenmeister an, der erst jetzt den Barbaren zu bemerken schien.
„Komm nicht näher, Wilder, oder es wird dein Tod sein!“ rief Calvaron zurück, als er sah, dass Lorik näher kam. Unbeeindruckt stapfte dieser weiter in die Richtung des Alwen, obwohl die Schmerzen in seinem Nacken immer stärker wurden. Als er noch etwa zehn Schritte vom Alwen entfernt war, verkrampften sich alle seine Muskeln und sein Nacken drohte zu bersten. Auch der Alwe schien sich für einen Moment nicht rühren zu können, gewann aber schnell wieder an Haltung. Lorik war rückwärts umgefallen. Ihm kam es so vor, als sei er gegen eine massive Wand aus Feuer gelaufen, die ihn zurückgeworfen hatte, obwohl nichts zu sehen war.
„Es sind die Runen meiner Brüder!“ lachte Calvaron voller Wahnsinn.
„Sie haben sie uns verpasst, damit ich niemals in deine Nähe kommen kann. Sie sollten verhindern, dass ich meinen Zahn zurückbekomme! Sie dachten, das würde mich davon abhalten, wieder zu dem zu werden, was ich einst war!“
„Wer bist du, alwischer Hund? Und was willst du mit meinem Talisman?“ brüllte Lorik, der immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag.
„Du kennst mich, Barbar, doch du hast meine wahre Gestalt niemals erkannt“, fauchte Calvaron.
„Ich bin ein Gott! Der Herr der Kälte und Herrscher über die schneebedeckten Länder Ions!“ Mit zugekniffenen Augen beobachtete Lorik, wie Hasabi direkt vor den bleichen Hexer trat und die Hand mit dem Drachenzahn, der plötzlich hell aufleuchtete, über seinen Kopf erhob. Mit großem Erstaunen sah Lorik, wie Hasabi Calvaron den Zahn mitten in sein kaltes Herz stach. Der Leib des Alwen zuckte unter heftigen Schmerzen zusammen. Die Schreie, die er aus Calvarons Mund hörte, erinnerten Lorik an die schrecklichen Todesschreie des Drachen, der in Korilion von den Alwonai getötet worden war. Der schmale Leib des Alwen sackte in sich zusammen. Ein letztes Zucken durchlief sein Rückgrat, dann stoppten die Schreie und es herrschte eine tödliche Stille.
Hasabi kam langsam wieder zu sich. Er sah den übergebeugten, regungslosen Körper Calvarons und erstarrte. Als er das Keuchen seines Freundes Lorik hörte, wandte er sich ab und trat zu dem großen Mann, der immer noch auf dem Boden lag. Hasabi half ihm aufzustehen. Mühevoll führte Hasabi den Barbaren zurück in die Höhle, als sie plötzlich ein schrilles, dem Wahnsinn entsprungenes Lachen vernahmen. So schnell sie konnten, wandten sie sich wieder dem Wald zu. Der vermeintliche Leichnam des Alwen zuckte und der bleiche, bläulich schimmernde Rücken des Alwen schien zu pulsieren, als ob sich unter seiner dünnen Haut etwas bewegte. Die Blätter, die um den Körper lagen, schienen unruhig zu zittern und die Schatten der Bäume wurden von einem fahlen Licht ausgelöscht, das von dem gerade niedergestreckten Leib Calvarons ausgesendet wurde. Mit einem schrecklichen Geräusch, das klang wie das Zerreißen der Glieder beim Vierteilen, richtete sich der Körper Calvarons auf und begann zu wachsen. Sein Gesicht hatte sich auf schreckliche Art verändert. Es hatte jetzt keine Ähnlichkeit mehr mit den makellosen Zügen eines Alwen, sondern glich eher der verzerrten Fratze eines Dämons aus dem tiefsten Abgrund.
„Erkennst du mich jetzt?“ schrie das sich umformende Wesen, das immer noch gewaltig an Größe zunahm.
„Ich bin es, dein Gott! Knie nieder!“ Das Gesicht wurde zu einer Schnauze, aus der lange weiß-blaue Zähne ragten, die dem Talisman glichen, den Lorik so lange getragen hatte. Hinter der Gestalt traten gewaltige weiße Schwingen hervor und die Hände und Füße des Alwen hatten sich in bizarre Krallen verwandelt. Auf der Brust des Wesens schimmerten hellgraue Schuppen, wie ungeschliffene Diamanten. Mit einem markerschütternden Schnauben beendete er seine Verwandlung. Vor ihnen stand ein dreißig Schritt hoher Drache, dessen gewaltige Hörner und Zähne seinen Anblick unerträglich machten. Sein Schatten hüllte Lorik und Hasabi in völlige Dunkelheit. Mit gefletschten Zähnen wogte er seinen langen reptilienhaften Hals vor den beiden Freunden hin und her, die die ganze Zeit wie gebannt zugesehen hatten. Als der Drachenhals mit einem ungeheuren Tempo nach vorne schnellte, um die beiden zu zerfetzen, stieß Lorik Hasabi zurück in die Höhle und hob das Schwert. Doch zu spät. Die spitzen Zähne bohrten sich in den Leib des Barbaren und der Drache schleuderte ihn durch die Luft. Aus den Bisswunden quoll Blut. Lorik schaute sich nach seinem Schwert um, das er durch den Ruck verloren hatte. Es lag für ihn unerreichbar zu Füßen des Drachen. Dieser trat langsam an den Barbaren heran und verspottete ihn mit einem reptilienhaften Lachen. Er stand jetzt direkt vor der Höhle, in der die Freunde übernachtet hatten. Mit einem schrillen Kampfschrei schoss Hasabi aus der Höhle hervor und rammte dem Drachen einen glühenden Stab in die Flanke. Das einfache Holz schob sich tief in das kalte Drachenfleisch und entlockte dem gewaltigen Rachen ein schmerzhaftes Fauchen. Der Drache drehte seinen langen Hals zu Hasabi, der sich gerade abgewandt hatte, um in den Wald zu fliehen. Die riesigen Nüstern des Drache stieben eisige Luft aus. Im letzten Moment hechtete Hasabi hinter einen Baum, als die Luft um ihn herum vom Atem des Drachen zu Eis erstarrte. Diesen Moment der Ablenkung nutzte Lorik, um sich das verlorene Schwert zurückzuholen. Als der Drache gerade seinen gehörnten Kopf wieder zu ihm herumdrehte, schlug Lorik zu, so fest er konnte. Das Schwert prallte klingend vom Hals der Bestie ab. Mit einem Kopfstoß schleuderte der Drache Lorik genau vor die kleine Höhle, in die sich der Barbar humpelnd zurückzog. Der Drache stürmte vor die Höhle und spie einige Male kräftig seinen tödlichen Atem hinein.
Hasabi, der das gesehen hatte, wusste, dass das das Ende des Barbaren gewesen sein musste. Angsterfüllt rannte Hasabi in den Wald und verfluchte sich dafür, dass er jemals die Stadt verlassen hatte. Obwohl er so schnell rannte wie es seine müden Beine zuließen, kam er nicht weit. Schnell legte sich der breite Schatten des Drachen über ihn und die Windstöße, die der riesige Drache mit seinen Flügeln erzeugte, wirbelten Blätter auf, die ihm in die Augen flogen. Er stürzte und krümmte sich vor Angst auf dem Boden zusammen. Plötzlich erklang ein dumpfes Geräusch, das sich mit dem Knacken und Brechen von Ästen und Stämmen vereinte. Als Hasabi in Todeserwartung über sich blickte, sah er den schrecklichen Drachenkopf, der sich vor Lachen auf und ab bewegte.
„Du Made wirst mein erster Diener sein! Durch mein Zeichen auf deiner Hand wirst du ewig mein willenloser Sklave sein! Also steh auf!“
„Nein!“ brüllte Hasabi, nahm einen Stein, der in seiner Nähe lag und schleuderte ihn dem Drachen an den Kopf. Dieser kicherte nur unbeeindruckt weiter und begann daraufhin in einer fremden Sprache eine Beschwörung zu flüstern. Hasabi spürte, wie sein Wille wieder aus seinem Körper verbannt wurde. Als sich sein Blick zu trüben begann, erkannte er gerade noch so, wie eine schleierhafte Gestalt auf den Rücken des Drachen sprang.
Es war Lorik, der sich breitbeinig zwischen die Schultern der Bestie stemmte und sein Schwert mit beiden Händen packte.
Der Drache war darauf nicht gefasst gewesen - mit einem gewaltigen Stich rammte der Barbar sein Schwert tief in den Drachenhals. Erschrocken, dass das Schwert überhaupt seine dicke Haut durchdringen konnte, schüttelte er den Barabaren ab und wand sich schließlich schmerzerfüllt auf dem Boden. Mit ungeheuer wilden Bewegungen schlug der Drache in seinem Todeskampf um sich, bis er schließlich bewegungslos liegen blieb. Langsam verwandelte sich der tote Drache wieder in die Gestalt des Alwen zurück, dem der blaue Drachenzahn aus der Brust ragte. Die Runenzeichnung war verschwunden, dafür hatte er gewaltige Wunden am Hals und an der Seite.
Hasabi wurde es schwarz vor den Augen - er fiel in den Schlamm. Als er nach einiger Zeit die Augen wieder aufschlug, sah er den toten Leib Cavalorns immer noch neben sich liegen, es war also kein Traum gewesen. In der Nähe saß der übel zugerichtete Lorik, der lächelte, als er sah, dass sich Hasabi erhob.
„Lorik!“ freute sich auch Hasabi und humpelte zu ihm rüber.
„Wie konntest du in der engen Höhle dem Frostatem der Bestie widerstehen?“
„Weiß du, als ich in die Höhle kam, war das Feuer fast heruntergebrannt. Ich warf mich auf den Boden und bedeckte meinen Leib schnell mit der glühenden Asche. Als ich spürte, dass der Drache aufgehört hatte, entzündete ich rasch ein neues Feuer und erhitzte die Klinge. Die Idee kam mir, nachdem ich gesehen hatte, wie einfach dein glühender Ast durch die Drachenhaut geglitten ist.“
„Jetzt hast du deine Rache!“ stellte Hasabi fest und blickte dabei noch einmal zum toten Calvaron hinüber.
„Ja, Osir ist erfreut!“ lächelte der Barbar, während ihm das Blut von den Lippen tropfte.
Montag, 9. Dezember 2024
Der Zahn des kalten Gottes - Kapitel 6: Eis und Blut
„Warum bist du nicht nach Parapolis zurückgekehrt, wie ich dir geraten hatte?“ fragte Lorik, als er das Kaninchenfleisch vom Feuer nahm.
„Calvaron kam noch einmal zu mir, als ich noch am Lagerfeuer saß und beschimpfte mich. Er hatte mir das Angebot gemacht, mich mitzunehmen, nach Norden, in ein besseres Leben… er meinte, ich hätte versagt.“
„Warum denkst du, dass im Norden ein besseres Leben auf dich wartet?“
„Ich weiß nicht“, gab Hasabi zu, „ich weiß nur, dass ich hier weg will! Die Stadt erscheint mir wie ein Gefängnis!“
„Warum bist du nicht einfach weggelaufen? Jeder Bürger darf doch, solange er kein Verbrechen begangen hat, die Stadt verlassen!“
„Ich hätte niemals gewusst, wie ich allein in den gefährlichen Wäldern und den einsamen Tälern überleben kann.“
„Und ich soll dich jetzt mitschleppen? Oder wie hast du dir das gedacht, Kleiner?“
Lorik gab Hasabi ein großes Stück des köstlich duftenden Kaninchenfleisches. Dieser bedankte sich mit einem Nicken und biss ein großes Stück davon ab.
„Du willst doch in deine Heimat zurück, oder nicht? Zu zweit wandert es sich leichter! Ich beschaffe uns das nötige Geld in den Städten und du führst uns sicher durch die Wildnis.“ „Du gehörst nicht nach Yarwaques Hand Junge! Das ist ein raues Land! Und außerdem lässt du das mit dem Stehlen lieber bleiben, ich will keinen Ärger in Agilis oder Bel bekommen!“
„Soll das heißen, ich darf dich begleiten?“
„Was soll ich denn sonst machen? Du läufst mir doch wieder nur halb verhungert hinterher! Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob dir das Leben im Norden gut bekommen wird!“
„Das werden wir dann ja sehen!“ lächelte Hasabi. Er wusste, dass für ihn an diesem Tag ein neuer Abschnitt in seinem Leben begonnen hatte.
„Lorik, erzähl von deiner Heimat!“
„Manche würden sagen, es ist nur ein kalter, leerer Felsen, ein Stück unzivilisierte Wildnis. Aber es gibt wunderschöne Plätze in diesem Land. Meine Leute, die Gjölnar, sind Krieger und Jäger. Sie verehren den Gott des Mutes, Osir, der die Tapferen nach dem Tode in seinem himmlischen Heer begrüßt. Meine Sippe lebte im nördlichsten Teil des Landes, am Fuße gewaltiger, schneebedeckter Berge. Die Luft da oben ist kalt und klar und zeigt dir, dass du lebst. Hier unten in den südlichen Gefilden Thaliens drückt dir die Sonne den Geist zusammen.“
„Du hast gesagt, nichts hätte dich mehr im Norden gehalten. Was ist geschehen?“
„Eines Tages kam ein junger Krieger von den Khor’Limrik, einer anderen Gjölnarsippe, die in den Bergen lebte. Der Kerl sah ziemlich fertig aus und verbreitete das Gerücht in unserer Siedlung, ein gewaltiger weißer Eisdrache, wie Ion ihn noch nie gesehen hätte, hätte seine Leute ausgelöscht. Er beschwor uns, mit ihm nach Süden zu fliehen und uns mit weiteren Brüdern gegen den Drachen zu stellen. Wir lachten über das Geschwätz des Zerlumpten und warfen ihn aus unserer Siedlung. Oft hatten wir Zwist mit den Khor’Limrik, und wir hielten das Gerede für einen Trick, um uns aus unserem Land zu vertreiben. Wir hätten besser auf ihn gehört …“, bei diesen Worten neigte Lorik den Kopf und strich sich gedankenverloren durch den kurzen, stoppligen Bart.
„Zwei Wochen später kam ich mit einer Gruppe von fünf Kriegern erfolgreich von der Bärenjagd zurück. Wir hatten drei mächtige Braunbären und sogar einen Schwarzbären erlegt und ihnen das wertvolle Fell abgezogen!“ lachte Lorik.
„Von weitem sah unsre Siedlung ganz friedlich aus. Als wir aber durch das Palisadentor schritten, sahen wir, dass unsere Sippe ausgelöscht worden war. Überall lagen die zerfetzten Leiber unserer Lieben. Keiner hatte den Angriff überlebt. Die Spuren im Schnee und an den Leichen zeigten, dass der junge Krieger der Khor’Limrik recht gehabt hatte. Es war ein gewaltiger Drache, der das angerichtet hatte.“
„Ich wusste nicht, dass es wirklich Drachen gibt!“ staunte Hasabi, schien aber auch ein wenig erschrocken zu sein.
„Ja, aber kein andrer Drache ist eine solche Bestie! In der folgenden Zeit fielen immer mehr Dörfer dem Drachen zum Opfer und wir formten eine Gruppe aus den tapfersten unserer Krieger, die den Drachen jagen und töten sollten. Unser Anführer war der junge, aber mutige Rahtak, der Letzte der Khor’Limrik. Als er fiel, übernahm ich seinen Posten bei der Jagd. Drei Jahre lang waren wir dieser Bestie auf der Spur. Viele unserer Mannschaft mussten mit ihrem Leben bezahlen. Der Drache nahm allen meiner Sippe, außer mir und meinem jüngsten Bruder, der nicht stark genug für eine solche Jagd war, das Leben. Viele weitere Dörfer fielen auch zu dieser Zeit noch dem Monster zum Opfer. Es war ein dreißig Schritt hoher weißer Drache, mit gewaltigen durchscheinenden Schwingen und Schuppen, die so dick waren, dass das schärfste Schwert sie kaum durchdringen konnte. Nach einem Jahr gesellte sich eine Gruppe der seltsamen Alwonai-Spitzohren zu unserer Jagdgesellschaft. Ihre Bögen waren unseren weit überlegen, also nahmen wir sie in unseren Reihen auf. Im dritten Jahr dann war es endlich so weit. Durch einige glückliche Umstände konnten wir dem Drachen eine Falle stellen und ihn so verletzen, dass er sich kaum noch zu rühren im Stande war. Gerade als wir dem Ungetüm zu Leibe rücken und ihm den Garaus machen wollten, schritten die Alwen ein. Sie meinten, der Drache sei zwar wahnsinnig, aber trotzdem sei er ein Bote der Frosthirtin Nivie. Sie sagten, sie müssten ihn mitnehmen nach Korilion, um ihn dort rituell zu töten, um die Göttin nicht zu erzürnen. Wie du dir denken kannst, waren wir damit nicht zufrieden. Wir wollten den Drachen tot sehen, der uns so viel Leid gebracht hatte. Die Alwonai machten das Angebot, uns mit Schätzen zu entschädigen, was einige der Gruppe von ihrer starren Haltung abbrachte, mich jedoch nicht. So erlaubten die seltsamen Spitzohren mir, mit ihnen nach Korilion zu kommen, wo der Drache getötet werden sollte.“
„Und wie haben die Alwen den Drachen dann getötet?“ fragte Hasabi neugierig.
„Ich weiß es nicht so genau, sie hatten ihn in einer riesigen Höhle angekettet und Priester standen um ihn herum … bei dem Ritual durfte ich selbst nicht zusehen, was mich damals sehr sauer gemacht hat. Das einzig Zufriedenstellende waren die furchtbaren Schmerzensschreie der Bestie, die ich hörte, als ich vor dem Tor der Halle wartete. Als ich die Halle betrat, war der Drache weg. Irgendeine Hexerei der Alwen hatte ihn verschwinden lassen, denn außer dem Tor, vor dem ich wartete, gab es keinen Ausgang aus der Höhle, der groß genug für den Drachen gewesen wäre. Das Einzige, was ich danach jemals wieder von diesem Drachen sah, war dieser Zahn …“
Lorik hielt Hasabi den glitzernden Talisman vor Augen.
„Was hast du dann gemacht?“ wollte Hasabi wissen.
„Ich wollte mit dem Gold und den Edelsteinen nach Süden gehen und hier in Thalien mein Glück versuchen, doch zunächst drängten mich die Alwen bei ihnen zu bleiben. Ich wurde dort sehr gut behandelt und sie ritzten mir seltsame Zeichen in die Haut, die mich schützen sollten …“ bei diesen Worten beugte sich Lorik nach vorne und strich seine Haare über seinen Kopf, so dass Hasabi Loriks Nacken gut sehen konnte. Da war ein kreisrundes Symbol, das dem auf seinem Handrücken nicht unähnlich sah.
„Ich habe auch so ein Zeichen von Calvaron bekommen!“ bemerkte Hasabi und streckte Lorik seine bemalte Hand entgegen.
„Hat er dir auch erzählt, dass es dich schützen soll?“ fragte Lorik. Hasabi nickte.
„Das kannst du vergessen!“ bemerkte Lorik, „mich hat es vor gar nichts geschützt! Aber vor allem hat es mich nicht vor der Schmach beschützt, dass ich selbst keine Rache nehmen konnte! Für einen Krieger Osirs ist das mit das Schlimmste überhaupt, seiner Chance zur Rache beraubt zu sein. Deshalb hasse ich die Alwen. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin: ein Säufer und Taugenichts, der sich Frauen kauft, ob hübsch oder hässlich.“ Lorik schüttelte von dieser Erinnerung angewidert den Kopf und starrte wie am Abend zuvor ins Feuer.
„Aber warum wollen die Alwen den Zahn zurück?“ fragte Hasabi mehr sich selbst als den in Gedanken versunkenen Barbaren.
„Vielleicht ist ihnen zu Ohren gekommen, dass ich mich etwas unfein verhalten habe und sie meinen, mir gebühre deshalb nicht mehr die Ehre, einen Drachenzahn, ein Symbol ihrer Göttin, weiterhin zu tragen.“
Hasabi gähnte und streckte sich. Es war spät geworden und der Tag hatte ihn ziemlich mitgenommen.
„Ich übernehme die erste Wache“, sagte Lorik, was Hasabi sich nicht lange sagen ließ. Wenige Stunden später weckte der Barbar den Jungen aus einem eigenartigen, aber nicht unangenehmen Traum. Hasabi war noch immer müde, doch er schwor sich, über seinen neu gewonnen Freund zu wachen und nicht wieder einzuschlafen.
„Calvaron kam noch einmal zu mir, als ich noch am Lagerfeuer saß und beschimpfte mich. Er hatte mir das Angebot gemacht, mich mitzunehmen, nach Norden, in ein besseres Leben… er meinte, ich hätte versagt.“
„Warum denkst du, dass im Norden ein besseres Leben auf dich wartet?“
„Ich weiß nicht“, gab Hasabi zu, „ich weiß nur, dass ich hier weg will! Die Stadt erscheint mir wie ein Gefängnis!“
„Warum bist du nicht einfach weggelaufen? Jeder Bürger darf doch, solange er kein Verbrechen begangen hat, die Stadt verlassen!“
„Ich hätte niemals gewusst, wie ich allein in den gefährlichen Wäldern und den einsamen Tälern überleben kann.“
„Und ich soll dich jetzt mitschleppen? Oder wie hast du dir das gedacht, Kleiner?“
Lorik gab Hasabi ein großes Stück des köstlich duftenden Kaninchenfleisches. Dieser bedankte sich mit einem Nicken und biss ein großes Stück davon ab.
„Du willst doch in deine Heimat zurück, oder nicht? Zu zweit wandert es sich leichter! Ich beschaffe uns das nötige Geld in den Städten und du führst uns sicher durch die Wildnis.“ „Du gehörst nicht nach Yarwaques Hand Junge! Das ist ein raues Land! Und außerdem lässt du das mit dem Stehlen lieber bleiben, ich will keinen Ärger in Agilis oder Bel bekommen!“
„Soll das heißen, ich darf dich begleiten?“
„Was soll ich denn sonst machen? Du läufst mir doch wieder nur halb verhungert hinterher! Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob dir das Leben im Norden gut bekommen wird!“
„Das werden wir dann ja sehen!“ lächelte Hasabi. Er wusste, dass für ihn an diesem Tag ein neuer Abschnitt in seinem Leben begonnen hatte.
„Lorik, erzähl von deiner Heimat!“
„Manche würden sagen, es ist nur ein kalter, leerer Felsen, ein Stück unzivilisierte Wildnis. Aber es gibt wunderschöne Plätze in diesem Land. Meine Leute, die Gjölnar, sind Krieger und Jäger. Sie verehren den Gott des Mutes, Osir, der die Tapferen nach dem Tode in seinem himmlischen Heer begrüßt. Meine Sippe lebte im nördlichsten Teil des Landes, am Fuße gewaltiger, schneebedeckter Berge. Die Luft da oben ist kalt und klar und zeigt dir, dass du lebst. Hier unten in den südlichen Gefilden Thaliens drückt dir die Sonne den Geist zusammen.“
„Du hast gesagt, nichts hätte dich mehr im Norden gehalten. Was ist geschehen?“
„Eines Tages kam ein junger Krieger von den Khor’Limrik, einer anderen Gjölnarsippe, die in den Bergen lebte. Der Kerl sah ziemlich fertig aus und verbreitete das Gerücht in unserer Siedlung, ein gewaltiger weißer Eisdrache, wie Ion ihn noch nie gesehen hätte, hätte seine Leute ausgelöscht. Er beschwor uns, mit ihm nach Süden zu fliehen und uns mit weiteren Brüdern gegen den Drachen zu stellen. Wir lachten über das Geschwätz des Zerlumpten und warfen ihn aus unserer Siedlung. Oft hatten wir Zwist mit den Khor’Limrik, und wir hielten das Gerede für einen Trick, um uns aus unserem Land zu vertreiben. Wir hätten besser auf ihn gehört …“, bei diesen Worten neigte Lorik den Kopf und strich sich gedankenverloren durch den kurzen, stoppligen Bart.
„Zwei Wochen später kam ich mit einer Gruppe von fünf Kriegern erfolgreich von der Bärenjagd zurück. Wir hatten drei mächtige Braunbären und sogar einen Schwarzbären erlegt und ihnen das wertvolle Fell abgezogen!“ lachte Lorik.
„Von weitem sah unsre Siedlung ganz friedlich aus. Als wir aber durch das Palisadentor schritten, sahen wir, dass unsere Sippe ausgelöscht worden war. Überall lagen die zerfetzten Leiber unserer Lieben. Keiner hatte den Angriff überlebt. Die Spuren im Schnee und an den Leichen zeigten, dass der junge Krieger der Khor’Limrik recht gehabt hatte. Es war ein gewaltiger Drache, der das angerichtet hatte.“
„Ich wusste nicht, dass es wirklich Drachen gibt!“ staunte Hasabi, schien aber auch ein wenig erschrocken zu sein.
„Ja, aber kein andrer Drache ist eine solche Bestie! In der folgenden Zeit fielen immer mehr Dörfer dem Drachen zum Opfer und wir formten eine Gruppe aus den tapfersten unserer Krieger, die den Drachen jagen und töten sollten. Unser Anführer war der junge, aber mutige Rahtak, der Letzte der Khor’Limrik. Als er fiel, übernahm ich seinen Posten bei der Jagd. Drei Jahre lang waren wir dieser Bestie auf der Spur. Viele unserer Mannschaft mussten mit ihrem Leben bezahlen. Der Drache nahm allen meiner Sippe, außer mir und meinem jüngsten Bruder, der nicht stark genug für eine solche Jagd war, das Leben. Viele weitere Dörfer fielen auch zu dieser Zeit noch dem Monster zum Opfer. Es war ein dreißig Schritt hoher weißer Drache, mit gewaltigen durchscheinenden Schwingen und Schuppen, die so dick waren, dass das schärfste Schwert sie kaum durchdringen konnte. Nach einem Jahr gesellte sich eine Gruppe der seltsamen Alwonai-Spitzohren zu unserer Jagdgesellschaft. Ihre Bögen waren unseren weit überlegen, also nahmen wir sie in unseren Reihen auf. Im dritten Jahr dann war es endlich so weit. Durch einige glückliche Umstände konnten wir dem Drachen eine Falle stellen und ihn so verletzen, dass er sich kaum noch zu rühren im Stande war. Gerade als wir dem Ungetüm zu Leibe rücken und ihm den Garaus machen wollten, schritten die Alwen ein. Sie meinten, der Drache sei zwar wahnsinnig, aber trotzdem sei er ein Bote der Frosthirtin Nivie. Sie sagten, sie müssten ihn mitnehmen nach Korilion, um ihn dort rituell zu töten, um die Göttin nicht zu erzürnen. Wie du dir denken kannst, waren wir damit nicht zufrieden. Wir wollten den Drachen tot sehen, der uns so viel Leid gebracht hatte. Die Alwonai machten das Angebot, uns mit Schätzen zu entschädigen, was einige der Gruppe von ihrer starren Haltung abbrachte, mich jedoch nicht. So erlaubten die seltsamen Spitzohren mir, mit ihnen nach Korilion zu kommen, wo der Drache getötet werden sollte.“
„Und wie haben die Alwen den Drachen dann getötet?“ fragte Hasabi neugierig.
„Ich weiß es nicht so genau, sie hatten ihn in einer riesigen Höhle angekettet und Priester standen um ihn herum … bei dem Ritual durfte ich selbst nicht zusehen, was mich damals sehr sauer gemacht hat. Das einzig Zufriedenstellende waren die furchtbaren Schmerzensschreie der Bestie, die ich hörte, als ich vor dem Tor der Halle wartete. Als ich die Halle betrat, war der Drache weg. Irgendeine Hexerei der Alwen hatte ihn verschwinden lassen, denn außer dem Tor, vor dem ich wartete, gab es keinen Ausgang aus der Höhle, der groß genug für den Drachen gewesen wäre. Das Einzige, was ich danach jemals wieder von diesem Drachen sah, war dieser Zahn …“
Lorik hielt Hasabi den glitzernden Talisman vor Augen.
„Was hast du dann gemacht?“ wollte Hasabi wissen.
„Ich wollte mit dem Gold und den Edelsteinen nach Süden gehen und hier in Thalien mein Glück versuchen, doch zunächst drängten mich die Alwen bei ihnen zu bleiben. Ich wurde dort sehr gut behandelt und sie ritzten mir seltsame Zeichen in die Haut, die mich schützen sollten …“ bei diesen Worten beugte sich Lorik nach vorne und strich seine Haare über seinen Kopf, so dass Hasabi Loriks Nacken gut sehen konnte. Da war ein kreisrundes Symbol, das dem auf seinem Handrücken nicht unähnlich sah.
„Ich habe auch so ein Zeichen von Calvaron bekommen!“ bemerkte Hasabi und streckte Lorik seine bemalte Hand entgegen.
„Hat er dir auch erzählt, dass es dich schützen soll?“ fragte Lorik. Hasabi nickte.
„Das kannst du vergessen!“ bemerkte Lorik, „mich hat es vor gar nichts geschützt! Aber vor allem hat es mich nicht vor der Schmach beschützt, dass ich selbst keine Rache nehmen konnte! Für einen Krieger Osirs ist das mit das Schlimmste überhaupt, seiner Chance zur Rache beraubt zu sein. Deshalb hasse ich die Alwen. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin: ein Säufer und Taugenichts, der sich Frauen kauft, ob hübsch oder hässlich.“ Lorik schüttelte von dieser Erinnerung angewidert den Kopf und starrte wie am Abend zuvor ins Feuer.
„Aber warum wollen die Alwen den Zahn zurück?“ fragte Hasabi mehr sich selbst als den in Gedanken versunkenen Barbaren.
„Vielleicht ist ihnen zu Ohren gekommen, dass ich mich etwas unfein verhalten habe und sie meinen, mir gebühre deshalb nicht mehr die Ehre, einen Drachenzahn, ein Symbol ihrer Göttin, weiterhin zu tragen.“
Hasabi gähnte und streckte sich. Es war spät geworden und der Tag hatte ihn ziemlich mitgenommen.
„Ich übernehme die erste Wache“, sagte Lorik, was Hasabi sich nicht lange sagen ließ. Wenige Stunden später weckte der Barbar den Jungen aus einem eigenartigen, aber nicht unangenehmen Traum. Hasabi war noch immer müde, doch er schwor sich, über seinen neu gewonnen Freund zu wachen und nicht wieder einzuschlafen.
Der Zahn des kalten Gottes - Kapitel 5: Wilde Freunde
Als Hasabi erwachte, war der Barbar verschwunden und das Feuer fast komplett heruntergebrannt. Der junge Dieb sah, dass Lorik ihm etwas von seinem Proviant dagelassen hatte. Hasabi streckte sich und schüttelte den Tau von seiner Tunika. Er aß das Brot und das kleine Stück Fleisch und überlegte dabei, was er nun tun sollte. Sollte er nach Parapolis zurückkehren, in sein altes Leben? Aber was war dann mit Calvaron und der Reliquie? Lorik hatte behauptet, der Talisman sei ein Geschenk gewesen. Vielleicht hatte dieser Barbar den Drachenzahn von einem anderen Wilden geschenkt bekommen, der ihn den Alwonai entwendet hatte?
„Guten Morgen, mein Junge!“ ertönte plötzlich eine Stimme. Hasabi sah überrascht auf und erblickte Calvaron. Der Alwe hatte sein Pferd in einiger Entfernung an einen Baum gebunden und war in seinen dunklen Kapuzenumhang gehüllt durch das Dickicht geschlichen. Es erstaunte Hasabi aufs Neue, wie geschickt sich der Alwe bewegen konnte, ohne jegliches Geräusch zu machen.
„Ich bin froh, dass dich der Barbar nicht getötet hat …, aber du hast deine Aufgabe nicht erfüllt!“
„Er wusste, dass er verfolgt wird!“ unterbrach Hasabi den Alwen und schaute sich suchend um.
„Der Barbar ist längst nach Osten verschwunden … ich habe gesehen, wie er aufgebrochen ist! Nun …“ fuhr der Alwe fort und blickte Hasabi zum ersten Mal verärgert an.
„… ich werde in die Stadt zurückkehren und einen besseren Dieb suchen, ich hätte mir gleich denken können, dass du versagen würdest, als du es nicht einmal geschafft hast, mir meinen Dolch zu stehlen. So einen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen!“
Bei diesen Worten drehte sich Calvaron um und beeilte sich zu seinem Pferd zurückzukehren.
„Aber, was soll ich denn jetzt machen?“ rief Hasabi Calvaron fragend hinterher.
Der Alwe stieg unbeeindruckt auf sein Pferd.
„Geh zurück in diese armselige Stadt und lebe weiter wie eine Ratte!“ rief der Alwe und machte keine Anstalten, auf den Jungen zu warten.
Als Hasabi sah, dass Calvaron nicht vorhatte, ihn in wieder mit in die Stadt zu nehmen, setzte er sich wieder auf den Platz, wo er am Abend zuvor eingeschlafen war. Hasabi fühlte sich, als sei ihm die Chance seines Lebens entgangen. Als er niedergeschlagen auf die Asche des niedergebrannten Feuers blickte, erinnerte er sich daran, was er Lorik vor dem Einschlafen gefragt hatte. Er hatte ihn gefragt, ob er wieder zu seinem alten Leben zurückkehren wollte. Obwohl Lorik nichts geantwortet hatte, wusste Hasabi, dass das das Ziel des großen Mannes war. Vielleicht war das seine Chance. Auf seinem Weg musste der Barbar durch alle Reiche Thaliens ziehen … ja, vielleicht war Lorik und nicht Calvaron der Mann, der ihm half, aus dem 'Rattenleben', wie Calvaron gesagt hatte, herauszukommen.
Hasabi stand auf. Calvaron hatte etwas davon gesagt, dass Lorik nach Osten gegangen war. Das bedeutete, dass er die Straße verlassen haben musste, die weiter in nördlicher Richtung zu den Bergen von Skilis führte. Hasabi holte seinen Dolch, den er bei seinem Versuch, den Drachenzahn zu stehlen, verloren hatte und suchte sich einen Weg durch das Dickicht des skilischen Waldes. Hin und wieder fand Hasabi Spuren des Barbaren, der anscheinend nicht damit rechnete, dass ihm jemand folgen würde. Als Hasabi die Spuren des Kriegers verlor, war es bereits später Nachmittag. Wolken verdunkelten den Himmel und Hasabis Bauch knurrte vor Hunger. Wenn er den Barbaren nicht bald fand, würde er ein paar der Beeren essen müssen, die er gefunden hatte, obwohl er nicht wusste, ob diese giftig waren oder nicht. Er wollte lieber mit dem süßlichen Geschmack von Beeren im Mund als an Hunger sterben. Bald begann es zu regnen und er hatte Mühe, sich durch den schlammigen Wald zu bewegen. Ab und an versackte er bis an die Gürtellinie und konnte sich nur mit allergrößter Mühe wieder befreien. Keuchend setzte sich Hasabi unter einen alten, schief gewachsenen Baum, dessen Namen er nicht kannte und aß die Beeren. Sie schmeckten süßlich, wie er gehofft hatte. Sie waren nicht giftig, jedoch tat ihm der Bauch ein wenig weh, nachdem er Wasser aus einem großen Blatt getrunken hatte, das in der Nähe des alten Baumes im Wind schaukelte. Langsam riss die Wolkendecke wieder auf und die rote Färbung, die der Himmel dahinter angenommen hatte, zeigte, dass auch dieser Tag sich seinem Ende zuneigte.
Als der Regen langsam aufhörte, saß Hasabi immer noch unter dem alten knorrigen Baum und schaute sich um. Der Regen hatte seine Kleider durchnässt. Hasabi fror am ganzen Leib. Plötzlich erhob sich im Wald ein lautes Gebrüll. Der junge Jujin, der nur selten die Stadt in seinem Leben verlassen hatte, hatte so etwas noch nie gehört. Er stellte sich vor, dass seltsame wilde Tiere mit blutunterlaufenen Augen und grässlichen Zähnen nach ihm suchten, um ihn zu zerreißen. Wie gelähmt saß er da und blickte ins Leere. Zuerst wollte er auf den Baum klettern, doch dann erinnerte er sich an Geschichten, in denen haarige Waldwesen vorkamen, die in den Kronen der Bäume nach ihrer Beute jagten. Ein Knacken hinter ihm ließ Hasabi herumfahren. Er sah nichts, nur die Farne und Bäume, die sich sanft im leichten Wind wiegten, der aufgekommen war. Als er seinen Kopf gerade wieder zurückdrehte, sah er einen gewaltigen Schatten über sich.
Lorik stand mit gespreizten Beinen, gezogenem Schwert und wehender Mähne über ihm und hätte Hasabi das Blut gefrieren lassen, wenn der Barbar nicht ein breites Lächeln auf dem Gesicht getragen hätte. Seine Augen zeigten dem kleinen Jujin, dass der Barbar sehr erstaunt darüber war, den Jungen wiederzusehen.
„Was soll das?“ fragte Lorik und setzte sich neben den immer noch zitternden Jungen.
„Du musst ja ganz schön was angebotenen bekommen haben, wenn du diese Strapazen hier auf dich nimmst!“
„Das Angebot gilt nicht mehr!“ brachte Hasabi durch seine zitternden Lippen hervor.
„Also hatte ich doch recht, dich hat jemand geschickt!“ Hasabi blickte Lorik an. Wenn er ihn begleiten wollte, wusste er, dass er ehrlich sein musste. In den Augen des Gjölnar sah er keine Schlechtigkeit und Calvaron schuldete er nichts.
„Ein Alwe namens Calvaron hat mich geschickt“, sagte Hasabi, was Lorik interessiert aufhorchen ließ.
„In einer Taverne in Bel erzählte mir einst eine Dirne, dass ein seltsam blasser Reisender aus dem Norden nach mir gefragt hatte. Danach war mir einmal in Agilis, als ob mich eine verhüllte Gestalt verfolgen würde. Wer weiß, wer dieser Alwenhexer ist, und was er von mir will!“
„Er erzählte mir, du hättest den Drachenzahn auf einem Raubzug in Korilion erbeutet. Calvaron behauptete, ein Priester der Göttin Nivie zu sein, der im Auftrag gekommen sei, den Zahn, das heilige Symbol dieser Göttin, zurückzuholen.“
„Diese verdammten Alwen!“ spuckte Lorik aus.
„Komm, Junge, wir müssen einen Unterschlupf für die Nacht finden. In diesem Wald ist es mir nicht so recht geheuer und außerdem siehst du aus, als könntest du was zwischen die Rippen vertragen.“
Kurz bevor die Nacht sich über den Wald senkte, fanden die beiden eine kleine Höhle, die nicht mehr war als ein größerer Felsspalt. Schnell entzündete Lorik mit einem Feuerstein und Zunder, den er aus einer Gürteltasche holte, ein Feuer und beauftragte Hasabi damit, in der Nähe der Höhle möglichst trockenes Holz für die Nacht zu suchen. Während Hasabi die wenigen halbwegs trockenen Äste zusammentrug, die er finden konnte, ging Lorik mit einem angespitzten Stock als Speer auf die Jagd. Nach einer Weile kam der Barbar mit einem toten Kaninchen in der Hand zur Höhle zurück. Die Nacht war stockdunkel. Wolken verdeckten wieder den Himmel und ließen das schwache Licht der Sterne nicht hindurch. In der Ferne kündete ein dumpfes Grollen von einem gewaltigen Sturm, der bald den Wald peitschen würde. Lorik und Hasabi zogen sich in die kleine, vom Lagerfeuer erhellte Höhle zurück. Lorik lieh sich Hasabis Dolch und begann damit, dem Kaninchen das Fell abzuziehen. Nachdem er es ausgenommen hatte, spießte er das Fleisch auf einen Stock und hielt es über das Feuer. Das wärmende Feuer vertrieb die Kälte aus Hasabis Körper und ließ auch seine Angst schwinden.
Er wusste, mit Lorik an seiner Seite konnte ihm nichts geschehen.
„Guten Morgen, mein Junge!“ ertönte plötzlich eine Stimme. Hasabi sah überrascht auf und erblickte Calvaron. Der Alwe hatte sein Pferd in einiger Entfernung an einen Baum gebunden und war in seinen dunklen Kapuzenumhang gehüllt durch das Dickicht geschlichen. Es erstaunte Hasabi aufs Neue, wie geschickt sich der Alwe bewegen konnte, ohne jegliches Geräusch zu machen.
„Ich bin froh, dass dich der Barbar nicht getötet hat …, aber du hast deine Aufgabe nicht erfüllt!“
„Er wusste, dass er verfolgt wird!“ unterbrach Hasabi den Alwen und schaute sich suchend um.
„Der Barbar ist längst nach Osten verschwunden … ich habe gesehen, wie er aufgebrochen ist! Nun …“ fuhr der Alwe fort und blickte Hasabi zum ersten Mal verärgert an.
„… ich werde in die Stadt zurückkehren und einen besseren Dieb suchen, ich hätte mir gleich denken können, dass du versagen würdest, als du es nicht einmal geschafft hast, mir meinen Dolch zu stehlen. So einen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen!“
Bei diesen Worten drehte sich Calvaron um und beeilte sich zu seinem Pferd zurückzukehren.
„Aber, was soll ich denn jetzt machen?“ rief Hasabi Calvaron fragend hinterher.
Der Alwe stieg unbeeindruckt auf sein Pferd.
„Geh zurück in diese armselige Stadt und lebe weiter wie eine Ratte!“ rief der Alwe und machte keine Anstalten, auf den Jungen zu warten.
Als Hasabi sah, dass Calvaron nicht vorhatte, ihn in wieder mit in die Stadt zu nehmen, setzte er sich wieder auf den Platz, wo er am Abend zuvor eingeschlafen war. Hasabi fühlte sich, als sei ihm die Chance seines Lebens entgangen. Als er niedergeschlagen auf die Asche des niedergebrannten Feuers blickte, erinnerte er sich daran, was er Lorik vor dem Einschlafen gefragt hatte. Er hatte ihn gefragt, ob er wieder zu seinem alten Leben zurückkehren wollte. Obwohl Lorik nichts geantwortet hatte, wusste Hasabi, dass das das Ziel des großen Mannes war. Vielleicht war das seine Chance. Auf seinem Weg musste der Barbar durch alle Reiche Thaliens ziehen … ja, vielleicht war Lorik und nicht Calvaron der Mann, der ihm half, aus dem 'Rattenleben', wie Calvaron gesagt hatte, herauszukommen.
Hasabi stand auf. Calvaron hatte etwas davon gesagt, dass Lorik nach Osten gegangen war. Das bedeutete, dass er die Straße verlassen haben musste, die weiter in nördlicher Richtung zu den Bergen von Skilis führte. Hasabi holte seinen Dolch, den er bei seinem Versuch, den Drachenzahn zu stehlen, verloren hatte und suchte sich einen Weg durch das Dickicht des skilischen Waldes. Hin und wieder fand Hasabi Spuren des Barbaren, der anscheinend nicht damit rechnete, dass ihm jemand folgen würde. Als Hasabi die Spuren des Kriegers verlor, war es bereits später Nachmittag. Wolken verdunkelten den Himmel und Hasabis Bauch knurrte vor Hunger. Wenn er den Barbaren nicht bald fand, würde er ein paar der Beeren essen müssen, die er gefunden hatte, obwohl er nicht wusste, ob diese giftig waren oder nicht. Er wollte lieber mit dem süßlichen Geschmack von Beeren im Mund als an Hunger sterben. Bald begann es zu regnen und er hatte Mühe, sich durch den schlammigen Wald zu bewegen. Ab und an versackte er bis an die Gürtellinie und konnte sich nur mit allergrößter Mühe wieder befreien. Keuchend setzte sich Hasabi unter einen alten, schief gewachsenen Baum, dessen Namen er nicht kannte und aß die Beeren. Sie schmeckten süßlich, wie er gehofft hatte. Sie waren nicht giftig, jedoch tat ihm der Bauch ein wenig weh, nachdem er Wasser aus einem großen Blatt getrunken hatte, das in der Nähe des alten Baumes im Wind schaukelte. Langsam riss die Wolkendecke wieder auf und die rote Färbung, die der Himmel dahinter angenommen hatte, zeigte, dass auch dieser Tag sich seinem Ende zuneigte.
Als der Regen langsam aufhörte, saß Hasabi immer noch unter dem alten knorrigen Baum und schaute sich um. Der Regen hatte seine Kleider durchnässt. Hasabi fror am ganzen Leib. Plötzlich erhob sich im Wald ein lautes Gebrüll. Der junge Jujin, der nur selten die Stadt in seinem Leben verlassen hatte, hatte so etwas noch nie gehört. Er stellte sich vor, dass seltsame wilde Tiere mit blutunterlaufenen Augen und grässlichen Zähnen nach ihm suchten, um ihn zu zerreißen. Wie gelähmt saß er da und blickte ins Leere. Zuerst wollte er auf den Baum klettern, doch dann erinnerte er sich an Geschichten, in denen haarige Waldwesen vorkamen, die in den Kronen der Bäume nach ihrer Beute jagten. Ein Knacken hinter ihm ließ Hasabi herumfahren. Er sah nichts, nur die Farne und Bäume, die sich sanft im leichten Wind wiegten, der aufgekommen war. Als er seinen Kopf gerade wieder zurückdrehte, sah er einen gewaltigen Schatten über sich.
Lorik stand mit gespreizten Beinen, gezogenem Schwert und wehender Mähne über ihm und hätte Hasabi das Blut gefrieren lassen, wenn der Barbar nicht ein breites Lächeln auf dem Gesicht getragen hätte. Seine Augen zeigten dem kleinen Jujin, dass der Barbar sehr erstaunt darüber war, den Jungen wiederzusehen.
„Was soll das?“ fragte Lorik und setzte sich neben den immer noch zitternden Jungen.
„Du musst ja ganz schön was angebotenen bekommen haben, wenn du diese Strapazen hier auf dich nimmst!“
„Das Angebot gilt nicht mehr!“ brachte Hasabi durch seine zitternden Lippen hervor.
„Also hatte ich doch recht, dich hat jemand geschickt!“ Hasabi blickte Lorik an. Wenn er ihn begleiten wollte, wusste er, dass er ehrlich sein musste. In den Augen des Gjölnar sah er keine Schlechtigkeit und Calvaron schuldete er nichts.
„Ein Alwe namens Calvaron hat mich geschickt“, sagte Hasabi, was Lorik interessiert aufhorchen ließ.
„In einer Taverne in Bel erzählte mir einst eine Dirne, dass ein seltsam blasser Reisender aus dem Norden nach mir gefragt hatte. Danach war mir einmal in Agilis, als ob mich eine verhüllte Gestalt verfolgen würde. Wer weiß, wer dieser Alwenhexer ist, und was er von mir will!“
„Er erzählte mir, du hättest den Drachenzahn auf einem Raubzug in Korilion erbeutet. Calvaron behauptete, ein Priester der Göttin Nivie zu sein, der im Auftrag gekommen sei, den Zahn, das heilige Symbol dieser Göttin, zurückzuholen.“
„Diese verdammten Alwen!“ spuckte Lorik aus.
„Komm, Junge, wir müssen einen Unterschlupf für die Nacht finden. In diesem Wald ist es mir nicht so recht geheuer und außerdem siehst du aus, als könntest du was zwischen die Rippen vertragen.“
Kurz bevor die Nacht sich über den Wald senkte, fanden die beiden eine kleine Höhle, die nicht mehr war als ein größerer Felsspalt. Schnell entzündete Lorik mit einem Feuerstein und Zunder, den er aus einer Gürteltasche holte, ein Feuer und beauftragte Hasabi damit, in der Nähe der Höhle möglichst trockenes Holz für die Nacht zu suchen. Während Hasabi die wenigen halbwegs trockenen Äste zusammentrug, die er finden konnte, ging Lorik mit einem angespitzten Stock als Speer auf die Jagd. Nach einer Weile kam der Barbar mit einem toten Kaninchen in der Hand zur Höhle zurück. Die Nacht war stockdunkel. Wolken verdeckten wieder den Himmel und ließen das schwache Licht der Sterne nicht hindurch. In der Ferne kündete ein dumpfes Grollen von einem gewaltigen Sturm, der bald den Wald peitschen würde. Lorik und Hasabi zogen sich in die kleine, vom Lagerfeuer erhellte Höhle zurück. Lorik lieh sich Hasabis Dolch und begann damit, dem Kaninchen das Fell abzuziehen. Nachdem er es ausgenommen hatte, spießte er das Fleisch auf einen Stock und hielt es über das Feuer. Das wärmende Feuer vertrieb die Kälte aus Hasabis Körper und ließ auch seine Angst schwinden.
Er wusste, mit Lorik an seiner Seite konnte ihm nichts geschehen.
Der Zahn des kalten Gottes - Kapitel 4: Der Talisman
„Hallo, mein Junge!“ sprach Calvaron, als Hasabi in das kleine dunkle Zimmer trat, das sich der Alwe für ein paar Tage gemietet hatte. Die Fenster des kleinen Raumes hatte der Alwe mit dunklen Tüchern verhängt. Hasabi vermutete, dass der Alwe, der die Kälte gewohnt war, damit die Hitze des Tages aus dem Zimmer verbannen wollte.
„Der Reliquiendieb will die Stadt verlassen!“ sagte Hasabi direkt heraus.
„Wie kommst du darauf?“ fragte der Alwe, der auf einer Art Diwan saß. Seinen Umhang hatte er über einen Holzstuhl gehängt, der an einem kleinen runden Tisch stand.
„Nun, er kauft Proviant. Außerdem habe ich seine Augen gesehen und ich habe gelernt, daraus zu lesen.“
Verstohlen sah Hasabi bei seinen Worten in die pupillenlosen Augen des Alwen, der den Blick bemerkt hatte, und ihn mit einem kurzen Lächeln quittierte.
„Wo ist der Barbar jetzt?“ fragte Calvaron und erhob sich. Erst jetzt bemerkte Hasabi, dass der Alwe mindestens so groß war wie der Wilde, den er verfolgt hatte. Seine Priesterrobe wirkte in dem fahlen Licht, das durch die aufgehängten Tücher drang, viel majestätischer als zuvor. Das Gewand war vorne mit seltsamen Silberrunen geschmückt, die Hasabi vorher gar nicht aufgefallen waren. Ein solches Gewand musste einer sehr wichtigen Persönlichkeit gehören.
„Nun?“ fragte Calvaron, als er bemerkte, dass Hasabi ihn musterte.
„Ein Freund von mir hat ein Auge auf ihn. Ich sagte ihm, dass ich ihn bei Marktschluss am oberen Stadttor treffen werde.“
„Sehr gut, mein Junge. Ich hoffe du hast ihm nichts von der Reliquie erzählt …“
„Nein, habe ich nicht … bin doch nicht doof! Ich habe ihm bloß fünf Silberlinge versprochen!“
„Fünf?“ knurrte Calvaron, was Hasabi zusammenzucken ließ.
„Die Sache ist viel zu wichtig, du hättest ihm mehr bieten müssen!“ lachte Calvaron und schlug dem Jungen mit seiner kalten Hand auf die Schulter. Hasabi entspannte sich wieder. „Nun denn, lass uns zu deinem Freund aufbrechen!“ sagte Calvaron, zog seinen braunen Kapuzenumhang über und nahm einen langen Wanderstab, der komplett aus bläulichem Eis zu bestehen schien und von einem fantastischen weißen Stein an der Spitze geziert wurde.
In einem Stall nahe der Gaststätte hatte Calvaron ein Pferd untergestellt: Einen mächtigen schwarzen Hengst. Er legte ihm einen einfachen Sattel an und versteckte seinen Stab unter einigen Fellen und Tüchern. Calvaron hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, als sie durch die Straßen der Stadt ritten. Als der Alwe in der Nähe des Stadttores das Tier zügelte, sprang Hasabi ab und lief zu seinem Freund Jock, der an die äußere Wehrmauer lehnte.
„Wer ist denn diese Gestalt?“ wagte Jock Hasabi leise zu fragen und blickte in die Richtung des dunklen Reiters.
In einem Stall nahe der Gaststätte hatte Calvaron ein Pferd untergestellt: Einen mächtigen schwarzen Hengst. Er legte ihm einen einfachen Sattel an und versteckte seinen Stab unter einigen Fellen und Tüchern. Calvaron hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, als sie durch die Straßen der Stadt ritten. Als der Alwe in der Nähe des Stadttores das Tier zügelte, sprang Hasabi ab und lief zu seinem Freund Jock, der an die äußere Wehrmauer lehnte.
„Wer ist denn diese Gestalt?“ wagte Jock Hasabi leise zu fragen und blickte in die Richtung des dunklen Reiters.
„Er ist ein Freund!“ versprach ihm Hasabi.
„Nun, hat der Barbar die Stadt schon verlassen, wie ich vermutet habe?“
„Ja, hat er. Du wirst es nicht glauben, was passiert ist. Der gewaltige Kerl kam auf mich zu, als ich mich unauffällig gegen eine Mauer lehnte. Zuerst dachte ich – jetzt ist es aus, er hat bemerkt, dass ich ihn verfolge – aber nichts dergleichen. Er fragte mich, wie er ungesehen die Stadt verlassen könne. Anscheinend hat er Angst, den Stadtwachen zu begegnen!“
„Was hast du dem Kerl erzählt?“
„Nun, er gab mir zwei Silberlinge, da hab’ ich ihm vom Loch in der Nordwand hinter der alten zerfallenen Baracke erzählt. Durch die ist er vor einer Stunde geschlüpft. So viel ich gesehen habe, läuft er in nördlicher Richtung!“
„Danke, Jock! Hast du gut gemacht!“ rief Hasabi und drehte sich um. Jock griff nach Hasabis Schulter und drehte ihn wieder zu sich.
„Ich glaube, du hast was vergessen!“ funkelte Jock seinen jungen Freund etwas erbost an und hielt seine Hand auf.
„Ups …“, rief Hasabi und griff in seine dünne Ledertunika und zog fünf Münzen heraus, die ihm der Alwe gegeben hatte.
„Hier!“ Als Hasabi Jock die Münzen in die Hand drückte, hielt Jock sie fest.
„Was ist denn das?“ fragte der Streuner und deutete auf die Zeichnung an Hasabis Hand. „Ich kenne dieses Zeichen irgendwoher!“
„Ich hab’ keine Zeit. Jock, mach’s gut!“ verabschiedete sich Hasabi hastig und lief zu Calvaron, der auf dem schwarzen Hengst auf ihn wartete. Kurze Zeit später ritten die beiden durch das prächtige Stadttor von Parapolis. Während sie langsam dem Pfad nach Norden folgten, sprachen sie darüber, wie sie die Reliquie aus den Händen des Nordmannes zurückgewinnen könnten. Hasabi fiel auf, dass Calvaron jede Möglichkeit ausschlug, bei der er auch nur in die Nähe des Barbaren kommen musste. Hasabi vermutete, dass der Alwen-Priester den Barbaren mehr fürchtete, als er zugeben wollte. Der Plan, den sich die beiden dann zurechtlegten sah vor, dass Hasabi sich des Nachts an den wilden Barbaren anschleichen sollte, während dieser schlief.
Die Sonne ging unter, und es wurde schnell dunkler. Trotz der einsetzenden Dunkelheit verlangsamte der Alwe sein Pferd nicht und führte es wie am helllichten Tage sicher an schwierigen Stellen vorbei. Nach einiger Zeit sahen sie in der Ferne ein Lagerfeuer.
Die Sonne ging unter, und es wurde schnell dunkler. Trotz der einsetzenden Dunkelheit verlangsamte der Alwe sein Pferd nicht und führte es wie am helllichten Tage sicher an schwierigen Stellen vorbei. Nach einiger Zeit sahen sie in der Ferne ein Lagerfeuer.
„Ist er das?“ fragte Hasabi seinen dunklen Begleiter, dessen Augen im schwachen Sternenlicht glitzerten. Calvaron nickte und stieg vom Pferd.
„Bist du sicher, dass du dies für mich tun willst? Es ist nicht ungefährlich“, warnte er den Jungen.
„Wenn ihr mich dann auch wirklich mitnehmt in euer fernes Land!“ sagte Hasabi.
Calvaron ließ seine schartigen weißen Zähne kurz in einem Lächeln aufblitzen und tätschelte erneut beruhigend Hasabis Schulter.
„Das werde ich, du wirst Dinge sehen, von denen du nicht einmal träumen kannst, mein Junge!“
Von diesen Worten ermutigt schlich sich Hasabi durch das dichte Unterholz des Waldes in Richtung des Lichtes. Nach kurzer Zeit befand er sich direkt an der Feuerstelle, neben der laut schnarchend der Barbar lag, der anscheinend auf dem ersten Stück seiner Reise den meisten Wein schon getrunken hatte, den er sich mittags auf dem Markt geholt hatte. Die Reliquie lag auf seiner Brust und das lodernde Licht des Lagerfeuers spiegelte sich in ihr. Hasabi wusste, dass er die Schnur durchschneiden musste, um den Drachenzahn zu bekommen. Es gab keine Möglichkeit die Lederschnur anders über den Kopf des Barbaren zu ziehen. Hasabi zog seinen kurzen Dolch, den er in seinem Stiefelschaft versteckt hatte. Mit der linken Hand hob er den glitzernden Zahn leicht von der Brust ab, mit der rechten setzte er den Dolch an die Schnur und begann zu schneiden. Hasabi war dem Gesicht des Barbaren so nahe, dass er seinen heißen Atem am Arm spüren konnte. Mit einem ungeheuren Brüllen stieß Lorik Hasabi von sich, der Dolch flog dabei durch die Luft. Am ausgestreckten Arm hielt Lorik den Jungen an einen Baum gepresst. Die andere Hand des Barbaren hielt das geschliffene Breitschwert direkt an Hasabis Hals.
Von diesen Worten ermutigt schlich sich Hasabi durch das dichte Unterholz des Waldes in Richtung des Lichtes. Nach kurzer Zeit befand er sich direkt an der Feuerstelle, neben der laut schnarchend der Barbar lag, der anscheinend auf dem ersten Stück seiner Reise den meisten Wein schon getrunken hatte, den er sich mittags auf dem Markt geholt hatte. Die Reliquie lag auf seiner Brust und das lodernde Licht des Lagerfeuers spiegelte sich in ihr. Hasabi wusste, dass er die Schnur durchschneiden musste, um den Drachenzahn zu bekommen. Es gab keine Möglichkeit die Lederschnur anders über den Kopf des Barbaren zu ziehen. Hasabi zog seinen kurzen Dolch, den er in seinem Stiefelschaft versteckt hatte. Mit der linken Hand hob er den glitzernden Zahn leicht von der Brust ab, mit der rechten setzte er den Dolch an die Schnur und begann zu schneiden. Hasabi war dem Gesicht des Barbaren so nahe, dass er seinen heißen Atem am Arm spüren konnte. Mit einem ungeheuren Brüllen stieß Lorik Hasabi von sich, der Dolch flog dabei durch die Luft. Am ausgestreckten Arm hielt Lorik den Jungen an einen Baum gepresst. Die andere Hand des Barbaren hielt das geschliffene Breitschwert direkt an Hasabis Hals.
„Bist du mir aus Stadt bis hierher gefolgt, um mir meinen Talisman zu stehlen?“ fragte der Barbar zornig. Hasabi wusste nicht, was er sagen sollte. Er war sich sicher, dass der Barbar ihn jetzt töten würde.
„Warum wagt sich eine Made wie du so weit in die Wildnis?“ fragte Lorik und blickte den Jungen mit einem durchdringenden Blick an.
„Hast du keine Zunge oder willst du nicht sprechen?“
„Ich heiße Hasabi!“ sagte der Junge plötzlich und schien von sich selbst überrascht zu sein. „Nun, Hasabi, ich habe schon Männern das Genick gebrochen, weil sie meinen Talisman bloß angeschaut haben – was meinst du, soll ich jetzt mit dir anstellen?“
Hasabi zuckte unsicher mit den Schultern.
„Ich sah euch über den Markt gehen. Da fiel mir euer Talisman auf. Er funkelte mir förmlich ins Auge. Für dieses Stück könnte ich mir so einiges leisten!“
„Du bist noch jung, Hasabi. Wenn du mal ein guter Dieb werden willst, solltest du dich erst mal an geringerer Beute versuchen!“
Bei diesen Worten ließ Lorik Hasabi los, nahm das Schwert aber nicht herunter.
„Ich gebe dir einen guten Rat. Lauf’ morgen so schnell du kannst zurück nach Parapolis und folge mir keinen Schritt weiter.“
„Ihr tötet mich nicht?“ fragte Hasabi erstaunt.
„Möchtest du sterben?“ fragte Lorik zurück. Hasabi schüttelte wie benommen mit dem Kopf.
„Trotzdem werde ich dich bestrafen Junge und zwar so, wie es in Parapolis üblich ist! Her mit deiner Hand!“
„Trotzdem werde ich dich bestrafen Junge und zwar so, wie es in Parapolis üblich ist! Her mit deiner Hand!“
„Nein!“ stöhnte Hasabi auf und wich vor der Hand des Riesen zurück.
„He, Junge, beruhige dich wieder … war nur ein Scherz! Setz dich zu mir ans Feuer und iss einen Bissen Pökelfleisch.“ Hasabi, der sich noch nicht vom Schock erholt hatte, stand nur wie gelähmt da, als sich Lorik an sein Lagerfeuer setzte und lachend ein großes Stück Pökelfleisch in zwei Hälften riss.
„Los, setz dich! Es ist sowieso zu spät, um dich jetzt fortzuschicken.“ Unsicher ob des plötzlichen Sinneswandels des großen Mannes setzte sich Hasabi auf die dem Mann gegenüberliegende Seite des warmen Feuers. Das Stück Pökelfleisch, das ihm Lorik zuwarf, war eklig glitschig – trotzdem schlang Hasabi fast das ganze Stück auf einmal herunter.
„Ganz schön hungrig, Kleiner, eh?“ fragte Lorik.
„Ganz schön hungrig, Kleiner, eh?“ fragte Lorik.
„Woher kommst du? Du bist ja kein Leukon …“
„Ich weiß nicht … hab’ meine Eltern nie kennengelernt.“
„Wie konntest du dann als kleines Kind in den Straßen von Parapolis überleben? Wer hat dich aufgezogen?“
„Irgendjemand fand sich immer, der mir etwas zusteckte … meistens waren es Diebe, so wie ich heute einer bin …“
„Armer Teufel …“, seufzte Lorik und starrte in das Feuer.
„Und jetzt hast du deine Seele verkauft …“ Hasabi blickte den Barbaren erstaunt und voller Unverständnis an.
„Und jetzt hast du deine Seele verkauft …“ Hasabi blickte den Barbaren erstaunt und voller Unverständnis an.
„Du bist nicht alleine hier heraus gekommen, dass weiß ich … Wer ist es, der dich geschickt hat?“ Überrascht darüber, dass Lorik soviel wusste, verschlug es Hasabi die Sprache.
„Ich weiß nicht …“, fuhr Lorik fort. „Vielleicht irre ich mich, dieses Gefühl habe ich, seit ich meine Heimat im Norden verlassen habe! Hast du jemals von Yarwaques Hand gehört, mein kleiner Freund?“
„Ja, da kommen die Gjölnar her! Außer dir sind noch viele andere in der Stadt. Ich glaube viele von ihnen suchen nach einer Möglichkeit als Matrose auf ein Handelsschiff zu kommen.“
Lorik nickte und blickte wieder ins Feuer. „Warum hast du Yarwaques Hand verlassen?“ fragte Hasabi.
„Nichts … gar nichts hielt mich mehr dort. Ich hatte eine Familie … eine große Familie, doch ich verlor sie … alle!“ Danach herrschte eine Weile absolute Stille. Nur das Holz im Feuer knackte vor sich her.
„Was ist das für ein Talisman?“ erkundigte sich Hasabi neugierig, was ihm ein böses Funkeln aus Loriks Augen einbrachte.
„Ein Geschenk …und ein Zeichen. Für mich ist es zum Zeichen für all das geworden, was ich früher war … was mein Leben früher war!“
„Und jetzt bist du aufgebrochen, um zu diesem Leben zurückzukehren?“
Interessiert schaute der Mann zu dem Jungen herüber, der anscheinend mehr aus ihm lesen konnte als so viele andere. Lorik gab keine Antwort.
Interessiert schaute der Mann zu dem Jungen herüber, der anscheinend mehr aus ihm lesen konnte als so viele andere. Lorik gab keine Antwort.
„Leg dich hin und schlaf, ich werde aufpassen, dass dich die Wölfe nicht fressen!“ sagte der Barbar mit einem Schmunzeln. Hasabi war sehr müde und befolgte den Rat des Barbaren, denn er hatte Angst mit seiner Neugier in eine Wunde zu stoßen, die die Stimmung des grimmigen Mannes wieder umschlagen lassen könnte. In dieser Nacht schlief Hasabi sehr unruhig.
Der Zahn des kalten Gottes - Kapitel 3: Der Auftrag des Alwen
Gebückt schlich sich der Junge durch die schattigen Nebenstraßen Parapolis. Die Morgensonne lugte gerade über die flachen Dächer der Hafenstadt. Er hatte schon mehrere kleinere Aufgaben für andere Schurken in der Stadt erledigt, doch dieser Auftrag war anders. Calvaron war ein Priester, einer der ihn aus dem Elend seines miesen Lebens herausholen konnte, das spürte Hasabi. Deshalb würde er all seine Fähigkeiten, die er sich im Laufe seines noch jungen Lebens angeeignet hatte, einsetzen, um den Auftrag erfolgreich auszuführen. Calvaron hatte ihm erzählt, dass er ein Geheimbote seines Volkes und auf der Suche nach einer uralten Reliquie sei. Diese Reliquie sei ein blau-weiß glänzender Drachenzahn, ein geheiligtes Symbol der Göttin Nivie und vor Jahren von einem Barbaren namens Lorik geraubt worden. Der alwische Priester hatte den Räuber bis in diese Stadt verfolgt.
Laut Calvarons Beschreibung war Lorik ein fürchterlicher Krieger, mit mächtiger Brust und breiten Schultern. Hasabi kannte viele Gjölnar, die aus dem Norden nach Parapolis gekommen waren, um hier als Matrosen auf einem der Handelsschiffe anzuheuern, auf die diese Beschreibung zugetroffen hätte. Der geheimnisvolle Alwe hatte Hasabi erzählt, dass man den Wilden an einer schwarzroten Tätowierung erkennen könne, die sein halbes Gesicht und seine Brust bedecke. Hasabi hatte sich bei einigen seiner Quellen, also Herumtreibern, wie er selbst einer war, erkundigt.
Trischon, der einarmige Schlossknacker aus dem Hafenviertel, glaubte sich an einen Mann mit einer solchen Tätowierung erinnern zu können. Er beschrieb Hasabi die Schenke, in der er den Barbaren gesehen zu haben glaubte. Dort hatte er von einem alten Seebär erfahren, dass sich der Wilde, der wirklich Lorik zu heißen schien, nachts häufig durch sämtliche Schenken des Hafenviertels soff. Nun war er dabei eben diese Spelunken nacheinander abzuklappern, um zu überprüfen, ob der Barbar in einer der vielen Tavernen mit Gästezimmern übernachtet hatte. In der letzten Gaststätte, einer kleinen Holzstube auf deren Schild 'Zum hämischen Hecht' stand, hatte man ihm erzählt, dass man in der vergangenen Nacht einen stockbesoffenen Wilden, der Streit anfangen wollte, auf die Straße geworfen hatte. Hasabi beschloss die Gaststätten in der Nähe zu erkunden, weit konnte Lorik, falls er wirklich so besoffen gewesen war, nicht gekommen sein. Als Hasabi die Straße hinauf sein nächstes Ziel, eine teures Gasthaus namens 'Goldesel', erspähte, huschte er hinter die Marmorsäule eines Gebäudes, um nicht von der heraustretenden Person gesehen zu werden. Vorsichtig lugte er um die Säule herum und erkannte, dass er Lorik gefunden hatte. Er starrte zum Giebel eines Skia-Tempels, auf der eine kunstvoll gemeißelte weiße Eule aus Marmor saß. Die Tätowierung, die der Barbar trug, ließ den mächtigen Körper des wilden Nordmannes noch furchteinflößender erscheinen, als er in Anbetracht seiner Muskeln sowieso schon war. Seine lange braune Mähne hing ihm bis auf seine breiten Schultern herab. Außer einer ausgemergelten ledernen Hose, an der ein kleiner Geldbeutel hing und einigen Fellstiefeln in noch schlimmerem Zustand trug er offensichtlich nichts bei sich. Von einem Drachenzahn war nichts zu sehen. Zielstrebig schritt der mächtige Barbar auf die Tür des Tempels, der der Göttin der Weisheit geweiht war, zu. Sein heftiges Rütteln an der mit Eisen beschlagenen Tür zeigte ihm, dass die Tür ganz offensichtlich verschlossen war und er sie nicht aufbrechen konnte. Interessiert sah Hasabi, dass der Barbar ganz offensichtlich nach einem Weg suchte, um in den Tempel zu gelangen.
„Was will dieser schwankende Riese in dem Tempel?’ fragte sich Hasabi.
„Sicherlich ist er kein Anhänger Skias, die all das verkörpert, was dieser Wilde gerade nicht ist!“
Erstaunt sah der junge Dieb, wie sich der unbeholfene Barbar an einem Holzgerüst, an dem eine Kletterpflanze emporgewachsen war, hochzog. Als Lorik oben angekommen war, schaute er sich noch einmal flüchtig um, bevor er das bunte Fenster unter dem Dach eintrat. Das laute Splittern des Glases ließ den jungen Jujin zusammenzucken.
„Was für ein Trottel!“ dachte sich Hasabi und war sich sicher, dass der Wilde mit dem Lärm die ganze Straße geweckt hatte. Nervös blickte sich Hasabi in der Gasse um und entdeckte wenig später einen wild schimpfenden Priester in fliegender weißer Robe. Hinter ihm tauchten drei Stadtwachen auf, die ihre Breitschwerter gezogen hatten. Aus ihren Gesichtern las Hasabi Erstaunen. Wahrscheinlich fragten sie sich, warum der Priester schon so früh am Morgen drei von ihnen von ihren Posten abziehen musste. Der Priester schloss mit einem großen eisernen Schlüssel die Tür des Tempels auf. Laut schnaubend riss er den großen Holzflügel zur Seite, entzündete mit einem Feuerstein eine Fackel und eilte mit zwei der Wachen in die Dunkelheit. Die dritte Stadtwache blieb vor der Tür stehen und blickte sich gelangweilt auf dem Platz vor dem Tempel um. Hasabi war gut versteckt und die müden Augen des Wächters übersahen ihn.
„Diese verdammten Kinder!“ hörte Hasabi den erbosten Priester rufen.
„Das ist nun schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass sie unsere Scheiben einwerfen!“ Hasabi musste sich ein Kichern verkneifen. Er hörte, wie der Priester nicht weniger aufgeregt innen mit den beiden Stadtwachen sprach, die in der Dunkelheit wahrscheinlich nach einem Stein suchten. Plötzlich kam Lorik mit einer enormen Geschwindigkeit aus der Tür gestürmt und schickte den Wächter mit einem einzigen gewaltigen Nackenschlag ins Reich der Träume. Der Barbar musste sich im Dunkeln vor dem Priester und den Stadtwachen versteckt haben. Blitzschnell krallte sich der Barbar das Schwert der bewusstlosen Wache, noch bevor dieses auf den Boden fallen konnte. Danach rannte der Wilde so schnell er konnte die Straße in Richtung Hafen hinunter. Hasabi verschwand hinter dem Haus auf der anderen Straßenseite des Tempelplatzes und folgte der engen Parallelstraße, die ebenfalls zum Hafen führte. Vom Tempelplatz hörte er noch die Stimme des Priesters, der die Stadtwachen anschrie, sie sollten den Einbrecher verfolgen. Nach einiger Zeit verlangsamte Hasabi seine Schritte und wollte sich gerade eingestehen, dass er die Spur des Barbaren verloren hatte, als er ein Keuchen in einer der Seitengassen hörte. Langsam schlich sich Hasabi zur Hausecke und blickte mit einem Auge in die Straße. Lorik lehnte sich, sichtlich von seinem Spurt geschafft, mit dem gestohlenen Schwert in der Hand, an eine Hauswand. Er hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Hasabi vermutete, dass das ausschweifende Leben in der Stadt der Ausdauer des Barbaren nicht gerade zuträglich gewesen war. Als der junge Dieb näher hinsah, erkannte er, dass Lorik nun ein Lederband um den muskulösen Hals trug, an dem ein wunderschön funkelnder Gegenstand hing. Das musste die Reliquie sein! Aber wie sollte Hasabi an diese herankommen? Er hatte gesehen, wie leicht der Krieger die Stadtwache niedergeschlagen hatte und jetzt trug er ja auch noch ein Schwert. Lorik öffnete die Augen und schien erst jetzt zu bemerken, dass er ein Schwert in der Hand hielt. Hasabi konnte ein Funkeln in den Augen des Kriegers sehen, als dieser seinen Blick über die Schwertklinge hin zum Himmel richtete. Hasabi musste seinen nächsten Schritt genau planen, dieser Mann war sehr gefährlich, dass spürte er. Der Dieb lehnte sich an die Hauswand um über sein Vorgehen nachzudenken und kratzte sich dabei beiläufig an seinem Handrücken auf das der Alwe Calvaron ihm ein hübsches Symbol gemalt hatte.
Calvaron hatte ihm erzählt, es sei ein Schutzsymbol seiner Göttin, der Frosthirtin, Nivie, die ihn beschützen würde. Jetzt juckte ihn die Farbe auf seiner Haut und schien auch nicht mehr weg zu gehen. Als er Geräusche aus der Seitenstraße hörte, vergaß er seine Hand. Der Barbar hatte das Schwert der Stadtwache in ein braunes Leinentuch gehüllt, das er irgendwo auf der Straße gefunden haben musste. Mit einem weiteren Lederriemen verschnürte er es zu einem festen Paket und verließ aufrechten Schrittes die Seitenstraße in der entgegengesetzten Richtung. Auf leisen Sohlen folgte Hasabi dem Barbaren und blieb immer ein gutes Stück zurück. Lorik nahm die Straße, die hinab zum Hafen und auf der anderen Seite zum Marktplatz führte, wo er gestern zum ersten Mal Calvaron begegnet war. Auf dem Markt blieb der Barbar an einigen Ständen stehen und ließ sich Pökelfleisch, Zwieback und Wein geben, was er mit klingender Münze aus seinem Beutel bezahlte. Hasabi erkannte, was der Barbar vorhatte: Er wollte die Stadt verlassen. Das war der Zeitpunkt, den Alwen-Priester aufzusuchen. Er musste dem heiligen Mann erzählen, dass sich der Wilde mit der Reliquie aus dem Staub machen wollte. Hasabi blickte sich auf der untersten Ebene des Marktes um und fand nach kurzer Zeit, was er suchte. Zwischen zwei Obstständen kauerte eine in dunkelbraune Tücher gehüllte Gestalt. Das war Jock, einer von Hasabis Quellen und einer seiner besten Freunde im Marktviertel. Heimlich gesellte sich Hasabi zu seinem versteckten Freund zwischen die Marktstände.
„Hallo, Hasabi! Was machst du denn hier?“ fragte Jock seinen Freund.
„Ich hab’ ‘nen Auftrag, was ziemlich Großes … ich brauche deine Hilfe!“
„Moment …“, unterbrach der dürre Jock seinen Freund mit erhobener Hand.
„Fünf Silberlinge!“ rief Hasabi da und brachte damit Jock zum Schweigen.
„Siehst du diesen Wilden da hinten?“
„Du meinst den tätowierten Gorilla?“
„Ja, genau den. Du musst ihn für mich beschatten.“
Jock nickte seinem jungen Freund zu.
„Und dann?“ fragte er.
„Wir treffen uns zu Marktende am oberen Stadttor!“
Jock wartete mit der Verfolgung des Barbaren bis Hasabi aus der Hafenstraße verschwunden war.
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Calvaron, der Alwonai-Priester. |
Trischon, der einarmige Schlossknacker aus dem Hafenviertel, glaubte sich an einen Mann mit einer solchen Tätowierung erinnern zu können. Er beschrieb Hasabi die Schenke, in der er den Barbaren gesehen zu haben glaubte. Dort hatte er von einem alten Seebär erfahren, dass sich der Wilde, der wirklich Lorik zu heißen schien, nachts häufig durch sämtliche Schenken des Hafenviertels soff. Nun war er dabei eben diese Spelunken nacheinander abzuklappern, um zu überprüfen, ob der Barbar in einer der vielen Tavernen mit Gästezimmern übernachtet hatte. In der letzten Gaststätte, einer kleinen Holzstube auf deren Schild 'Zum hämischen Hecht' stand, hatte man ihm erzählt, dass man in der vergangenen Nacht einen stockbesoffenen Wilden, der Streit anfangen wollte, auf die Straße geworfen hatte. Hasabi beschloss die Gaststätten in der Nähe zu erkunden, weit konnte Lorik, falls er wirklich so besoffen gewesen war, nicht gekommen sein. Als Hasabi die Straße hinauf sein nächstes Ziel, eine teures Gasthaus namens 'Goldesel', erspähte, huschte er hinter die Marmorsäule eines Gebäudes, um nicht von der heraustretenden Person gesehen zu werden. Vorsichtig lugte er um die Säule herum und erkannte, dass er Lorik gefunden hatte. Er starrte zum Giebel eines Skia-Tempels, auf der eine kunstvoll gemeißelte weiße Eule aus Marmor saß. Die Tätowierung, die der Barbar trug, ließ den mächtigen Körper des wilden Nordmannes noch furchteinflößender erscheinen, als er in Anbetracht seiner Muskeln sowieso schon war. Seine lange braune Mähne hing ihm bis auf seine breiten Schultern herab. Außer einer ausgemergelten ledernen Hose, an der ein kleiner Geldbeutel hing und einigen Fellstiefeln in noch schlimmerem Zustand trug er offensichtlich nichts bei sich. Von einem Drachenzahn war nichts zu sehen. Zielstrebig schritt der mächtige Barbar auf die Tür des Tempels, der der Göttin der Weisheit geweiht war, zu. Sein heftiges Rütteln an der mit Eisen beschlagenen Tür zeigte ihm, dass die Tür ganz offensichtlich verschlossen war und er sie nicht aufbrechen konnte. Interessiert sah Hasabi, dass der Barbar ganz offensichtlich nach einem Weg suchte, um in den Tempel zu gelangen.
„Was will dieser schwankende Riese in dem Tempel?’ fragte sich Hasabi.
„Sicherlich ist er kein Anhänger Skias, die all das verkörpert, was dieser Wilde gerade nicht ist!“
Erstaunt sah der junge Dieb, wie sich der unbeholfene Barbar an einem Holzgerüst, an dem eine Kletterpflanze emporgewachsen war, hochzog. Als Lorik oben angekommen war, schaute er sich noch einmal flüchtig um, bevor er das bunte Fenster unter dem Dach eintrat. Das laute Splittern des Glases ließ den jungen Jujin zusammenzucken.
„Was für ein Trottel!“ dachte sich Hasabi und war sich sicher, dass der Wilde mit dem Lärm die ganze Straße geweckt hatte. Nervös blickte sich Hasabi in der Gasse um und entdeckte wenig später einen wild schimpfenden Priester in fliegender weißer Robe. Hinter ihm tauchten drei Stadtwachen auf, die ihre Breitschwerter gezogen hatten. Aus ihren Gesichtern las Hasabi Erstaunen. Wahrscheinlich fragten sie sich, warum der Priester schon so früh am Morgen drei von ihnen von ihren Posten abziehen musste. Der Priester schloss mit einem großen eisernen Schlüssel die Tür des Tempels auf. Laut schnaubend riss er den großen Holzflügel zur Seite, entzündete mit einem Feuerstein eine Fackel und eilte mit zwei der Wachen in die Dunkelheit. Die dritte Stadtwache blieb vor der Tür stehen und blickte sich gelangweilt auf dem Platz vor dem Tempel um. Hasabi war gut versteckt und die müden Augen des Wächters übersahen ihn.
„Diese verdammten Kinder!“ hörte Hasabi den erbosten Priester rufen.
„Das ist nun schon das dritte Mal in diesem Jahr, dass sie unsere Scheiben einwerfen!“ Hasabi musste sich ein Kichern verkneifen. Er hörte, wie der Priester nicht weniger aufgeregt innen mit den beiden Stadtwachen sprach, die in der Dunkelheit wahrscheinlich nach einem Stein suchten. Plötzlich kam Lorik mit einer enormen Geschwindigkeit aus der Tür gestürmt und schickte den Wächter mit einem einzigen gewaltigen Nackenschlag ins Reich der Träume. Der Barbar musste sich im Dunkeln vor dem Priester und den Stadtwachen versteckt haben. Blitzschnell krallte sich der Barbar das Schwert der bewusstlosen Wache, noch bevor dieses auf den Boden fallen konnte. Danach rannte der Wilde so schnell er konnte die Straße in Richtung Hafen hinunter. Hasabi verschwand hinter dem Haus auf der anderen Straßenseite des Tempelplatzes und folgte der engen Parallelstraße, die ebenfalls zum Hafen führte. Vom Tempelplatz hörte er noch die Stimme des Priesters, der die Stadtwachen anschrie, sie sollten den Einbrecher verfolgen. Nach einiger Zeit verlangsamte Hasabi seine Schritte und wollte sich gerade eingestehen, dass er die Spur des Barbaren verloren hatte, als er ein Keuchen in einer der Seitengassen hörte. Langsam schlich sich Hasabi zur Hausecke und blickte mit einem Auge in die Straße. Lorik lehnte sich, sichtlich von seinem Spurt geschafft, mit dem gestohlenen Schwert in der Hand, an eine Hauswand. Er hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Hasabi vermutete, dass das ausschweifende Leben in der Stadt der Ausdauer des Barbaren nicht gerade zuträglich gewesen war. Als der junge Dieb näher hinsah, erkannte er, dass Lorik nun ein Lederband um den muskulösen Hals trug, an dem ein wunderschön funkelnder Gegenstand hing. Das musste die Reliquie sein! Aber wie sollte Hasabi an diese herankommen? Er hatte gesehen, wie leicht der Krieger die Stadtwache niedergeschlagen hatte und jetzt trug er ja auch noch ein Schwert. Lorik öffnete die Augen und schien erst jetzt zu bemerken, dass er ein Schwert in der Hand hielt. Hasabi konnte ein Funkeln in den Augen des Kriegers sehen, als dieser seinen Blick über die Schwertklinge hin zum Himmel richtete. Hasabi musste seinen nächsten Schritt genau planen, dieser Mann war sehr gefährlich, dass spürte er. Der Dieb lehnte sich an die Hauswand um über sein Vorgehen nachzudenken und kratzte sich dabei beiläufig an seinem Handrücken auf das der Alwe Calvaron ihm ein hübsches Symbol gemalt hatte.
Calvaron hatte ihm erzählt, es sei ein Schutzsymbol seiner Göttin, der Frosthirtin, Nivie, die ihn beschützen würde. Jetzt juckte ihn die Farbe auf seiner Haut und schien auch nicht mehr weg zu gehen. Als er Geräusche aus der Seitenstraße hörte, vergaß er seine Hand. Der Barbar hatte das Schwert der Stadtwache in ein braunes Leinentuch gehüllt, das er irgendwo auf der Straße gefunden haben musste. Mit einem weiteren Lederriemen verschnürte er es zu einem festen Paket und verließ aufrechten Schrittes die Seitenstraße in der entgegengesetzten Richtung. Auf leisen Sohlen folgte Hasabi dem Barbaren und blieb immer ein gutes Stück zurück. Lorik nahm die Straße, die hinab zum Hafen und auf der anderen Seite zum Marktplatz führte, wo er gestern zum ersten Mal Calvaron begegnet war. Auf dem Markt blieb der Barbar an einigen Ständen stehen und ließ sich Pökelfleisch, Zwieback und Wein geben, was er mit klingender Münze aus seinem Beutel bezahlte. Hasabi erkannte, was der Barbar vorhatte: Er wollte die Stadt verlassen. Das war der Zeitpunkt, den Alwen-Priester aufzusuchen. Er musste dem heiligen Mann erzählen, dass sich der Wilde mit der Reliquie aus dem Staub machen wollte. Hasabi blickte sich auf der untersten Ebene des Marktes um und fand nach kurzer Zeit, was er suchte. Zwischen zwei Obstständen kauerte eine in dunkelbraune Tücher gehüllte Gestalt. Das war Jock, einer von Hasabis Quellen und einer seiner besten Freunde im Marktviertel. Heimlich gesellte sich Hasabi zu seinem versteckten Freund zwischen die Marktstände.
„Hallo, Hasabi! Was machst du denn hier?“ fragte Jock seinen Freund.
„Ich hab’ ‘nen Auftrag, was ziemlich Großes … ich brauche deine Hilfe!“
„Moment …“, unterbrach der dürre Jock seinen Freund mit erhobener Hand.
„Fünf Silberlinge!“ rief Hasabi da und brachte damit Jock zum Schweigen.
„Siehst du diesen Wilden da hinten?“
„Du meinst den tätowierten Gorilla?“
„Ja, genau den. Du musst ihn für mich beschatten.“
Jock nickte seinem jungen Freund zu.
„Und dann?“ fragte er.
„Wir treffen uns zu Marktende am oberen Stadttor!“
Jock wartete mit der Verfolgung des Barbaren bis Hasabi aus der Hafenstraße verschwunden war.
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